Aufsätze

"Der Kostendruck hat dazu geführt, dass die Produkte immer spekulativer geworden sind"

Die Wahl des Themas "Banken und Vertrauen" stammt nicht von ungefähr - sie stammt aus der Erkenntnis, dass das Bild von uns Bankern in der Öffentlichkeit wohl renovierungsbedürftig ist. Zur Beruhigung kann schon jetzt gesagt werden - es ist nicht das erste Mal, dass über uns Banker eine Moralschelte herabgelassen wird. Wir wurden schon vor 2 000 Jahren immer wieder einmal aus den Tempelanlagen verjagt. Es gab in allen Kulturen und Hochkulturen immer wieder Aufstände gegen unseren Berufsstand. Früher wurden die Mitglieder der Ordnung halber geköpft, wenn der Berufsstand mal wieder an der Reihe war. Heute ist dies nicht mehr so, heute werden sie geächtet. Manchmal frage ich mich, was ist angenehmer oder unangenehmer. Dennoch sollte uns die Geschichte zu denken geben, und wir sollten versuchen für die Zukunft hieraus zu lernen.

Angst vor der unheimlichen Macht der Finanzindustrie

Was ist passiert - was hat stattgefunden - was hat die öffentliche Wahrnehmung so schnell geändert und den Begriff des Bankers so schnell ins Negative gerückt. Es ist ein offenes Geheimnis. Die Menschen haben Angst vor der unheimlichen Macht der Finanzindustrie. Zu den Menschen gehört aber auch der Journalismus, also Presse und Medien sowie auch die Politiker. Auch dies sind alles nur Menschen. Auch sie haben Angst.

Attacken der Politik, nicht nur gegen die deutschen Banken, auch gegen Banken im nahen Ausland, zeugen von hohem Populismus und weniger von seriöser Auseinandersetzung mit dem Thema Bank, Finanzmarkt und Finanzakrobatik. Scheinbar spielen sich Medien und die Politik die Bälle schlichtweg Hand in Hand. Medien und Politik haben jedenfalls ihr Übriges getan. Es vergeht kein Tag, in dem in Zeitungen nicht postuliert wird, Banker sind schuld, Banker haben keine Moral, Banker sind gierig. Doch wir sollten uns gegen die undifferenzierte Bankenschelte wehren. Nicht alle Banker sind gleich - nicht alle Banker sind negativ und nicht alle ausschließlich positiv. Es sind ja nicht auch alle Politiker schlecht, alle Lehrer ungerecht, sondern es gibt in einer jeden Berufsgruppe unterschiedliche Vertreter.

Hochtechnisierung

Festzustellen ist, dass die Bank von 1950 nicht mehr besteht. Der Banker im blauen Anzug als der Industriekapitän schlechthin, den gibt es nicht mehr. Wir haben eine Hochtechnisierung des Geschäftes. Wir haben eine Aufteilung in Investmentbanking, in Banking für Firmenkunden, in Banking für Privatkunden und in Retailbanking für Massenkunden.

Banking vor 100 Jahren war anders - oder doch nicht. Auch vor 100 Jahren gab es schon die Spekulation, nicht viel später dann den Schwarzen Freitag - ein Tag der angeblich die Weltwirtschaftskrise ausgelöst haben soll.

Damals ist eine große Spekulationsblase geplatzt. Eine Neuorientierung an ein neues Werteniveau im finanziellen Bereich entstand. Die Weltwirtschaftskrise begann mit ihrem unsäglichen Lauf. Hohes volkswirtschaftliches Vermögen löste sich damals in Minuten auf. Dies betraf einen jeden. Es betraf nicht nur die Spekulanten. Es betraf auch den Menschen auf der Straße, denn auch er litt plötzlich unter Inflation und den daraus entstehenden Folgen. Doch ist heute die Vernetztheit der Menschen und der Branche viel intensiver als früher.

Bankgeschäft als Kostenfaktor

Aus der Lohntüte ist längst das Kundenkonto geworden. Es hat eine Demokratisierung der Masse in Sachen Bank stattgefunden. Ein Konto für Jedermann - der Zugang für Jedermann zum Kapitalmarkt - ein Jedermann hat eine Bankverbindung und ist damit potenziell mit einer Bank verbunden. Die Politik fordert das kostenlose Bankkonto. Das Bankkonto ist heute zum Grundrecht geworden. Das Konto als Massenprodukt - die Banken haben einen hohen technischen Aufwand.

