Interview

Redaktionsgespräch mit Heinrich Haasis - "Wir zielen in erster Linie auf eine zufriedene Kundschaft ab."

Sparkassentage sind stets Anlass zu einer Bestandsaufnahme und dem Vergleich mit anderen. Hat die Sparkassenorganisation gegenüber dem Bochumer Treffen 2007 ihre Marktposition halten können?

Ja, wir haben uns gut behaupten können. Vor drei Jahren sah die Welt noch ganz anders aus. Renditemaximierung, geringer Eigenkapitaleinsatz gepaart mit hohen Fremdkapitalhebeln und hohes Engagement in strukturierten Finanzprodukten kennzeichneten weite Teile der Finanzwirtschaft. Heute gibt es wieder eine Zuwendung zu realen Kundengeschäften und die Abkehr von den Fantasietransaktionen mit ihren übermäßig hohen Renditeerwartungen, deren schlimme Folgen wir alle drastisch erlebt haben. Für die Sparkassen bedeutet das die Renaissance ihrer Geschäftsidee. Es ist wieder deutlich geworden, wie wichtig Vertrauen ist und dass die Basis dafür nur ein intensiver Kundenkontakt sein kann.

Ist die Krise für die Wirtschaft schon vorbei oder erwarten Sie noch Nachwirkungen?

In den Geschäftsergebnissen 2009 deutet einiges darauf hin, dass der Tiefpunkt der Krise überwunden ist. Angesichts der starken Exportausrichtung der deutschen Unternehmen bis weit hinein in den Mittelstand wird sich die weitere Situation vor allem im Export entscheiden. Erste Anzeichen für eine Erholung sind feststellbar: Zumindest im Asiengeschäft gehen die Exportzahlen wieder nach oben. Aber auch wenn sich die übrige Wirtschaft wieder stabilisiert: Ich warne davor zu unterschätzen, welche Stabilitätsgefahren nach wie vor von Teilen der Finanzwirtschaft und der immensen, im Markt vorhandenen Liquidität ausgehen können.

Wieso schlagen sich die immer noch hohen Vertrauenswerte in den Sparkassenbereich allenfalls im Kreditgeschäft und viel weniger im Ein- und Anlagengeschäft nieder?

Als nach dem Fall von Lehman die Entwicklung im Herbst 2008 sehr kritisch aussah, haben sich vor allem die privaten Kunden wieder sehr stark auf die Sicherheit von Instituten besonnen. Das hat zu einer Zuwendung zu den Sparkassen geführt. Dann gab es aber durch die allgemeine Spargarantie und durch das Signal, dass große Geschäftsbanken praktisch immer mit einer Staatsgarantie rechnen können, eine Trendwende. Wenn ein Anleger kaum Gefahr läuft, sein Geld ganz verlieren zu können, wird er sich wieder der Renditeoptimierung zuwenden. Dadurch ist ein neuer Renditewettlauf in Gang gesetzt worden. Es gibt auch in der Finanzwirtschaft teilweise wieder den Risikoappetit auf Finanzprodukte, deren Renditeversprechen keinen Bezug zu realwirtschaftlichen Entwicklungen haben. Man muss aufpassen, durch solche Aktivitäten nicht die Basis für eine neue Blase zu legen.

Wieso hat das Bewertungsergebnis der Sparkassen im Kreditgeschäft im Berichtsjahr 2009 längst nicht diese Ausmaße erreicht, die die Gruppe selbst befürchtet hat?

Die größte Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit mit dem beispiellosen Rückgang des BIP um rund fünf Prozent hat sich bei Weitem nicht so dramatisch ausgewirkt wie man das eigentlich angesichts früherer Erfahrungen hätte annehmen müssen. Geholfen hat vieles, angefangen von Regierungsmaßnahmen wie die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes bis hin zum engen Zusammenwirken von Wirtschaft, Gewerkschaften, Politik und Kreditwirtschaft. Auch die Spitzengespräche bei der Kanzlerin haben zur Einsicht verholfen, über die Krise hinweg möglichst qualifizierte Arbeitskräfte halten und die Durststrecke überbrücken zu wollen. Das alles war erfolgreich, aber jetzt muss der Aufschwung kommen, sonst wird es für manche Unternehmen angesichts des Eigenkapitalverzehrs noch ein böses Erwachen geben.

