Aufsätze

Network Strategy Map für Finanzdienstleister - am Beispiel von Kreditgenossenschaften

Strategy Maps wurden zur Strategieentwicklung und -umsetzung in Konzernen entwickelt. In netzwerkförmig strukturierten Wertschöpfungssystemen, die gerade im Finanzdienstleistungssektor an Bedeutung gewinnen, sind herkömmliche Strategy Maps jedoch ungeeignet. Erst durch eine Modifikation der vier konstituierenden Perspektiven zu einer Network Strategy Map wird dieses Modell zu einem nützlichen Planungswerkzeug für netzwerkintegrierte Finanzdienstleister. Am Beispiel des genossenschaftlichen Finanzverbunds wird die Struktur einer solchen Network Strategy Map illustriert.

Ziel ist die Erfassung erfolgskritischer Ursache-Wirkungs-Beziehungen

Strategy Maps erfassen erfolgskritische Ur-sache-Wirkungs-Beziehungen: sie stellen eine Abhängigkeit her zwischen den immateriellen Vermögenswerten und Wertschöpfungsprozessen als Werttreibern einerseits und den für die Kunden und für die Anteilseigner generierten Werten andererseits. Sie eignen sich als Methodik zur Planung von Strategien und zu deren Implementierung durch strategiegerechte Organisationsformen, Humanressourcen und Kulturen. Sie fungieren dabei als Bindeglied zwischen den abstrakten langfristigen Orientierungsdaten (Mission, Vision, Strategie) und der konkreten Implementierung, Realisation und Kontrolle mit Hilfe von Balanced Scorecards. Als Werkzeug beinhaltet eine Strategy Map vier voneinander abhängige Perspektiven (Abbildung 1).

Die Struktur herkömmlicher Strategy Maps wurde für die Beschreibung und Erklärung der Wertschöpfung eines auf Wertsteigerung ausgerichteten Unternehmens entwickelt, die sich über interne Geschäftsprozesse vollzieht und auf den immateriellen Vermögenswerten basiert. Diese Fokussierung ist insofern unzureichend, als sich die Wertschöpfung in der Realität immer seltener nur innerhalb eines Unternehmens, sondern immer häufiger unternehmensübergreifend in netzwerkförmig organisierten Wertschöpfungsstrukturen vollzieht.

Auch die den herkömmlichen Strategy Maps zugrunde liegende Annahme, nach der das Überleben eines Unternehmens im Wettbewerb nur durch die Abschottung von der Konkurrenz erfolgen kann, ist realitätsfern.

Für Netzwerke ist die strikte Freund-Feind-Abgrenzung eher atypisch: Das Leitbild der "Koopkurrenz" mündet vielmehr in eine optimal dosierte vertragsbasierte Vernetzung. Erfolg im Sinne der Schaffung eines langfristigen Shareholder Value ist heutzutage im Finanzdienstleistungssektor also nicht primär das Verdienst einzelner Unternehmen, sondern des Zusammenwirkens mehrerer vernetzter Unternehmen.

Der herkömmliche Ansatz reicht nicht mehr aus

Angesichts der Diskrepanz zwischen real existierenden Wertschöpfungsstrukturen im Finanzdienstleistungssektor (zunehmender Stellenwert von Wertschöpfungsnetzwerken) einerseits und dem Fokus der Strate-gy-Map-Methodik (Unternehmen als dominante Bezugseinheit) andererseits ist zu bezweifeln, dass konventionelle Strategy Maps ihre Wegweiserfunktion bei der Identifizierung von Wertbeiträgen und mithin der Alternativensuche und -bewertung von Maßnahmen der Strategieumsetzung (strategiegerechte Wissens- und Organisationsstrukturen und -kulturen) erfüllen können.

Wie im Folgenden anhand des genossenschaftlichen Allfinanz-Netzwerks (Abbildung 2) aufgezeigt wird, ergibt sich aus der Netzwerkeinbettung von Unternehmen die Notwendigkeit einer veränderten Interpretation der Strukturkomponenten von Strategy Maps im Sinne einer "Network Strategy Map": Neben die konventionellen Wertbeiträge, die vom Unternehmen als rechtliche Einheit (hier: von einer einzelnen Kreditgenossenschaft) selbst erbracht werden, treten netzwerkspezifische Wertbeiträge, die erst im umfassenderen Bezugsrahmen Unternehmensnetzwerk (hier: Vertragsbeziehungen einer Kreditgenossenschaft mit anderen Unternehmen) erklärt und gestaltet werden können.