Daneben haben wir einerseits eine Preissensitivität - Geiz gegenüber Banken ist geil - und andererseits der Qualitätsanspruch des Kunden. Dies sind zwei Themen, die eigentlich nicht miteinander vermittelbar sind. Hohe Qualität und kein Ertrag oder keine Kostendeckung? Das ist schon eine sehr anmaßende Forderung der Öffentlichkeit gegen uns.

Das heißt aber auch, wir haben heute andere Kunden. Es sind primär Massenkunden und nur sekundär institutionelle Kunden beziehungsweise es sind Kunden, die andere Leitbilder haben, wie sie durch die Presse tagtäglich dargestellt werden. Unser Bankensystem ist intensiver geworden - heute ist die Menschheit in der technisierten Welt auf unser Transaktionssystem angewiesen. Wir Banken haben diese Kosten entsprechend zu stemmen - wir haben aber auch die volkswirtschaftliche Aufgabe, dies ertragstechnisch für uns zu nutzen. Haben wir in diesem System keinen Ertrag - können wir dies jedenfalls auf Dauer auch nicht durchhalten.

Ist Vertrieb unmoralisch?

Alle die Systeme, die uns heute den Zugang zu dem Kunden garantieren, bedeuten für uns einen hohen Kostenaufwand. Dies sind EDV-Kosten. Dies sind Informationskosten. Dies sind Personalkosten. Ein Apparat der nicht zuletzt dazu führt, dass im sogenannten Retailbanking nicht nur in der kürzesten Vergangenheit, sondern auch in naher Zukunft nicht nur Geld verdient wird.

Die Kompensation dieser Kosten bedeutet Vertrieb. Den Zugang, denn wir zu unseren Kunden haben, müssen wir im Vertrieb ummünzen. Nur wenn wir mit ihnen auch Geld verdienen können, und dürfen, haben wir die Möglichkeit, unsere volkswirtschaftliche und sozialpolitische Aufgabe entsprechend zu erfüllen. Vertrieb ist dennoch nicht immer nur Vertrieb. Wir verkaufen Sparprodukte. Wir verkaufen Anlageprodukte. Wir verkaufen komplizierte Produkte. Es ist nun mal ein Gesetz, dass Produkte sich auf Dauer immer mehr verflachen - sie werden vertriebsfähig und somit auch allen entsprechend zugänglich gemacht. Aus meiner Sicht ist dies durchaus auch politisch gewollt. Das eigentlich komplizierte Geschäft, seien dies Fonds, seien dies Zertifikate, seien dies ETF's, seien dies sonstige Kreationen - alle diese Produkte sind vertriebsfähig beziehungsweise wurden vertriebstechnisch gemacht und in den letzten Jahren auf die Straße gebracht.

Der hohe Kostenapparat, den wir haben, zwingt uns dazu, diese Kosten zu kompensieren. Die Kompensation erfolgt ausschließlich durch Einnahmen. Diese wiederum können wir in diesem Apparat nur generieren, indem wir auch Produkte entsprechend platzieren.

Was ist passiert? Menschen haben in der kürzeren Vergangenheit durch vertriebstechnische Produkte Geld verloren. Dies wird uns heute vorgeworfen. Aber gehen wir bitte noch einmal einen Schritt zurück. Wie ist dieser Markt entstanden? Dieser Markt ist entstanden wie jeder Markt - Nachfrage und Angebot oder Angebot und Nachfrage. Es lässt sich akademisch nicht lösen, was zuerst da war - das Huhn oder die Henne? Nur Huhn und Henne haben ihr Fortkommen gegenseitig garantiert. Hier bedeutet es, dass Produkte an Menschen entsprechend verkauft werden. Das heißt, es treffen Käufer und Verkäufer oder Verkäufer und Käufer aufeinander und schließen einen Kontrakt.