Im Sparkassensektor haben wir bundesweit auf die ausgereichten Kredite tatsächlich bei Weitem nicht die befürchteten Wertberichtigungen verzeichnet. Allerdings müssen wir im laufenden Jahr - selbst wenn es jetzt wirtschaftlich wieder aufwärts geht bei der Risikovorsorge mit einem Nachlauf rechnen. Darauf haben sich die Institute eingestellt, das wird verkraftbar sein.

Hat die Gruppe zudem von ihrer eher mittelständischen Struktur der Firmenkundschaft profitiert?

Eine breite Verankerung im Markt hat den Vorteil der sehr guten Risikostreuung. Davon profitieren die Sparkassen. Und wichtig war auch, dass vor allem die mittelständischen Unternehmen mit einer höheren Eigenkapitalquote als je zuvor in diese Krise gegangen sind und deshalb einen wirksamen Puffer hatten. Man sieht daran, wie wichtig es ist, politisch den Aufbau von Eigenkapital zu ermöglichen.

Welche Kommunikationsschwerpunkte setzt der Sparkassentag in die Organisation hinein?

In Stuttgart werden wir sehr selbstbewusste Sparkassen erleben. Wir fühlen uns in unserem seit mehr als 200 Jahren bewährten Geschäftsmodell bestätigt. Viele Kritiker, die unser System noch vor wenigen Jahren als altmodisch ansahen und deren Denken sich nur in großen, möglichst global agierenden Konzernen bewegte, sind eines Besseren belehrt worden. Nicht der Größere gewinnt, sondern der mit dem höchsten Kundenvertrauen vor Ort. Wir sind eine Verbundorganisation mit rechtlich selbstständigen Einheiten, die eigenständig und mit eigener Bilanzverantwortung entscheiden und die ihre Kunden genau kennen. Die Summe dieser Faktoren ist unschlagbar.

Darüber hinaus haben wir uns im Zeitalter von Internet und enormer technischer Fortschritte auch in der Kundenverbindung weiterentwickelt. In diesem Sinne werden wir auf dem Sparkassentag noch einmal eine klare Botschaft geben. Wir zielen in erster Linie auf eine zufriedene Kundschaft ab. Davon hängt der gesamte Geschäftserfolg ab. An dieser Stelle, so müssen wir selbstkritisch einräumen, sind auch die Sparkassen teilweise einen Irrweg gegangen. Noch auf dem Sparkassentag 2002 sah die verabschiedete Strategie eine ambitionierte Kapitalrendite vor, wenn auch nicht ganz so hoch wie bei den Privatbanken. Dies haben wir inzwischen geändert. Heute wird die Kundenzufriedenheit bei den Sparkassen als zentrale Steuerungsgröße verwendet.

Hat die Gruppe konkrete Kennziffern dafür entwickelt?

Das oberste Prinzip für jeden Mitarbeiter heißt Kundenzufriedenheit. Es muss auf allen Ebenen in der Mitarbeiterführung verankert sein. Das hat erhebliche Konsequenzen für die Geschäftsabläufe einschließlich des Auftritts gegenüber den Kunden. Wie werden Produkte angeboten? Steht der Kundenwille im Vordergrund oder der Produktverkauf? Unser Sparkas-sen-Finanzkonzept gibt hier die klare Vorgabe, als Erstes das Kundenbedürfnis zu ermitteln und bei allen Geschäften in den Mittelpunkt zu stellen. Als Benchmark vor Ort dient zum einen die regelmäßig gemessene Kundenzufriedenheit beim einzelnen Institut, die jeweils gesteigert werden soll. Einen zweiten Vergleichswert bietet der beste Wettbewerber, der möglichst übertroffen werden soll.

Welche Themen müssen nach außen, speziell an die (EU-)Politik, getragen werden?

In der Europäischen Kommission wollten früher viele die Sparkassen zu einem großen, einheitlich steuerbaren und möglichst veräußerbaren Konzern zusammenschmieden. Selbst die haben aber jetzt gesehen, wie stabilisierend unser System ist - nicht nur für den Finanzsektor, sondern für die gesamte Volkswirtschaft.

Halten Sie die veränderte Einschätzung des Geschäftsmodells der Sparkassen in Brüssel für nachhaltig?