Die Lern- und Entwicklungsperspektive von Strategy Maps erfasst die immateriellen Ressourcen beziehungsweise Vermögenswerte (Organisationskapital, Informationskapital und Humankapital), die für die Wertschöpfung installiert und integriert werden müssen (Abbildung 1). Eine netzwerktypische Ausprägung des Organisationskapitals stellt die Verfügungsmöglichkeit über komplementäre Ressourcen anderer Organisationseinheiten (sogenannte virtuelle Größe) dar. Zu diesem Zweck werden einfache, standardisierte Leistungsbeziehungen über den Markt in komplexere Formen der gemeinsamen unternehmerischen Geschäftstätigkeit überführt. Genau hierdurch wird letztlich das Allfinanzkonzept ermöglicht: Ein Partner eines Allfi-nanz-Netzwerks kann nicht nur auf eigene Ressourcen, sondern im unternehmensübergreifenden Teamwork auch auf komplementäre Ressourcen der Verbundpartner zurückgreifen und damit finanzielle Leistungen aus einer Hand bieten.

Lern- und Entwicklungsperspektive

Kreditgenossenschaften können im Retailgeschäft etwa auf das Asset Management der Union Investment Gruppe beziehungsweise auf Konsumentenkredite der Team-Bank, im Immobiliengeschäft auf Bausparprodukte der BSH beziehungsweise Hypothekarkredite der DG-Hyp, im Versicherungsgeschäft auf Versicherungen der R+V-Versicherungen oder beim Leasinggeschäft auf Ressourcen der VR Leasing zurückgreifen. Organisationskapital in einer Network Strategy Map umfasst schließlich auch neue Formen der Führung innerhalb eines Wertschöpfungsverbunds. Die herkömmliche Unternehmensführung wird in Netzwerken durch die Führungsfunktion von zentralen Koordinationsinstanzen (zum Beispiel genossenschaftliche Zentralinstitute und Verbände; Network Center in Abbildung 2) ergänzt.

Die Lern- und Entwicklungsperspektive bildet neben dem Organisationskapital das Informationskapital in Gestalt von Systemen, Wissens- und Datenbanken und technischen Netzwerken ab. Auch hier ergeben sich in Unternehmensnetzwerken zusätzliche strategische Ansatzpunkte: Neben hausinternen Websites, Datenbanken, Datenleitungen und Kommunikationsmedien treten in Netzwerken häufig gemeinsame Portale, Datenbanken oder Intra- beziehungsweise Extranets. So existiert im Geno-Verbund eine netzwerkinterne Informations- und Integrationsplattform für Verbund-Produkte und -Informationen (VR-Banken-Portal oder VR-Info-Forum), ein einheitliches Kundenportal (VR-Net-World) sowie das "Projekt Vertriebsarbeitsplatz" als bundesweite Integrations-Plattform für den Verkauf von Verbund-Produkten über die Bankverfahren "agree" und "bank 21". Außerdem werden Informationen auch über verbandsweite Medien (etwa Verbands-Rundschreiben) verbreitet.

Wertbeiträge innerhalb der Lern- und Entwicklungsperspektive werden ferner durch Humankapital geschaffen. In Unternehmensnetzwerken vollzieht sich der organisierte Erwerb und Austausch von Knowhow nicht ausschließlich unternehmensintern, sondern häufig über spezialisierte Provider (Service Center). Im genossenschaftlichen Finanzverbund stehen hierfür mehrere regional verteilte Weiterbildungszentren (zum Beispiel Führungskräfte-Akademie Schloß Montabaur, Akademie Badischer Volks- und Raiffeisenbanken) zur Verfügung. Daneben kann die spezifische Kompetenzentwicklung über verbundnahe Beratungsunternehmen (zum Beispiel Geno-Consult, GGB-Beratungsgruppe) erfolgen. Eine Verbesserung der Wissensbasis netzwerkintegrierter Finanzdienstleister kann schließlich nicht nur durch den Vergleich mit Konkurrenten (traditionelles Benchmarking), sondern auch über ein verbundinternes Benchmarking erfolgen. Diverse Kreditgenossenschaften messen sich etwa nicht nur an regionalen Wettbewerbern (zum Beispiel mit der am selben Ort ansässigen Sparkasse), sondern auch an nicht geografisch benachbarten Kreditgenossenschaften (zum Beispiel im Rahmen des "Fit4Service-Clubs Finanzdienstleistungen" des Württembergischen Genossenschaftsverbands).

