Gespräch des Tages

Mittelstandsanleihen - Hoffnung nur für wenige

Ist der deutsche Mittelstand reif für den Kapitalmarkt? Eine gemeinsame aktuelle Studie der Fachhochschule Münster und des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte vermittelt diesen Eindruck. Zumindest in der Mittelstandsanleihe sieht mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen ein attraktives Finanzierungsinstrument. Betrachtet man parallel dazu die jüngsten Verlautbarungen und Erfolgsmeldungen der fünf hiesigen Börsen, die solche Anleihen in einem eigenen Segment anbieten, kann man die deutsche Wirtschaft fast auf gutem Wege wähnen, sich eine Finanzierungsvariante zu erschließen, die alle erneut aufkommenden Warnungen vor einer drohenden Kreditklemme als hoffnungslos übertrieben erscheinen lässt. In der Tat hat dieses Kapitalmarktsegment im vergangenen Jahr einen klaren Aufschwung erlebt (siehe auch Kreditwesen 1-2012). Die bislang 39 gelisteten Unternehmen bringen es nach der Startphase immerhin schon auf ein Platzierungsvolumen von rund 2,4 Milliarden Euro. Doch wenn man diese Größenordnungen mit der Zahl der Mittelständler und ihrem Finanzierungsbedarf vergleicht, dann kann man allenfalls von zaghaften Anfängen sprechen, und die bisher erreichte und absehbare Marktbreite reduziert sich auf einen kleinen Hoffnungsschimmer. Denn einstweilen sind mehr als dreieinhalb Millionen Unternehmen in der Unternehmensstatistik erfasst. Und das Volumen der Kredite an Unternehmen und Selbstständige in Deutschland beläuft sich per Ende September 2011 auf 1367 Milliarden Euro. Unabhängig davon, welche der höchst unterschiedlichen Mittelstandsdefinitionen man heranzieht, kommt somit in der Praxis allenfalls ein sehr überschaubarer Teil davon für das Instrument der Mittelstandsanleihe in Frage. Die Studie selbst begrenzt die relevante Zielgruppe auf rund 9600 Unternehmen des "gehobenen Mittelstands" mit einem Umsatzvolumen von 50 Millionen Euro und mehr. In diesem von den Banken aller Institutsgruppen heftig umworbenen Segment mögen in der Tat eine Verbesserung der Kapitalgeberbasis, die Diversifizierung der Kapitalstruktur und eine Flexibilisierung der Kapitalverwendung entscheidende Motive für den Gang zum Kapitalmarkt sein. Bei aller Hoffnung der Initiatoren ist die Mittelstandsanleihe also allenfalls ein Instrument für vergleichsweise wenige Unternehmen und somit keine breite Alternative zur Kreditfinanzierung. Ob darüber hinaus freilich die Furcht vor einem limitierten Zugang zur klassischen Bankfinanzierung als ermutigendes Zeichen für die Inanspruchnahme der Mittelstandsanleihe gewertet werden sollte, verdient eine zweigeteilte Betrachtung. Denn einerseits wird die Kreditwirtschaft angesichts der regulatorischen Anforderungen in Zukunft sicherlich bei der Kreditvergabe vorsichtiger agieren und schärfere Bonitätsanforderungen und/oder Sicherheiten verlangen. Und auch die Suche privater und institutioneller Anleger nach neuen Assetklassen mit gewissen Renditeerwartungen könnte dem Markt Impulse geben. Andererseits besteht bei dem neuen Instrument der Mittelstandsanleihe aber generell das Problem, dass es tendenziell auch von Unternehmen mit schlechterer Bonität und/oder ungewisser - weil einfach schwer erfassbarer - Marktchancen genutzt werden könnte. Auf ein solides Emittentenrating sollten die Betreiber der Börsenplätze deshalb unbedingt Wert legen. Denn einen Vertrauensverlust durch viele Ausfälle gleich zu Beginn würde der noch junge Markt nur schwerlich verkraften.

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