Würden Käufer und Verkäufer nicht zusammenkommen, käme auch kein Vertrieb und kein Kontrakt zustande - der Käufer könnte ein Produkt nicht erwerben - wir Banken könnten unsere Courtagen, Provisionen, Überziehungsgebühren nicht generieren. Wir kommen damit zu einem Punkt, an dem gefragt werden muss: Kaufen unsere Kunden nicht freiwillig? Verkaufen wir unter Zwang? Ich betreibe dieses Geschäft seit 30 Jahren. Wir haben unsere Kunden noch nie per Waffengewalt gezwungen, Produkte bei uns zu kaufen - aber wir haben sie angesprochen, ob sie Produkte von uns kaufen wollen. Dies ist und bleibt Vertrieb. Was wollen wir? Wir wollen Geld verdienen, wir müssen Ertrag machen - dies ist unsere Aufgabe. Das heißt, wir müssen entsprechend Produkte an unsere Kunden verkaufen - denn wir leben ausschließlich vom Verkauf.

Was wollen die Kunden?

Unsere Kunden sind durch die Medien - durch den immer größer werdenden Zeitgeist der Spekulation immer mehr zu der Tatsache hingeführt worden, dass sich nicht nur mit realer Arbeit, sondern auch mit Spekulation Geld verdienen lässt. Die Rentenkrise, zum Teil auch hochgespielt durch die Medien, die Zukunftsangst unserer Kunden haben dazu geführt, dass der Wille besteht, dass das Kapital von heute entsprechend in die Zukunft verlagert wird - es muss entsprechend angelegt werden. Angebot und Nachfrage, Käufer und Verkäufer haben sich somit getroffen. Nun ist der Markt vorhanden. Dieser Markt geht jedoch nicht statisch nur in eine Richtung - der Markt, das wissen wir alle - hat Höhen und Tiefen.

Nun stellt sich die Frage nach der Moral. Wer ist schuld, wenn der Markt hoch oder runter geht. Der Markt ist der Markt, und der Markt ist durch uns im täglichen Geschäft sicher nicht änderbar. Wer haftet für Fehltritte? Natürlich bedeutet Vertrieb Druck auf Zahlen. Natürlich bedeutet Vertrieb, dass wir Provisionen entsprechend erwirtschaften müssen. Wir könnten sonst Vertrieb auch entsprechend nicht volkswirtschaftlich darstellen. Wenn Erfolg gleich als Gier gewertet wird, dann muss festgestellt werden, dass nicht nur der Banker, sondern auch der Kunde gierig ist. Diese Gier nach mehr hat auch der Kunde. Es sind nicht nur die Spekulanten, sondern auch die einfachen Menschen, die im täglichen Geschäft mehr haben wollen.

Man muss nur die täglichen Meldungen betrachten. Das sind Vergleiche unter Banken, die dazu führen, dass die Banken im Ranking besser dargestellt werden, die auch einen höheren Ertrag gegenüber Kunden erzielen. Da gibt es Konditionen im Vergleich, die durch Tageszeitungen mindestens einmal wöchentlich veröffentlicht werden. All dies bedeutet, dass die Kunden erkannt haben, dass mit Geld Geld zu verdienen ist. Das mündet in folgende Aussagen: "Wir möchten mehr Zinsen". "Die Verzinsung ist zu gering". "Wir möchten eine zehnprozentige Rendite". Dies sind nicht nur Aussagen von spekulativen Kunden - dies sind Aussagen von Kunden im täglichen Bereich. Die sprichwörtliche Großmama ist heute sehr sensibel geworden - sie bekommt es täglich durch die Presse auch entsprechend "eingehämmert".

Druck auf den Berufsstand

Dies bedeutet Druck auf unseren Berufsstand. Wenn die Kunden mehr haben wollen - können wir nur überleben, wenn wir auch mehr bieten. Aber bedeutet dies nicht, dass sich das System verselbstständigt hat? Bedeutet dies nicht, dass wir unserem Kunden heute ausschließlich Produkte näher bringen, die den Willen nach mehr - die die Gier nach mehr, entsprechend befriedigen? Bedeutet dies, dass wir im Zweifel - da wir auch mehr haben wollen - unsere Kunden über den Tisch ziehen?