Interne Prozessperspektive in Finanzdienstleistungsnetzwerken

Die interne Prozessperspektive von Strategy Maps erfasst die Wertschöpfungsprozesse (Produktions- und Logistikprozesse, Kundenmanagementprozesse, Innovationsprozesse sowie gesetzlich vorgeschriebene und soziale Prozesse). Die Interaktion mit Wertschöpfungspartnern in Netzwerken unterscheidet sich von der in herkömmlichen Strategy Maps fokussierten Supply-Chain-Betrachtung dabei in zweierlei Hinsicht (Abbildung 3): Zum einen ist für die vertikalen Beziehungen zu Lieferanten (Upstream-Netzwerke) und Kunden (Down-stream-Netzwerke) eine intensivere vertragliche Regelung der Beziehungen typisch. Zum anderen kommt horizontalen vertraglichen Beziehungen zu Akteuren derselben Wertschöpfungsstufe (Komplementoren- und Supplementoren-Vernetzungen) eine bedeutendere Rolle bei der Wertschöpfung zu.

Bei den Produktions- und Logistikprozessen entlang der Supply Chain treten beschaffungsseitig im Rahmen von Upstream-Vernetzungen mit Lieferanten (Service Providern) komplexe, langfristige Outsour-cing-Verträge (zum Beispiel Service Level Agreements) an die Stelle von einfachen, kurzfristigen Kaufverträgen. Outsourcing an spezialisierte Anbieter (Netzwerkpartner in Form von Service Centern; vergleiche Abbildung 2) kommt grundsätzlich für alle Non-Core-Aufgaben der das Finanzgeschäft betreibenden Business Center in Betracht, zum Beispiel Wertpapierabwicklung (DWP-Bank), Kreditabwicklung (VR-Kreditwerk), Kreditkartengeschäft (Card-Process) oder Internetauftritt (VR-Net-World).

Wertbeiträge können zudem durch den bewussten Einsatz multilateraler Beziehungen anstelle rein bilateraler Geschäftsbeziehungen erzielt werden. Die im genossenschaftlichen Finanzverbund vorliegenden Dual Sourcing-Konstellationen (zum Beispiel zwei Zentralbanken: DZ Bank und WGZ-Bank, zwei Rechenzentren: Fiducia IT und GAD) erhöhen den Wettbewerbsdruck auf die Lieferanten und führen zu geringeren Einstandspreisen.

In Richtung Endkunden lässt sich durch Downstream-Vernetzungen die Vertriebskette optimieren: Ausgehend vom direkten Vertrieb über Filialen und Außendienstmitarbeiter erfolgt etwa ein Vertrieb über Vertriebspartner oder selbstständige Vermittler. Im genossenschaftlichen Finanzverbund treten neben die Geschäftsstellen der Volks- und Raiffeisenbanken etwa selbstständige Versicherungsvertreter.

Produktions- und Logistikprozesse auf derselben Wertschöpfungsstufe vollziehen sich in Netzwerken unter Einbeziehung von Verbundpartnern, die komplementäre Leistungen anbieten (Abbildung 3). Derartige vertraglich organisierte Komplemen-toren-Vernetzungen bestehen in einem Allfinanz-Netzwerk insbesondere zu branchenzugehörigen Partnern. Die Beziehungen sind jedoch auch jenseits klassischer Branchengrenzen zu verorten, etwa in Form von "Erlebnis-Banking" durch gemeinsam mit gewerblichen Mietern betriebene Malls (zum Beispiel "Raiffeisen-Haus" der Raiffeisenbank Rheinbach Voreifel) oder von regional orientierten Kartenprogrammen (etwa "Duderstadt-Card" in Kooperation von Volksbank Eichsfeld-Northeim und Einzelhändlern).

In Netzwerken werden auch die Beziehungen zu Wettbewerbern (Abbildung 3) vertraglich organisiert (Supplementoren-Vernetzungen). Die mit diesen Vernetzungen unter Wettbewerbern erzielte Reduktion der Wettbewerbsintensität bildet die Basis für die Realisierung von Skalenerträgen, etwa durch Fixkostendegressions- und Erfahrungskurveneffekte. Gegenstand derartiger Supplementoren-Vernetzungen sind etwa die Bündelung von Non-Core-Aufgaben bei einem Partner (zum Beispiel wickelt die DWP-Bank Wertpapiertransaktionen unter anderem für Kreditgenossenschaften und Sparkassen ab), die effiziente Selbstbedienung (etwa gemeinsamer Betrieb von automatisierten Selbstbedienungsfilialen durch Volksbank Südhardt und Sparkasse Rastatt-Gernsbach) oder regional begrenzte Vertriebspartnerschaften (zum Beispiel zwischen Kreditgenossenschaften, Bayern-Versicherung und Allianz Versicherung in Bayern).