Zurzeit sind wir in Brüssel respektiert, aber nicht geliebt. Nach wie vor ist es dort nicht das Ziel, dezentrale Strukturen zu stärken. Und man muss sicher damit rechnen, dass mit verblassenden Erinnerungen an die Finanzkrise die alten Vorstellungen wieder die Oberhand gewinnen.

Sie spüren in Brüssel also kein besseres Verständnis für gewachsene nationale Strukturen?

In Brüssel wird leider oft verkannt, dass die staatliche, die allgemeinwirtschaftliche und die finanzwirtschaftliche Struktur eines Landes zueinander passen müssen. Deutschland ist mit seinem Finanzsystem Ausdruck des föderativen Bundessystems und einer sehr dezentralen Wirtschaftsordnung. Unser Land ist relativ stark besiedelt und hat überall starke wirtschaftliche Strukturen, auch in ländlichen Räumen. In manchen anderen Ländern der EU hingegen sind die privatwirtschaftlichen Leistungen ebenso wie die Industrie- und Gewerbearbeitsplätze sehr zentralisiert. Unsere Wirtschaftsstruktur hat sich sehr bewährt und schafft Stabilität. Dazu gehören dezentral ausgerichtete Kreditinstitute wie Sparkassen und Volksbanken.

Tritt die deutsche Kreditwirtschaft in wichtigen kreditwirtschaftlichen Fragen in Brüssel als starke Einheit auf?

Es gibt in Brüssel häufig eine klare und übereinstimmende Meinung der Genossenschaftsbanken und der Sparkassen - nicht nur bei der Einlagensicherung. Wie Binnenmarktkommissar Barnier kürzlich in einem Interview bestätigt hat, wird auf EU-Ebene durchaus wahrgenommen, dass wir zwar Wettbewerber sind, aber in Strukturfragen zum Teil die gleichen Interessenlagen haben. Die Privatbanken hingegen haben am ländlichen Raum meist kein Interesse mehr, wie sie durch ihre Geschäftspolitik des Rückzugs aus der Fläche und ihre Ausrichtung auf Kreditersatzgeschäfte zeigen. Deshalb kann ich von denen auch keine gemeinsame Position verlangen. Das beklage ich gar nicht, sondern stelle es nur fest.

Wie werden die Sparkassen vom IWF gesehen?

Beim IWF hat man lange Zeit Kapitalismus pur vertreten. Jetzt werden auch dort bestimmte Positionen der Vergangenheit hinterfragt. Ich glaube aber, dass die richtigen Schlussfolgerungen für den Erhalt der Stabilität noch gezogen werden müssen. Aus der Aufgabenstellung des IWF heraus müsste man dezentrale, stabilisierende Strukturen und reales Kundengeschäft sehr viel positiver sehen.

Gibt es auf europäischer Ebene noch erkennbare Konturen der Sparkassenfamilie?

Wir haben nach wie vor die gleiche Philosophie, mit Regionalität, Subsidiarität und Kundennähe. Aber trotz guter Kontakte untereinander gibt es sehr unterschiedliche Situationen. Insgesamt hat die Krise mit Blick auf den Sparkassensektor gezeigt, dass überall dort Probleme entstanden sind, wo die ursprünglichen dezentralen Strukturen zugunsten von Konzernstrukturen aufgegeben wurden. In Großbritannien etwa hat sich die Zusammenfügung von dezentralen Sparkassen zu einem Konzerngebilde nicht bewährt. Weil es dort wegen der Privatisierung der Sparkassen vor zwanzig Jahren in vielen Regionen keine ausreichende Versorgung mit Finanzdienstleistungen mehr gibt, sollen jetzt wieder dezentrale kreditwirtschaftliche Strukturen über die Post aufgebaut werden. Auch in anderen Ländern, in denen die Sparkassen in Konzernstrukturen aufgegangen sind, wird heute über Aufspaltungen oder andere stabilisierende Maßnahmen nachgedacht. Wo man die Sparkassen hingegen dezentral erhalten hat, haben sie sich als stabilisierend erwiesen.

Stichwort Regulierung: Fühlen sich die Sparkassen von der Politik gut genug in die Maßnahmen und Konsequenzen auf G20-Ebene zur Lösung der Finanzkrise eingebunden?