Nein, meines Erachtens ist dies nicht der Fall. Kein seriöser Banker macht sich seinen Markt in Zukunft kaputt, indem er einen Kunden entsprechend über den Tisch zieht. Dennoch müssen wir auch selbstkritisch sein. Der Druck, den der Kostenapparat einerseits und der Kunden andererseits aufbaut, hat dazu geführt, dass die Produkte, die dem Kunden angeboten werden, im Kern in der Vergangenheit immer spekulativer geworden sind.

Genau hier wurden Fehler gemacht. Wir Banker haben uns zugemutet, dass wir verstanden haben, was wir unseren Kunden verkauft haben. Wir Banker haben gedacht, wir können die Risiken, auch bezogen auf die verschiedenen Zeithorizontszenarien betrachten. Ich bin mir sicher, dass die meisten Anlageberater technisch die Produkte verstehen - nicht verstanden wird vielfach das Risiko im Gemengelage - also die Tatsache wo Risiko ist und was Risiko anrichten kann.

Ein Großteil der Kunden hat keinen blassen Schimmer, was Risiko bedeutet. Sie setzen sich unzureichend mit den Produkten auseinander, auch wenn diese ihnen detailliert, mit schriftlicher Analyse hoch und runter vorgebetet werden. Meines Erachtens handelt es sich hier um ein marktpsychologisches Phänomen. Der Kauf eines realen Produktes, beispielsweise einer Waschmaschine, erfolgt in der Regel überlegter als der Kauf eines Wertpapiers. Die meisten Kunden verstehen die Größenordnung der Summe nicht und treffen hier Entscheidungen, die weit über ihren finanziellen und geistigen Horizont hinausgehen. Geldanlage bedeutet vielfach, dass die Anleger emotional überfordert sind. Dies liegt in der Tatsache begründet, dass man mit Summen des täglichen Umgangs besser umgehen kann als mit Summen, die außerhalb des täglichen Umgangs liegen. Anlagesummen sind in der Regel so groß, dass sie schlichtweg für Kunden, aber auch für Anleger vielfach nicht begreifbar sind.

Der Kunde kauft ein Produkt, das er nicht verstanden hat. Der Anlageberater hat sein Produkt platziert und die Provision entsprechend verrechnet. Geht die Spekulation gut, redet niemand über den Erfolg. Geht die Spekulation nicht auf, ist die Frage - wer hat Schuld? - entstanden. Hat der Banker Schuld? Hat der Anleger Schuld? Aus meiner Sicht haben im Zweifel beide Schuld. Geht die Angelegenheit finanziell für den Anleger schlecht aus, endet sie vielfach juristisch vor Gericht und wird entsprechend geklärt. Grundsätzlich ist für jede Tätigkeit mit Bankern der Wille des Kunden entscheidend. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass Banker Kunden nie gezwungen haben, mit ihnen Geschäfte zu machen. In der Regel ist der Kunde freiwillig zu seiner Bank seines Vertrauens gegangen und hat mit ihr Geschäfte gemacht. Kein Kunde ist der Vergangenheit in irgendeiner Weise zu irgendwelchen Geschäften gezwungen worden.

Die Rolle des Anwalts

Wird dieses Geschäft hinterher juristisch untersucht, kommen die gesetzlichen Vorschriften, die Normen und die daraus abgeleitete Rechtsprechung ins Spiel. Wir reden heute von anlegergerechtem Verhalten. Wir reden heute von einem ökonomischen Verständnis. Wir reden heute davon, dass wir unseren Kunden aufklären müssen, wie viel Provision und Courtagen und sonstigen Stillhaltegebühren wir für die Ausübung des Geschäftes bekommen. Das ist akzeptabel. Nicht akzeptabel ist, dass dies rückwirkend gilt, also auf Dinge bezogen, die Vorgänge in der Vergangenheit betreffen und uns manchmal das Leben in der Zusammenarbeit mit dem Kunden im Schadensfall nicht unbedingt einfacher machen. Man hat heute vor Gericht als Banker schon manchmal die Vermutung, dass eine Vorverurteilung nach dem Motto "wir helfen den sozial Schwächeren" schon impliziert in der Rechtsprechung vorhanden sind. Das Finanzleben ist nicht mit einer Vollkaskogesellschaft zu vergleichen. Wer Risiko haben möchte - wer mehr Ertrag haben möchte, der muss nun mal Risiko in Kauf nehmen.