Risikomanagement unter Einbeziehung von Partnern

Auch das Risikomanagement vollzieht sich in Netzwerken typischerweise unter Einbeziehung von Partnern. Der Risikovermeidung etwa dient eine externe Revision durch Netzwerkpartner und eine verbundweite Abstimmung von Risikomanagementsystemen. Im Geno-Verbund seien hier beispielhaft die Prüfungen der Kreditgenossenschaften durch die Regionalverbände sowie die Implementierung eines einheitlichen Risikomanagementsystems (VR-Control) erwähnt. Eine Risikoübertragung ist durch den Transfer von Risiken auf Network beziehungsweise Service Center möglich. Die DZ Bank etwa bietet hier exklusiv für Verbundpartner zahlreiche Instrumente wie Währungs- und Zinsabsicherungen (Fixed Income) oder Kreditrisi-kotransfer-Produkte (etwa Verbriefung von Kreditrisiken via VR-Circle oder Ausfallbürgschaften für kleinteilige Meta- beziehungsweise Agrarkredite via "Standard-Meta" beziehungsweise "Agrar-Meta"). Schließlich ist das Risk Sharing für Netzwerke im Allgemeinen und für den Genossenschaftsgedanken im Speziellen sehr typisch: Im Geno-Verbund werden etwa verschiedene Versicherungsrisiken von einigen Sparten der R+V Versicherung getragen. Die solidarische Komponente der Risikoteilung stellt die vom BVR zentral koordinierte, umlagenfinanzierte Sicherungseinrichtung des Finanzverbunds dar, die gleichzeitig einen Garantiefonds (Beitragszahlungen auf der Basis verbundinterner Ratings) und einen Garantieverbund (Gemeinschaftshaftung) darstellt. Ein netzwerkweites Risikenmanagement ist eine wesentliche Grundlage eines externen Netzwerk-Ratings als weiterer Werttreiber (verbilligte Refinanzierung): Im Dezember 2006 wurde der DZ Bank und den genossenschaftlichen Primärbanken von der Ratingagentur S&P ein einheitliches Rating von A+ verliehen.

Prozesse zum Kundenmanagement

Auch die Kundenmanagementprozesse als weiterer Baustein der internen Prozessperspektive (Abbildung 1) erfordern in Netzwerken eine differenzierte Betrachtung: Neben den externen Endkunden, die mit dem Netzwerk nur über Standardverträge (zum Beispiel Kaufverträge, Geschäftsbesorgungsverträge oder Kreditverträge) verbunden sind, vollzieht sich das Kundenmanagement häufig auch auf höherem, netzwerkspezifischem Vertragsniveau. Auf der einen Seite spiegelt sich diese intensivere Beziehung zum Finanzdienstleister in der Wahrnehmung einer Organfunktion wider. Hier sei etwa an die Inhaber der Geschäftsanteile von Kreditgenossenschaften (Mitglieder) oder an Beiräte gedacht. Auf der anderen Seite kommt das höhere Vernetzungsniveau etwa in einer Community-Einbindung zum Ausdruck. Beispielhaft sei hier der "Prima-Giro-Club" für junge Kunden angeführt.

Innovationsprozesse verlaufen ebenfalls nicht mehr nur unternehmensintern, sondern zunehmend unternehmensübergreifend ab: "Co-Producing" kann hier etwa in der Form erfolgen, dass Netzwerkpartner als "Pilotkunden" für die Markteinführung von Finanzinnovationen dienen. Die standardisierte Abwicklung des Privatkundenkreditgeschäfts durch das VR-Kreditwerk wurde im Geno-Verbund etwa zuerst durch ausgewählte Partner (BSH, Volksbank Pforzheim und andere) entwickelt und getestet, bevor diese Dienstleistung weiteren Akteuren zugänglich gemacht wurde. Innovationen werden mitunter erst durch die spezifische Zusammensetzung des Netzwerks induziert. So bietet sich der (innovative) Handel von verbrieften Kreditrisiken (zum Beispiel VR-Circle) besonders dann an, wenn - wie im genossenschaftlichen Finanzverbund - Akteure mit kompatiblen technischen Systemen, gemeinsamer Sicherungseinrichtung und ähnlichen Kre-ditportfolio-Umfängen, jedoch unterschiedlichen Portfolio-Risikostrukturen als Tauschpartner zur Verfügung stehen.