Dass die Regierungen sich heute überlegen, wie die Spielregeln für die Zukunft aussehen sollen, halte ich für dringend notwendig. Denn insbesondere die Liberalisierungstendenzen der neunziger Jahre waren für manche Fehlentwicklungen verantwortlich. Eine Soziale Marktwirtschaft regelt sich nicht selbst, sondern braucht klare Leitplanken. Nun ist es durch die G20 einerseits schwieriger geworden, auf nationale Interessen Rücksicht zu nehmen. Andererseits bieten die G20 die Chance, internationale Spielregeln durchzusetzen.

Allerdings nehme ich wahr, dass der Schwung von Pittsburgh oder London, gemeinsame Regeln zu schaffen, schon wieder etwas verflogen ist. Ein Beispiel ist die Diskussion um die Finanzierung der Krisenlasten. Einige wollen eine Finanztransaktionssteuer, andere eine Bankenabgabe, wieder andere beides. Manche wollen die Lasten der jetzigen Krise finanzieren, andere ein Polster für künftige Krisen aufbauen. Das passt alles noch nicht zusammen.

Wir würden es für richtig halten, eine Finanztransaktionssteuer für besonders risikoreiche Produkte einzuführen. So etwas funktioniert freilich nur, wenn es in allen Ländern gilt. Dass sich die Bundeskanzlerin Ende 2009 in diese Richtung äußerte, hat mich gefreut. Und sie hat ja auch auf europäischer Ebene Ende März einen solchen Auftrag zur Ausarbeitung gegeben. Ich hoffe, dass man sich darauf noch einigen kann.

In der ebenfalls umstrittenen Frage einer Bankenabgabe klingt die Reaktion der Sparkassenverbände eher nach einem pflichtgemäßen Aufschrei denn nach strikter Ablehnung. Bedeutet die stillschweigende Akzeptanz indirekt eine Anerkennung der Mitverantwortung für den Landesbankenbereich?

Man muss die richtigen Schlussfolgerungen aus der Krise ziehen. Dazu gehört nicht eine pauschale Abgabe, die von allen Instituten zu zahlen ist, Kundenkredite belastet, spekulative außerbilanzielle Geschäfte aber außen vor lässt und Kreditverkäufe fördert. Und wir können auch keinen Grund erkennen, Institute heranzuziehen, die sich auch in Zukunft durch eine wirksame Institutssicherung aus eigener Kraft helfen können. Die deutsche Bankenabgabe läuft doch auf ein System hinaus, mit dem sich systemrelevante Institute ohne eigenes wirksames Sicherungssystem eine Art Staatshaftung einkaufen. Dann sollen sie aber auch dafür bezahlen und nicht andere. Wir sind nicht gegen einen Beitrag der Finanzwirtschaft zur Finanzierung der entstandenen Krisenlasten. Es kommt aber darauf an, diejenigen zu treffen, die die Krise verursacht haben. Und das sind nicht nur die Institute, die falsch investiert haben, sondern auch jene, die hochkomplexe, gefährliche Produkte in den Markt gebracht haben. Die Sparkassen gehören zu keiner dieser beiden Gruppen.

Werden die Sparkassen bei den geplanten Eigenkapitalregelungen gut genug gehört?

Man wird schärfere Eigenkapitalanforderungen für die risikoreichen Geschäfte einführen müssen, die krisenverursachend waren. Kontraproduktiv wären indes Regelungen, die das ganz normale Kreditgeschäft mit Unternehmen und Privatkunden betreffen. Solche Finanztransaktionen der Einfachheit halber mit einer Abgabe oder mit höheren Eigenkapitalanforderungen zu belegen, obwohl genau diese überlebensnotwendig für moderne Volkswirtschaften sind, wäre nicht die richtige Schlussfolgerung aus der Krise.

Stört es Sie nicht, dass die Anerkennung der Stillen Einlagen und des Hybridkapitals in Frage stehen, die doch für die Sparkassenorganisation enorm wichtig sind?

Dass man die Anforderungen offensichtlich nicht auf die Risikorelevanz der Geschäfte beziehen, sondern über die gesamte Banktätigkeit hinweg die Eigenkapitalanforderungen erhöhen will, ist mein Hauptkritikpunkt. Das könnte in der Tat zu einer Verschlechterung gegenüber dem heutigen Stand führen.

