Gespräch des Tages

Mitarbeiter - Fette Boni - Cui bono?

Dietmar K. R. Klein, Bundesbankdirektor a. D. schreibt der Redaktion: "Unvermindert exorbitante Bonuszahlungen an internationale Investmentbanker ungeachtet von Kreditverlusten in dreistelliger Milliardenhöhe? Meldungen dieser Art führen zu vielen Fragen, spätestens seit den Offenbarungen des 31-jährigen Wertpapierhändlers Kerviel. Dieser hatte bekanntlich auf der Jagd nach hohen Bonuszahlungen mit Hilfe verdeckter und interne Kontrollen umgehender Spekulationen in der Pariser Zentrale der Société Générale bis zum Jahresultimo 2007 zunächst Gewinne von 1,4 Milliarden Euro für seine Bank eingefahren, die sich aber Anfang dieses Jahres innerhalb weniger Tage in Milliardenverluste verwandeln sollten. Entschuldigend erklärte er, er habe sich als Investmenthändler einfach hinreißen lassen, um zu den Anführern seiner Gang aufzuschließen und von ihnen anerkannt zu werden.

Symbolhaft steht er für ein Finanzsystem, das viele asymmetrische Fehlanreize zur Spekulation auf Kosten anderer enthält, ohne dass dabei die bisherigen Spielregeln formal verletzt werden müssten. Einerseits verdienten Bankleitungen und deren Mitarbeiter fette Boni - so lautet die These -, wenn gewagte Spekulationen mit komplexen Finanzinstrumenten nach dem OTD-Modell (Originate-to-Distribute-Modell) aufgehen. Andererseits müssten sie jedoch kaum dafür einstehen, wenn sie durch ihr Handeln eines Tages hohe Verluste verursachten.

Nach den bekanntgewordenen Zahlen schütten allein die fünf größten Investmentbanken in der Wall Street in diesem Jahr (für 2007) den Rekordbetrag von 39 Milliarden US-Dollar (27 Milliarden Euro) als Boni an ihre Mitarbeiter aus. Ein Managing Director mit einem jährlichen Fixgehalt von 200 000 Euro kann beispielsweise gut und gern das Fünf- bis Sechsfache als Bonus erhalten. In den Vereinigten Staaten ist es nicht unüblich, dass der CEO sogar das Zehnfache seines bereits um das Vielfache höheren Grundgehalts als Boni-Paket nach Hause bringt. Die führende Investmentbank Goldman Sachs, die ihren Nettogewinn 2007 immerhin steigern konnte, soll ihren 30 000 Mitarbeitern im Schnitt

- bei großer Streuungsbreite - eine Gesamtvergütung von 660 000 US-Dollar ausgezahlt haben. Andere Wettbewerber wie beispielsweise Morgan Stanley oder UBS, die Abschreibungen und Rückstellungen in zweistelliger Milliardenhöhe unmittelbar zulasten der privaten Aktionäre und mittelbar der Steuerzahler vornehmen mussten, haben gleichwohl ihren Bonus-Topf entweder vergrößert oder zumindest nicht entscheidend verringert. Signifikant ist, dass kosteneffiziente und risikobewusstere Investmentbanken wie Goldman Sachs oder Deutsche Bank erheblich weniger als die Hälfte ihres Bruttoertrags als Boni ausschütten, während ineffiziente Institute in schlechten Jahren aus Wettbewerbsgründen weit darüber liegen können. In der deutschen Bankenlandschaft haben bekanntlich einige Institute in Relation zum haftenden Eigenkapital und zur nachhaltigen Ertragskraft ein ungleich größeres spekulatives Rad am internationalen Kapitalmarkt gedreht als ihre Wettbewerber im In- und Ausland. Die Schieflagen betreffen Institute, die entweder fast zu 100 Prozent in öffentlicher Hand sind (Länder, Sparkassen) oder von einem öffentlich-rechtlichen Minderheitsaktionär beherrscht werden. Die in Rechnung gestellte Absicherung durch die öffentliche Hand und das enge Korsett des satzungs gemäß festgelegten Geschäftsmodells haben zu einem von wenig sachkompetenten Verwaltungs-(Aufsichts-)Räten abgesegneten erweiterten Mandat für lukrative, letzten Endes aber verlustreiche Kredit- und Wertpapiergeschäfte im Ausland geführt. Hohe Boni gehen hier also direkt und indirekt zulasten des Steuerzahlers.

Wie könnten die Prinzipien für ein reformiertes System angemessener Boni-Zahlungen konkret aussehen, das Fehlanreize unterbindet? Erstens sollten Bonuspläne nur auf der Basis realisierter Gewinne zu Barauszahlungen führen. In einem Rechnungssystem, in dem das Prinzip 'Mark-to-market' vorherrscht, können Gewinne die Folge temporärer Höherbewertungen von verbrieften Aktiva sein, wenn nicht in gleicher Höhe auf der Passivseite entsprechende Bewertungsrücklagen oder sonstwie Rückstellungen für bestimmte Wertminderungsrisiken eingebucht worden sind. Zweitens sollte nach dem Ende eines Geschäftsjahres allemal nur ein kleiner Teil des Bonus bar ausbezahlt, der größere Teil aber auf einem Reservekonto für mehrere Jahre festgelegt werden. Zulasten dieses Kontos können dann in den Folgejahren nachträgliche Wertminderungen, aber auch Verluste aus späteren Neugeschäften verbucht werden.

Drittens ist die Höhe von Boni im Verhältnis zum Grundgehalt stärker zu begrenzen, sozusagen als Äquivalent dafür, dass ein Bankangestellter selbst bei Geschäften mit hoher Gefahrenneigung allenfalls für Verluste bis zur Höhe des Saldos auf seinem Reservekonto einstehen muss, sofern er die Regeln befolgt hat. Viertens sollte es keine 'garantierten Bonuszahlungen' geben. Sie sind ein Widerspruch in sich selbst. 'Garantiert' kann immer nur das mit dem Arbeitgeber vereinbarte Grundgehalt sein. Fünftens ist es begrüßenswert, dass sich der internationale Ban kenverband (IIF) unter dem derzeitigen Vorsitz von Josef Ackermann bis zum Frühjahr auf einen Kodex von Wohlverhaltensregelungen einigen will, um unter anderem dem für Boni zuständigen Ausschuss des Aufsichtsrates Richtlinien an die Hand zu geben. Notfalls sollten jedoch koordinierte Interventionen der Aufsichtsbehörden nicht ausgeschlossen werden."

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