Die interne Prozessperspektive umfasst schließlich gesetzlich vorgeschriebene und soziale Prozesse. Hier ist etwa zu denken an eine freiwillige Netzwerk-Rechnungslegung (zum Beispiel konsolidierter Jahresabschluss des Finanzverbunds) oder eine Art "Network Social Responsibility" gegenüber den Netzwerk-Partnern (etwa Einschränkung der Drittvermittlungen oder Abwerbungsverzicht).

Die Schaffung von Wert für den Kunden vollzieht sich auf der einen Seite über die Ausgestaltung der Leistungen mit attraktiven Produkt- oder Serviceeigenschaften. Die Kombination komplementärer Kernkompetenzen und die daraus erzielbare Wertschöpfung in Netzwerken ermöglicht eine simultane Preis- und Qualitätsorientierung, etwa gemäß dem hybriden Strategiekonzept der "Mass Customization". Masse- beziehungsweise "Gleichteile" können von Service Centern (als "Service Factories" mit industrieähnlicher Produktionsorganisation) standardisiert und gebündelt produziert werden (im Geno-Verbund etwa durch DWP-Bank oder VR-Kreditwerk), wodurch die Business Center von Routine-Aufgaben entlastet werden und damit Wertschöpfung in Form von Klassebeziehungsweise "Qualitätsgeschäft" (im Geno-Verbund etwa qualifizierte Kundenberatung durch die individuelle Genossenschaft) erbringen können. Hochspezifische Kundenlösungen (Solutions) können unter Rückgriff auf Nischenprodukte spezialisierter Netzwerkpartner erbracht werden.

Im genossenschaftlichen Finanzverbund kann die auf den Kunden zugeschnittene Versorgung durch die Primärbanken etwa unter Hinzuziehung von "VR-Mittelstands-Betreuern" der DZ Bank durch spezifische Produkte (zum Beispiel Agrarkredite oder Rama-Auslandsgeschäft) abgerundet werden. Neben der flexiblen inhaltlichen Pro-dukt-Konfiguration wird durch Netzwerkeinbettung auch eine hohe zeitliche und räumliche Verfügbarkeit erreicht: Dienstleistungen sind nicht nur in den eigenen Filialen (etwa der Kreditgenossenschaft) verfügbar, sondern auch bei Netzwerk-Partnern (zum Beispiel R+V Versicherungsvertreter), über Selbstbedienungseinrichtungen (etwa Geldautomaten in Kaufhäusern) oder über das Internet (zum Beispiel VR-Net-World).

Die Kundenbeziehung in Netzwerken wird also durch eine inhaltliche, räumliche und zeitliche Vielfalt des Serviceangebots bereichert, die durch einen einzelnen Finanzdienstleister in dieser Form nicht dargestellt werden könnte. Das Schlagwort der "gesamtbedarfsorientierten Beratung" wird damit in Netzwerken von der abstrakten Vision zur konkreten Option. Eine partnerschaftlich-vernetzte Kundenbeziehung kommt insbesondere in intensivierter und langfristiger Zusammenarbeit, Bindung und Vertrauen zwischen Kunde und Finanzdienstleister zum Ausdruck. Kunden als Beiräte oder Mitglieder von Kreditgenossenschaften sind hier ein spezifischer Werttreiber für den Geno-Verbund.

Durch starke Verbundmarken (etwa Union, Easy-Credit), Verbundslogans ("Wir machen den Weg frei", "Auf diese Steine können Sie bauen") und Verbundlogos (zum Beispiel blau-oranges VR-Logo) in Verbindung mit Gemeinschaftswerbung kann schließlich über das Netzwerk für die individuelle Kreditgenossenschaft ein vorteilhaftes Image aufgebaut werden.

Finanzperspektive in Finanzdienstleistungsnetzwerken

Wie die voranstehenden Ausführungen illustrieren, werden sowohl Lern- und Entwicklungsperspektive, interne Prozessperspektive als auch Kundenperspektive herkömmlicher Strategy Maps durch die unternehmensübergreifende Vernetzung maßgeblich beeinflusst. Will man den Einfluss und die Zielausprägung der Vernetzung bei der Erstellung einer "Network Stratey Map" innerhalb der Finanzperspektive bewerten, so stellt sich die zentrale Frage, ob die Vernetzung für den individuellen Finanzdienstleister pauschal als finanzieller Werttreiber betrachtet werden kann. Eine differenzierte Analyse auf der Grundlage ausgewählter theoretischer Ansätze zur Erklärung des Netzwerkerfolgs kommt zu dem Ergebnis, dass der Gesamteinfluss einer Netzwerkeinbettung auf den individuellen Unternehmenswert sich nicht pauschal als positiv bewerten lässt, sondern sich vielmehr im Einzelfall aus einer Abwägung von positiven und negativen Effekten ergibt (Abbildung 4).

