Gespräch des Tages

Notenbanken Transparenz, Glaubwürdigkeit und Nichtwissen

Michael Altenburg, Luzern, schreibt der Redaktion: "Mitte Juli gab Jean-Claude Trichet, der Präsident der Europäischen Zentralbank, ein ausführliches Interview, das simultan in der FAZ, dem Jornal de Negocios, in Le Figaro und The Irish Times veröffentlicht wurde. Kernbotschaft im Anschluss an die Erhöhung des Euro-Leitzinses von vier auf 4,25 Prozent am 3. Juli war: 'Wir sagen den Haushalten, Unternehmern und allen Sozialpartnern, dass wir auf mittlere Frist Preisstabilität wahren werden - also die Jahresinflation unter, aber nahe zwei Prozent halten werden; und dass sie dies berücksichtigen müssen, wenn sie ihre eigenen Preise setzen.1) Das hört sich an, als ob es in der Macht der EZB stehe, das Ziel mittelfristiger Preisstabilität 'unter, aber nahe zwei Prozent' tatsächlich durchzusetzen. Auf die Rückfrage nach den relevanten Hebeln und Instrumenten der EZB wich Trichet geschickt mit dem Hinweis aus, dass Ökonomen die mehreren von den Zentralbanken zur Sicherung der Preisstabilität nutzbaren 'Kanäle' näher erklären könnten: 'den Zins-, den Kredit-, den Risiko-Kanal' und betonte zusätzlich besonders die Bedeutung der Glaubwürdigkeit der Zentralbank.

Allerdings gibt es gerade im jetzigen Umfeld Einflussfaktoren, die innerhalb der Europäischen Währungsunion preissteigernd wirken, auf welche die drei spezifisch benannten 'Kanäle' wenig Wirkung haben. Dazu sind der Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise zu rechnen, zusätzlich aber auch konjunkturelle Sonderentwicklungen in den mit dem unfreundlichen Acronym PIGS gekennzeichneten EU-Mitgliedsländern Portugal, Italien, Griechenland und Spanien - zu denen, mit Blick auf die jüngste Entwicklung der nationalen Credit-Default-Swap-Sätze, neuerdings wohl auch Irland zu rechnen wäre. Was interne Spannungen zwischen den EMU-Ländern (European Monetary Union) angeht, kann man nur auf eine weiter funktionierende Abstimmung monetärer und fiskalischer Maßnahmen hoffen. Einen eindeutig dominierenden Einfluss hat die EZB in diesem Zusammenhang kaum - schon gar nicht im Hinblick auf die globale Energie- und Rohstoffhausse.

Andererseits deutet der jüngste Rückgang der Ölpreise auf eine gewisse Entlastung an der Preisdruckfront. Ob er die bloße Korrektur eines spekulationsgetriebenen Exzesses war oder bereits ein Anzeichen für die der anhaltenden Finanzmarktkrise folgenden Kontraktionen im realwirtschaftlichen Bereich, kann zurzeit niemand mit Bestimmtheit sagen. Weiter noch nicht näher bestimmbar sind die Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf das Kreditgebaren der Banken. Hier scheint es Verzögerungseffekte zu geben, die unterschätzt wurden. In den USA, dem Ausgangspunkt der Subprime-Mortgage-Krise, neigen Fed und Treasury zu der Auffassung, dass stark kontraktive und damit deflationäre Wirkungen überwiegen und deshalb angeschlagene Finanzinstitutionen auch dann vor dem Zusammenbruch gerettet werden, wenn hiervon stark expansive monetäre Wirkungen ausgehen. Ob diese geld- und fiskalpolitische Linie der USA weiterhin mit den Zielsetzungen der EZB harmonisieren wird, bleibt abzuwarten. Konflikte deuten sich jedenfalls an im Verhältnis USA/China. China hat seine Dollarreserven seit 1994 bis Ende 2007 auf über 1,5 Billionen US-Dollar (Trillionen im englischen Sprachgebrauch) verdreifacht2) und ist nach Jahren eines überhitzten Wachstums um Dämpfungsmaßnahmen bemüht, zu denen eine weiter beschleunigte Aufwertung der chinesischen Währung gegenüber dem Dollar schlecht passen würde. Hier kann eine EZB nur analysieren, beobachten und kommentieren. Am Ende geben Interessen den Ausschlag, die auch im Kreise abgeklärter Zentralbanker durchaus von Währungsregion zu Währungsregion legitimer Weise stark voneinander abweichen können. Insofern überzieht EZB Präsident Trichet seine Position vielleicht doch etwas. Angesichts der anhaltenden Fragilität der internationalen Finanzmärkte ist es sicher seine Aufgabe und auch unter allen Aspekten sinnvoll, dass er einer Erosion des Vertrauens entgegenzuwirken versucht. Der Kreis der Fachleute und Experten, die den finanz- und geldpolitischen Entwicklungen im Einzelnen zu folgen vermögen, ist klein genug, sodass glaubwürdiger Führung in der Tat ein bedeutender Stellenwert zukommt.