Relevant ist doch, welche Funktion Kapital erfüllt, vor allem, ob es am Verlust teilnimmt. Es wäre deshalb etwa falsch, nur über Börsen aufgenommenes Eigenkapital anzuerkennen. Leider versuchen in diesem Punkt die USA und auch Großbritannien schon wieder ihr Modell börsennotierter Großbanken durchzusetzen.

Wie ist der Stand neuer Regelungen zur Einlagensicherung in Europa? Und wie steht die EU-Kommission zur deutschen Institutssicherung?

EU-Kommissar Barnier hat kürzlich ausdrücklich betont, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken eine eigene wirksame Institutssicherung haben. Mit diesem System werden der Bestand und die Solvenz eines jeden Instituts aus eigener Kraft gewährleistet. Da entsteht gar nicht erst eine Situation, wo eine Einlagensicherung erforderlich wäre. Deshalb wäre es auch nicht berechtigt, Sparkassen oder Genossenschaftsbanken über die Institutssicherung hinaus zur Finanzierung eines wie auch immer gearteten nationalen oder europäischen Einlagensicherungssystems heranzuziehen.

Sollen die Institutssicherungssysteme der beiden Verbünde quasi an das europäische System angehängt werden?

Angehängt ist das falsche Wort. Die Institutssicherung der Sparkassen ist vorgelagert. Das ist eine wirksame Sicherung aus eigener Kraft, die für die Kunden eine hohe Sicherheit schafft, ohne staatliche Mittel zu benötigen.

Wie ist die Position des DSGV mit Blick auf die Neuordnung der Bankenaufsicht in Europa und Deutschland?

Eine wirksame Bankenaufsicht ist eindeutig notwendig. Und die Politik muss entscheiden, wie sie dies organisatorisch regeln will. Aus unserer Sicht ist wichtig, dass sich die Bankenaufsicht stärker als bisher auf systemische Risiken konzentriert. Was kann das System gefährden? Welche Belastungen können auf die Steuerzahler zukommen? Zur Bankenaufsicht in Europa haben wir uns klar positioniert. Wir unterstützen das vorliegende Modell, das eine europäische Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden vorsieht, aber die Eingriffsverwaltung in der Bankenaufsicht auf nationaler Ebene ansiedelt. Dies kann auch gar nicht anders sein, weil die Verantwortung für Eingriffe und gegebenenfalls für staatliche Hilfestellungen nur bei nationalen Regierungen und Gesetzgebern liegen kann.

In der Praxis hoffen wir auf eine Entlastung bei Prüfungen im Alltagsgeschäft.

Zwar muss man bei der Neuregelung auch das Kreditgeschäft und die Bankgeschäfte insgesamt prüfen, aber man muss nicht jedes kleine Geschäft, von dem auch in der Fülle kein systemisches Risiko ausgeht, penibel durchleuchten. Das spart Zeit und Kapazität und lässt den nötigen Raum, sich auf systemrelevante Stabilitätsgefahren zu konzentrieren.

Nun zu wichtigen sparkassenpolitischen Themenfeldern im Inland: Wie ist der Stand der Umsetzung bei der Novelle des Sparkassengesetzes in Schleswig-Holstein? Kann das Gesetz mit Blick auf die Folgen aus Brüssel für die Sparkassenorganisation insgesamt gefährlich werden?

Das Sparkassengesetz in Schleswig-Holstein geht in eine vollkommen falsche Richtung. Als Zielsetzung hat man ja die Stärkung der Sparkassen ausgegeben. Dazu passt nicht die Möglichkeit, Rücklagen von Sparkassen in Stammkapital umwandeln zu können. Man stelle sich nur vor, ein privates Institut sollte Rücklagen in Grundkapital umwandeln und das dann verzinsen. Ich denke, wir sollten bei dem Grundsatz bleiben, dass nur eingezahltes Kapital zu verzinsen ist. Wenn man Sparkassen etwas anderes abverlangt, gefährdet man ihre Leistungsfähigkeit. In Schleswig-Holstein haben die Sparkassen heute schon überproportional mehr Kredit vergeben als andernorts. Und ihr Kreditengagement übersteigt zudem die Einlagen und macht damit eine Refinanzierung am Kapitalmarkt notwendig. In einer solchen Region, die die Kreditvergabe der Sparkassen dringlich braucht, diese Fähigkeit durch hohes verzinsliches Kapital eher einzuschränken, ist völlig unerklärlich. Ein zweites ernstes Problem ist die angedachte Übertragbarkeit von Sparkassenanteilen an Unternehmen außerhalb der Gruppe der öffentlichrechtlichen Sparkassen Schleswig-Holsteins. Das hat eine europa-rechtliche Dimension. Denn wenn einzelnen, von der EU-Kommission als privat angesehenen Unternehmen die Beteiligung ermöglicht wird, ist es nur noch ein kleiner Schritt zur allgemeinen Privatisierung von Sparkassen.