Diese Effekte schlagen sich in Bezug auf die Kostenstrukturen etwa nieder als Vernetzungskosten (etwa für die Partnersuche, langwierige Vertragsverhandlungen, Integrationsmaßnahmen, kulturelle Unstimmigkeiten oder informationstechnische Inkompatibilitäten), als Provisionsaufwand zugunsten von Netzwerkpartnern oder als externe Kosten für die Durchsetzung von Regressforderungen und für die Minderung von Imageverlusten, die durch Wertschöpfungspartner verursacht werden. In Bezug auf die Vermögensnutzung sind virtuelle Ressourcen oder "Netzkapital" (etwa vergrößerter Partnerkreis statt zusätzlichen Anlage- beziehungsweise Umlaufvermögens) oder Cross-Selling-Effekte (zum Beispiel zwischen Kredit-, Bauspar- und Versicherungsprodukten bei Baufinanzierungen) in der Strategy Map zu berücksichtigen. Hier bietet sich - ähnlich wie in der Konzernrechnungslegung - eine Unterscheidung zwischen netzwerkinternen Erlösen aus Geschäften mit Netzwerkpartnern, Umsatzerlösen aus einer Geschäftsvermittlung durch Netzwerkpartner und eigen-initiierten Umsatzerlösen an.

Bei den Bemühungen um zusätzliche Umsatzmöglichkeiten (zum Beispiel Einbeziehung weiterer Einheiten in den Finanzverbund) sind den zusätzlichen Ertragspotenzialen sowohl Kostenpositionen (etwa Kosten der parallelen Bereitstellung identischer Finanzdienste, Koordinationskosten bei der Austragung von Kanalkonflikten) als auch Erlöseinbußen (etwa aufgrund von verringerter Servicequalität durch unklare Zuständigkeiten) entgegenzustellen. Derartige Imageschäden beeinflussen auch die Profitabilität bestehender Kundenbeziehungen (das heißt den durch den Customer Lifetime Value gemessenen Kundenwert) negativ.

Network Strategy Map der nächsten Generation

Die hier umrissene Network Strategy Map für den Finanzdienstleistungsbereich fußt auf einer netzwerk-adaptierten Interpretation der Strukturkomponenten herkömmlicher Strategy Maps. Die anhand des genossenschaftlichen Verbunds aufgezeigten, netzwerkspezifischen Wertbeiträge treten in ähnlicher Form in der Sparkassen-Finanzgruppe und in modifizierter Form in netzwerkförmig organisierten Großbank-Konzernen auf. Sie haben insofern das Potenzial, die Qualität der strategischen Planung und damit die Performance aller Typen von Finanzdienstleistern signifikant zu erhöhen.

Trotz dieser Verbesserungen kann die Netzwerkeinbettung von Unternehmen nicht durch eine bloße Modifikation, sondern erst durch eine radikale Neukonzeption des Strategy Map-Ansatzes adäquat erfasst werden kann. Eine solche Network Strategy Map der nächsten Generation müsste mehrere Ebenen enthalten, die in einer hierarchischen Supersystem-System-Subsystem-Beziehung zueinander stehen. Hierbei handelt es sich um die Netzwerkebene, die Unternehmensebene sowie die Ebene der Unternehmenssegmente (etwa Business Units oder Filialen).

Ferner wären zusätzliche Perspektiven erforderlich, um alle Stakeholder einer netzwerkintegrierten Geschäftstätigkeit zu berücksichtigen. Hierzu zählt auf alle Fälle die Partnerperspektive, die den Wert von Netzwerkbeziehungen für die Verbundpartner erfasst. Schließlich empfiehlt sich eine Differenzierung der Network Strategy Map nach Schichten, das heißt nach dem Organisationsgrad der bestehenden Vernetzungsbeziehungen. Hierbei wären zum Beispiel auf einen aktuellen Kundenauftrag ausgerichtete Geschäftsbeziehungen einerseits und "nach innen" gerichtete Versorgungsbeziehungen (ohne externe Kundenschnittstelle) andererseits zu unterscheiden.

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