Leitartikel

Mittelstandsgeschäft: Verlierer gesucht

Man muss nicht die neusten statistischen Daten bemühen, um die volkswirtschaftliche Bedeutung des deutschen Mittelstands zu ergründen. Zum Einstieg reicht der Blick auf eine Broschüre des BMWI aus dem Sommer vergangenen Jahres, in der mit gewissem Stolz der "German Mittelstand" als "Motor der deutschen Wirtschaft" präsentiert wird. Die dort verwendeten Zahlen basieren auf der deutschen Definition von kleinen und mittleren Unternehmen mit maximal 500 Beschäftigten und maximal 50 Millionen Euro Jahresumsatz beziehungsweise auf der europäischen Definition von small and medium-sized enterprises, die maximal 250 Beschäftigte oder einen Jahresumsatz von 50 Millionen Euro aufweisen. Demnach werden mehr als 99 Prozent aller Unternehmen dem Mittelstand zugerechnet. Er steuert mehr als die Hälfte zur gesamten Wirtschaftsleistung bei, erwirtschaftet ein gutes Drittel des Umsatzes aller deutschen Unternehmen und bietet Arbeitsplätze für rund 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Nicht minder wichtig sind der Politik die hohe Ausbildungsquote für Jugendliche und der beträchtliche Anteil am Auslandsumsatz deutscher Unternehmen. Flankierend wird darauf verwiesen, dass sich viele deutsche Unternehmen dem Geist des Mittelstands auch dann verpflichtet fühlen, wenn sie mit ihren Produkten und Dienstleistungen längst den klassischen Beschäftigungs- und Umsatzgrenzen für KMU entwachsen sind.

Die Finanzkrise haben viele dieser Unternehmen vergleichsweise gut bewältigt. Ihre überschaubare Größe und das besondere Engagement vieler Unternehmerfamilien machen sie im Wettbewerb flexibel, und die erheblichen Fortschritte in ihrer Eigenkapitalausstattung haben sie in den vergangenen Jahren deutlich robuster werden lassen. Der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank aus dem Dezember vergangenen Jahres bescheinigt gerade den kleinen und mittleren Unternehmen zwischen den Jahren 2000 und 2012 gegenüber den Groß unternehmen einen deutlichen Aufholprozess bei der Eigenkapitalquote. Das hat die Bonität vieler mittelständischer Unternehmen gestärkt und sicherlich mit dazu beigetragen, dass im vergangenen Jahr die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland mit rund 26 000 auf das niedrigste Niveau seit Jahren gefallen ist. Viele Unternehmen hat das in die Lage versetzt, ihre vergleichsweise teuren Betriebsmittelkredite abzulösen und kleinere Investitionen zumindest teilweise wieder aus dem Cashflow zu stemmen. Immer noch recht zögerlich agiert der Mittelstand hingegen bei der Ausweitung seiner Ausrüstungsinvestitionen.

Den Banken indes macht die entstandene Investitionslücke Hoffnung auf gute Geschäfte. Zusammen mit den zuvor geschilderten Entwicklungslinien lockt sie neue Wettbewerber an und bestätigt viele Institute in ihrer Positionierung im Mittelstandsgeschäft. Das betrifft nicht nur die traditionell in dieser Zielgruppe verankerten Sparkassen und genossenschaftlichen Ortsbanken, sondern auch die Landesbanken und die genossenschaftlichen Zentralbanken. Klare Ambitionen in allen Kundensegmenten dieses Geschäftsfeldes formuliert aus dem privaten Bankensektor die Commerzbank (siehe Interview Werner in diesem Heft). Mit einer Eigenkapitalrendite ihrer Mittelstandsbank von 18,5 Prozent im Berichtsjahr 2013 fühlt sie sich darin bestätigt, das Konzept des Aufbaus von Kernmärkten über Deutschland, Österreich, Polen, Tschechien, Ungarn und die Schweiz hinaus zu prüfen und andererseits weltweit überall dort neue Auslandsfilialen aufzubauen, wo die Begleitung von Firmenkunden bei ihren Auslandsaktivitäten Aussicht auf profitable Geschäfte verspricht.