Darauf warten einige unserer Wettbewerber nur. Der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins hat klar erklärt, dass er das nicht will.

Ich verlasse mich auf diese Aussage, rege aber auch an, daraus für das Gesetzgebungsverfahren die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Was ist in Schleswig-Holstein noch abwendbar? Und was unternimmt der DSGV dabei?

Die Gesetzesänderung ist noch in der parlamentarischen Beratung. Der schleswigholsteinische Verband ist bemüht, die Fehlentwicklungen noch zu verhindern. Und natürlich unterstützen wir ihn dabei. Wir hoffen speziell bei der vorgesehenen Veräußerbarkeit von Anteilen, dass die Regierungsfraktionen von CDU und der FDP unsere gewichtigen Vorbehalte aufnehmen.

Wie dringlich ist die Landesbankenkonsolidierung? Darf man sich die Klärung dieser Thematik von Brüssel aufzwingen lassen?

Erst einmal möchte ich festhalten, dass die Sparkassen als Miteigner von Landesbanken umfassend Verantwortung übernommen haben. Sie haben dort, wo Stabilisierungen notwendig waren, Kapital

nachgeschossen, zusätzliche Haftungen übernommen oder sie haben knallhart ihre Eigentumsanteile verloren. Das hat es in dieser Konsequenz bei privaten Eignern börsennotierter Banken nicht gegeben. Natürlich haben die Sparkassen mit Verlust von Eigentumsanteilen auch erheblich an Einfluss verloren, etwa in Bayern. Damit sind die Gestaltungsmöglichkeiten für die Sparkassen sehr viel geringer geworden. Dort, wo es Stabilisierungsmaßnahmen gegeben hat, bestimmt natürlich ganz wesentlich Brüssel den Takt, vor allem im Hinblick auf den Abbau von Risikoaktiva. Das muss nicht verkehrt sein, wenn es dazu führt, dass wieder eine stärkere Konzentration auf realwirtschaftliche Geschäfte erfolgt. Die Sparkassen haben sich schon seit Jahren dafür eingesetzt, Risikoaktiva zurückzufahren. Als Mittel dazu haben wir Konsolidierungen unter den Landesbanken gesehen. Gleichzeitig ging es den Sparkassen darum, bei Landesbanken Mehrfacharbeiten zu reduzieren und Synergien freizusetzen. In einer Phase, wo eine Reihe von Häusern jetzt mit eigenen Hausaufgaben befasst ist, ist eine Landesbankenkonsolidierung natürlich schwieriger geworden. Das heißt aber nicht, dass dies nicht mehr verfolgt würde.

Was sich die Präsidenten der Sparkassenverbände in Nordrhein-Westfalen tapfer für die WestLB wünschen, nämlich eine vernünftige Konsolidierung aus der Sparkassenorganisation heraus, ist aus Ihrer Sicht also illusorisch?

Die WestLB ist ein anderes Thema. Dort liegt eine Vorgabe der Europäischen Union vor, dass die bisherigen Eigner die Mehrheit veräußern. Wenn der Prozess demnächst anläuft, wird es dort sicher noch einmal Gespräche geben. Aber wir können nicht mehr zurück zu dem Status von vor dreieinhalb oder vier Jahren, als es zum Beispiel für ein kurzes Zeitfenster ein Zusammengehen von WestLB und LBBW gab. Das ist sicher vorbei.

Zentralbankfunktion für die Sparkassen, so haben Sie auf der DSGV-Pressekonferenz betont, können nur Institute mit öffentlich-rechtlichem Hintergrund haben. Wie muss man vor diesem Hintergrund die Aussagen der S-Präsidenten aus dem Rheinland und aus Westfalen-Lippe werten, auch bei Beteiligung privater Anteilseigner sei die Zentralbankfunktion weiter möglich? Sind das nicht interessengetriebene Positionen beziehungsweise betriebswirtschaftliche Argumente im Verkaufsprozess der WestLB?