Gerade hier liegt und lag in der Vergangenheit von uns Banken ein Kommunikationsfehler. Wir hätten das Thema des Risikos besser kommunizieren müssen. Aus diesem Grund sind die neuen Aufklärungspflichten, die Aufklärungsprotokolle nur gut - sie sind nicht nur eine Dokumentation, sondern rufen ins Bewusstsein, dass alles, das mit Geldanlagen zu tun hat, auch Risiken beinhaltet.

Kaufleute als Kunden

Anders ist es jedoch, wenn wir heute Geschäfte mit sogenannten Vollkaufleuten machen - etwa mit GmbHs, die durch Geschäftsführer vertreten sind. Warum muss ein Vollkaufmann über ein Wertpapiergeschäft aufgeklärt werden: Ist er Vollkaufmann im Sinne des Gesetzes oder nicht? Für mich ist es als Banker vollkommen unverständlich, warum Geschäftsführer einer GmbH über Wertpapiergeschäfte aufgeklärt werden müssen. Für mich ist vollkommen unverständlich, warum Geschäftsführer einer GmbH, also Vollkaufleute, mit öffentlich-rechtlichem Hintergrund, eine Aufklärung über Geschäfte nachträglich fordern, die sie vor vielen Jahren eingegangen sind. Waren dies bei Unterschrift ohne den Kontrakt keine Vollkaufleute? Hier sind im Markt Ungleichgewichte im täglichen Geschäft vorhanden. Wir haben eine Kommunikationskrise.

Seit 2008 zieht die Branche den Kopf ein. Wir glauben langsam selber, dass Anwälte, dass Lehrer, dass Taxifahrer, moralisch besser sind als wir Banker. Wir haben mit unserem Berufsbild alle Branchen in der Zwischenzeit geschlagen. Liegt es vielleicht daran, dass wir uns nicht gewehrt haben? Wir müssen in der Öffentlichkeit kommunizieren, dass wir mit einem virtuellen Thema arbeiten. Banken arbeiten mit Vertrauen. Banken arbeiten mit Geld - dies ist Vertrauen. Banken sind heute ein Teil der Vertrauensindustrie. Es muss an dieser Stelle auch kommuniziert werden, dass Banken volkswirtschaftlich unbedingt notwendig sind. Ich kann mir heute kein System mehr vorstellen, indem es nicht Banken gibt.

Falsche Ausbildung

Vielleicht kommt jetzt die Jugendsünde der 68iger hoch. Unsere Mitarbeiter sind fachlich alle bestens ausgebildet. Sie haben in der Regel eine Banklehre. Sie haben ein weiterführendes Studium. Und sie haben sich selber entsprechend weitergebildet. Vielleicht fehlt aber das, was zu einer guten Berufsausübung auch dazugehört, nämlich die humanistische Ausbildung. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die jungen Menschen eben nicht über das humanistische, moralische Bildungsgut verfügen, das dazu notwendig ist, um diese Geschäft auch im gesellschaftspolitischen Sinne entsprechend durchführen zu können. Dies gilt genauso für Retailbanker wie für alle anderen Banker.

Unser Berufsstand führt nun mal dazu, dass wir mit großen Summen agieren. Große Summen lassen vielfach den Bezug zur Realität verlieren. Die Summen, mit denen wir täglich umgehen, seien dies unsere eigenen Summen oder das Vermögen unserer Kunden, lassen schnell den Bezug zur Realität verlieren. Sie sind nicht die Summen des täglichen Umgangs. Gerade hier führt die ausschließlich technische Ausbildung dazu, dass das Menschliche in der Ausbildung fehlt - nämlich der Ausbildung in Moral und Gefühl.

Was ist zu tun?