Neu im deutschen Mittelstandsgeschäft aufgestellt hat sich seit einem Jahr die Deutsche Bank. Um die Potenziale im Geschäft mit 11 500 Firmenkunden besser auszuschöpfen, hat sie ihr bundesweites Betreuungsnetz auf 250 Standorte erweitert und die Stärkung der regionalen Verantwortung und Entscheidungskompetenz ausgerufen. Die HVB will unter die ersten Drei, und die HSBC verspricht sich besonders im Auslandsgeschäft Wettbewerbsvorteile unter Nutzung ihres weltweiten Netzwerkes. Kurzum: Das Gedränge um das attraktive Kundensegment ist so groß, dass selbst die Bundesbank die Frage aufgeworfen hat, ob hier nicht ein Klumpenrisiko für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutsch land entsteht. Mit den wachsenden Aktivitäten der mittelständischen deutschen Wirtschaft auf den Auslandsmärkten spielen im Firmenkundengeschäft immer mehr der weltweite Zahlungsverkehr und diverse Absicherungsgeschäfte eine Rolle. Eine Nische finden lässt sich darüber hinaus sicher mit Dienstleistungen rund um die Kapitalmarktfinanzierung wie sie etwa das Bankhaus Lampe anbietet (siehe Interview Blanchard in diesem Heft). Das Ankerprodukt bleibt aber für alle Institute eindeutig das Kreditgeschäft. Und in dieser Disziplin haben sich im Berichtsjahr 2013 die Ortsbanken der Verbünde recht gut im Wettbewerb behauptet. So haben laut Bundesbankstatistik die Sparkassen mit 1,5 Prozent und mehr noch die Kreditgenossenschaften mit 4,3 Prozent per Dezember 2013 Zuwächse ihres Kreditbestandes an Unternehmen und wirtschaftlich selbstständige Privatpersonen zu verzeichnen - bei anhaltend günstiger Risikovorsorge. Die Kreditbanken (minus 11,1 Prozent), die Landesbanken (minus 12,2 Prozent) und die genossenschaftlichen Zentralbanken (minus 14,2 Prozent) müssen über alle Wirtschaftsbereiche hinweg gegenüber dem Vorjahr spürbare Einbußen verkraften.

Wer auf mittlere Sicht den Wettbewerb im Mittelstandsgeschäft gewinnt, ist mit diesem Zwischenstand längst nicht entschieden. Am besten zu bewähren scheint sich hierzulande aber der relationship-getriebene Geschäftsansatz, mit dem speziell die Sparkassen und Genossenschaftsbanken in der Marktbearbeitung sichtbaren Erfolg haben. Deren Herausforderung besteht in den Ballungsräumen in der harten Konkurrenz zu praktisch allen anderen Wettbewerbern und in der Fläche in den richtigen Konzepten zur Bewältigung der Widrigkeiten der demografischen Entwicklung. Die Großbanken tun sich noch ein wenig schwer mit der glaubwürdigen Übertragung ihrer Ansätze in die Regionen einschließlich der notwendigen Entscheidungskompetenz vor Ort. Aber sie haben mit der Forcierung der Begleitung des Mittelstands im Auslandsgeschäft Ausweichmöglichkeiten für schlechter laufende Geschäfte im Inland.

Eindeutig am schwersten haben es im klassischen Mittelstandsgeschäft die Zentralinstitute der Verbünde. Denn diese werden im unteren Segment von den Primärinstituten der eigenen Gruppe bedrängt und im Geschäft mit größeren Unternehmen von den Großbanken mit ihren weltweiten Verbindungsnetzen. Dabei sind im genossenschaftlichen Sektor die DZ Bank und die WGZ Bank insofern noch in einer recht komfortablen Position als sie sich neben ihren Kreditbüchern die Produkt- und Dienstleistungsfunktion für die Ortsbanken nur zu zweit teilen müssen und viele Projekte ohnehin schon gemeinsam betreiben. Bei den Landesbanken ist das anders. Sie stehen mit ihren Kreditbüchern wie auch mit der Dienstleistungsfunktion für die Primärstufe noch viel stärker im Wettbewerb untereinander. Gerade in der Unterstützung in allen modernen Facetten des Auslandsgeschäfts würden viele Sparkassen gerne eine Bündelung der Kräfte ihrer Zentralinstitute sehen. Die Landesbanken als klare Verlierer abzustempeln, wäre aber vielleicht ein wenig voreilig. Denn innerhalb der Verbundorganisationen wird durchaus kreativ auf aktuelle Marktentwicklungen reagiert. So treibt die Deutsche Leasing gerade zusammen mit den Landesbanken ein Projekt zur Strukturierung der Finanzierung für langfristige Investitionen voran. Mit innovativen Produktideen zur Unterstützung der Sparkassen können auch die Landesbanken ihren gebührenden Platz im Markt finden.

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