Bei Licht besehen kann man dem EZB-Präsidenten und seinem Direktorium aber nur zubilligen, dass sie sich alle Mühe geben. Zusicherungen oder Versprechungen in Richtung Preisstabilität 'unter, aber nahe zwei Prozent' sind nicht mehr als Absichtserklärungen, auf die man in intellektueller Redlichkeit nur hoffen kann. Dass es nicht immer gut ausgehen muss, zeigt das jüngste Scheitern der DOHA-Runde von WTO-Gesprächen über eine allgemeine Handelsliberalisierung, das primär aus einem Konflikt zwischen den USA einerseits und China und Indien andererseits resultierte. China und Indien haben heute eine deutlich stärkere Verhandlungsposition gegenüber den USA als etwa noch vor fünf Jahren, und die bisher ausreichenden internationalen Abstimmungs- und Koordinationsinstanzen scheinen nicht mehr reibungslos zu funktionieren.

Das gilt auch mit Blick auf die anhaltende internationale Finanzkrise, die von einer einzigen Zentralbank ohne entsprechende internationale Koordination kaum noch beherrscht, geschweige denn gelöst werden kann. Insofern trifft der gern wiederholte Hinweis, wie viel man aus der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932 gelernt habe und dass daher ein systemischer Zusammenbruch ausgeschlossen sei, nicht den Punkt. Natürlich kann man einzelne Banken retten, wenn deren Zusammenbruch systemische Risiken verstärken sollte. Das hat man aus tatsächlich gelernt, obgleich auch hier expansive monetäre Rückwirkungen und vor allem Moral-Hazard-Probleme zu berücksichtigen sind. Aber vielleicht werden noch nicht alle Systemrisiken der modernen globalisierten Finanzwirtschaft zutreffend verstanden wie William R. White, früher Deputy Governor der Bank of Canada und von 1995 bis zu seinem kürzlichen Ausscheiden aus Altersgründen Economic Advisor und Head of the Monetary and Economic Department der Basler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, es zur Eröffnung der Ende Juni in Luzern stattfindenden siebenten Jahreskonferenz der BIZ mit einer entwaffnenden Einschätzung eingeräumt hat. 3)

Fußnoten

1) FAZ vom 18. Juli 2008, Seite 12, "Es gibt keinen Konflikt zwischen Preisstabilität und Wachstum" Im Gespräch: Jean-Claude Trichet, der Präsident der EZB..

2) Vgl. The People's Bank of China Annual Report 2007 und Statistiken: http://www.pbc.gov.cn/english/diaochatongji/tongjishuju/gofile.asp?file=2007S09.htm.

3) William R. White: Einführende Bemerkungen zur 7. Jahreskonferenz der BIS zum Thema "Whither monetary policy? Monetary policy challenges in the decade ahead".; http://www.bis.org/events/conf080626/white.pdf.

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