Thema 1 ist in der Zukunft die Änderung der Kommunikationsbasis zwischen uns, dem Kunden und den Medien. Unser Berufsstand ist gut - unser Berufsstand ist notwendig - eine Volkswirtschaft in einem System, in dem wir leben, kann ohne Bank nicht funktionieren. Dies muss entsprechend kommuniziert werden - die Verbände aber auch wir selber sind gefordert, diese Signale in die Umwelt zu kommunizieren. Krisen hat es gegeben und wird es auch in der Zukunft geben. Alle diese Krisen haben eins gemeinsam - es wird meist hohes volkswirtschaftliches Vermögen vernichtet. Wir bauen heute solchen Krisen auf juristische Weise vor. Wir haben Anlegerprotokolle eingeführt. Wir haben Abtei lungen in der BaFin entstehen lassen, die dafür gesorgt haben, dass wir Banken entsprechend kontrolliert werden, um eben die negativen Auswirkungen des ausschließlichen Vertriebes zu verhindern. Wird dies alles uns und unsere Kunden jedoch vor den Krisen in der Zukunft schützen? Ich möchte dies an dieser Stelle doch stark bezweifeln.

Der gesamte Papierkrieg, der nun entstanden ist, führt noch mehr dazu, dass wir uns von dem eigentlichen Thema unserer Kunden immer mehr weg entwickeln. Manchmal hat man das Gefühl, dass es wichtiger ist, revisionstechnische Protokolle zu entwickeln, anstatt entsprechend auf den Willen des Kunden zu achten. In die Köpfe des Bankers muss hineinkommen, dass der Kunde vor sich selbst und vor uns geschützt wird. Nicht nur vor uns - das möchte ich betonen - auch vor sich selbst. Die Botschaft lautet also, dass nicht nur Retailbanker, Sparkassenberater, Genossenschaftsbanker, sondern alle Banker in der Zukunft versuchen müssen, mehr auf ihren Kunden zu horchen und ihm nicht nur zu gehorchen. Sie müssen für ihn ein angepasstes Anlagekorsett finden und ihm damit zeigen, dass wir nicht alles schlecht machen.

Ich gehe schlichtweg davon aus, und dies ist auch meine Erfahrung, dass alle Banker im Kern ein ruhiges, sauberes und ordentliches Geschäft machen möchten. Alle Banker möchten im Kern ihre Kunden im besten Sinne betreuen. Kein Banker möchte, dass sein Kunde Geld verliert - und wenn der Kunde Geld verliert, verliert auch der Banker Geld. Wir werden auch in der Zukunft Hochs und Tiefs haben - wir werden immer wieder Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit finden. Moral und Bank werden damit als Begrifflichkeit immer wieder in einer gewissen Disharmonie stehen. Es ist nicht die Tatsache, dass Geld sich in der öffentlichen Meinung nicht mit Moral versteht - es ist der Umgang des Geldes, was manchmal moralischen Zweifel nach sich zieht. Aber Moral ist kein statischer Begriff - Moral ist das, was eine Gesellschaft definiert.

Individuelle Aufklärungsarbeit im täglichen Gespräch

Moral und Geld sind somit Begrifflichkeiten, die ein wenig im Zeitgeschehen stehen und mehr oder wenig in den Vordergrund rücken - sie sind Zeitgeist. Worin liegt somit die Lösung des Themas? Wir müssen ganz einfach versuchen, in der Zukunft Produkte nur noch an Menschen zu verkaufen, die unsere Produkte auch verstehen. Ich weiß, dass dies ein frommer Wunsch ist, der vielleicht nicht wie die meisten Wünsche in Erfüllung geht, aber ein weiterer wichtiger Baustein dieser Lösung ist, dass wir noch mehr an unserer Aufklärungsarbeit arbeiten. Es ist nicht nur die individuelle Aufklärungsarbeit im täglichen Gespräch. Die Bankenwelt muss es selbst in die Hand nehmen. Das Berufsbild des Bankers muss, wie in der Vergangenheit, wieder ein gutes werden. Dies ist eine Aufgabe, die an uns Standesvertreter, an die Verbände, aber auch an die Medien entsprechend zu kommunizieren ist. Auch Banker sind gute Menschen, und dies ist nicht nur der Blick aus der vielleicht unterfränkischen Brille eines Privatbankhauses.

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors anlässlich der 58. Kreditpolitischen Tagung "Banken und Vertrauen" der ZfgK am 9. November 2012.

Die Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

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