Gespräch des Tages

Rechtsfragen - Einlagensicherung des BdB in rechtlichem Zwielicht?

Rechtsanwalt Dr. Claus Steiner schreibt der Redaktion: "Ein Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Juni 2010*) hat für Unruhe unter den Kunden der privaten Banken gesorgt. Bis dahin war man überzeugt, dass die Einlagen bei Insolvenz der Bank über die Mindestsicherung nach dem EAEG hinaus durch einen auch gerichtlich schlüssigen Anspruch gegen den Einlagensicherungsfonds des BdB trotz des §6 Nr.10 des ESF-Statuts gesichert seien, der so lautet: 'Ein Rechtsanspruch auf ein Eingreifen oder auf Leistungen des Einlagensicherungsfonds besteht nicht'. Auf diese 'escape-Klausel' hatte sich der ESF bis dato in keinem Fall berufen, sodass die Frage nach der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen gegen den ESF auch bisher nicht bis zum BGH vorgedrungen ist. Auch dem Berliner Urteil wird das nicht gelingen, weil es hier um die von Anfang an aussichtslose Klage auf 27 Millionen Euro ging, die keine 'Einlagen', sondern anders geartete Forderungen gegen die insolvente Bank betraf. Die Kläger werden das hohe Kostenrisiko für die weiteren Instanzen vermutlich nicht eingehen wollen.

Fatal ist indessen, dass das LG Berlin seiner richtigen Feststellung zum fehlenden Einlagecharakter die Aussage hinzugefügt hat, dass wegen §6 Nr.10 ESF-Statut auch grundsätzlich kein Anspruch auf Leistungen aus dem ESF bestehe. Ein solcher Richterspruch musste aufschrecken. Man ging schließlich davon aus, dass in § 6 Nr. 10 ESF-Statut ein 'Anspruch' nur ausgeschlossen wurde, um für den ESF keinen kostenträchtigen und mit steuerlichen Problemen verbundenen Versicherungsstatus entstehen zu lassen, aber nicht um auch berechtigte Sicherungsleistungen abwehren zu können. Schließlich hatte die Rechtslehre schon vor 30 Jahren unter der in anderem Kontext auch vom BGH anerkannten Überschrift 'Haftung wegen Vertrauens auf 'freiwillige' Leistungen' eine spezifische Anspruchsgrundlage in Bezug auf den ESF entwickelt: Der Bankkunde dürfe darauf vertrauen, dass der ESF sich bei geschützten Einlagen so verhalte, als bestehe ein Rechtsanspruch. Diese bislang tragfähige rechtliche Konstruktion ist nun durch das LG Berlin tangiert worden und könnte durch richterliche 'Nachahmungstaten' brüchig werden. Die juristische Situation ist auch insofern prekär, als es im Rechtsstreit um Leistungen aus dem ESF nicht darauf ankommen würde, ob sich der ESF auf § 6 Nr. 10 ESF-Statut beruft oder es unterlässt. Denn die Gerichte werden § 6 Nr. 10 ESF-Statut ex officio, also nicht nur auf eine Einrede des ESF hin, anwenden und Klageansprüche gegen den Fonds daher als unschlüssig beziehungsweise wegen fehlenden Rechtsgrunds abweisen müssen. Das wäre ein mehr als unbefriedigendes Ergebnis, auch wenn der ESF dennoch leisten würde.

Es ist daher kein Wunder, dass sich die juristische Literatur dieser widersinnigen Frage annimmt und nach Lösungen sucht. So hat sich vor allem der Marburger Rechtslehrer Lars Klöhn kürzlich in der renommierten Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP**) unter dem Titel 'Kein Anspruch auf Einlagensicherung? - Wie ein Gerichtsurteil eine Institution gefährdet' des Problems angenommen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass dem BdB keine vergleichbare Option zur Verfügung stehe, um die aufgrund der Verneinung einer 'Vertrauenshaftung' des ESF verfehlte Rechtsprechung des LG Berlin zu korrigieren. Die Streichung des § 6 Nr. 10 könnte zwar mit dem Zusatz erfolgen, dass der ESF damit nicht die Einräumung eines Rechtsanspruchs auf Leistungen zugestehe. Das rufe aber die Gefahr falscher Schlussfolgerungen der Gerichte hervor und beseitige nicht das Dilemma, dass der ESF einerseits bereit sei, alle nach dem Statut begründeten Sicherungsleistungen zu erbringen, aber diese Bereitschaft andererseits nicht in die Form eines verbindlichen Rechtsanspruches der Einleger kleiden könne. 'Etwas judical activism wäre zu begrüßen' meint Klöhn zu dem Thema abschließend. Dem ist zuzustimmen."

*) LG Berlin Urteil vom 15. Juni 2010 - 10 O 360/09 abgedruckt in ZIP 2010 Seite 1984. **) ZIP 2011 - Heft 3 - Seite 109.

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