Im Ziel gibt es keine Unterschiede zwischen den beiden Präsidenten und mir. Grundsätzlich wollen wir, dass die Sparkassen entscheidenden Einfluss als Eigentümer auf eine Bank haben, die für Sparkassen Zentralbankleistungen erbringt. Man muss freilich sehen, dass die Kollegen in NRW in der Eigentümerposition der WestLB sind. Das verlangt ihnen Dinge ab, die sich aus der aktuellen Situation ergeben und die nicht nach der reinen Lehre zu beurteilen sind.

Zur Deka-Bank: Ist die Sparkassenseite mit der schon vollzogenen Anpassung der geschäftspolitischen Ausrichtung zufrieden oder stehen noch Nachjustierungen an?

Gerade in diesem speziellen Fall steht leider oft schon vor Sitzungen in der Zeitung, was wir angeblich besprechen wollen, und manchmal auch mehr und anderes, als wir tatsächlich besprochen haben. Fakt ist: Wir haben eine Arbeitsgruppe, die sich mit dem Geschäftsmodell der Deka-Bank beschäftigt und die auch ein Ergebnis bringen wird. In der Zielrichtung, die Bank als der Fondsdienstleister der Sparkassen zu positionieren, sind wir uns einig. Die Fonds der Deka haben derzeit eine hervorragende Performance und sind dieser Tage mehrfach dafür ausgezeichnet worden. Dass wir uns in diesem Zusammenhang mit der Frage beschäftigen, welche Risiken eine solche Bank aus dem Kapitalmarktgeschäft hat und wie man diese gegebenenfalls eingrenzen kann, ist die Pflicht der Eigentümer. Ich halte dies für völlig normal. Ebenso normal ist es doch auch, dass unterschiedliche Eigner auch unterschiedliche wirtschaftliche Interessen haben. Das kennen wir und damit können wir absolut professionell umgehen.

Wie ist der aktuelle Gesprächsstand über die Neuordnung der Beteiligungsverhältnisse in Richtung Sparkassenseite?

Weil die LBBW aus Brüssel die Auflage hat, ihre Deka-Bank-Beteiligung zu verkaufen, sehen wir es als unsere Aufgabe an, die freiwerdenden Anteile in unserer Gruppe zu kaufen. Ob weitere Landesbanken bereit sind, Deka-Bank-Anteile zu verkaufen, wird sich zeigen. Es wird harte Verhandlungen um Preise geben, im Ergebnis aber eine Lösung, die einen fairen Interessenausgleich darstellt - wie in unserer Gruppe üblich.

Wäre es von der Effizienz her nicht einfacher, wenn die Deka-Bank nur eine Eigentümerseite hätte?

Nach meinem Verständnis werden wir auch in Zukunft Landesbanken in einer Eigentümerrolle bei der Deka-Bank haben. Sind die Sparkassen mit ihrer Beteiligung Landesbank Berlin zufrieden?

Die Landesbank Berlin ist gut durch die Krise gekommen. Wir sind mit der Geschäfts- und Kundenentwicklung im vergangenen Jahr sehr zufrieden. Und auch im laufenden Jahr lässt sich die Geschäftsentwicklung sehr gut an. Dass es für 2008 keine Dividende gab, war der Gesamtsituation der Finanzwirtschaft geschuldet. Aber für 2009 ist eine Ausschüttung von 140 Millionen Euro vorgeschlagen worden, über die die Hauptversammlung noch beschließen muss.

Welche strategische Ausrichtung ist dem Institut zugedacht? Und wie steht der DSGV zu dem Joint Venture von Landesbank Berlin und Deutsche Leasing im Konsumentenkreditgeschäft?

Der Konsumentenkredit ist für die LBB beziehungsweise die Berliner Sparkasse ein originäres Geschäftsfeld, das wir auch für die anderen Sparkassen nutzbar machen wollen. Und die Deutsche Leasing hat im Bereich der Fahrzeugfinanzierungen sehr große Kompetenz. Deshalb wird es ein gemeinsames Tochterunternehmen geben, wo diese Fähigkeiten gebündelt und vielleicht auch die Readybank einbezogen werden kann. Das Projekt wird in Kürze starten.

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