Gespräch des Tages

Konjunktur - Europas getriebene Kreditwirtschaft

Es ist bezeichnend, auf welche Aktivitäten sich die europäischen und deutschen Banken im ersten Halbjahr 2013 konzentrieren wollen. Mit dem Risikomanagement und Basel III werden im aktuellen Bankenbarometer von Ernst & Young insbesondere zwei Themen als "sehr wichtig" oder zumindest "wichtig" eingestuft, die seit Beginn der Bemühungen um die Beherrschung der Finanzkrise und die Vorbeugung gegen künftige Gefahren ähnlicher Art maßgeblich von der Politik und/oder den Regulierern initiiert werden. In der Auswertung vom Januar 2013 der in halbjährigem Turnus durchgeführten Untersuchung, schaffen es die beiden regulatorischen Aspekte auf die vorderen Ränge. Auch die Prozessoptimierung (50 Prozent in Europa und 64 Prozent in Deutschland) sowie Kostensenkungen (52 Prozent in Europa und 56 Prozent in Deutschland) finden sich gewiss nicht zufällig in den oberen Regionen der Agenda. Sie sind ein eindeutiger Beleg für den in gewissen Produkt- und Dienstleistungssegmenten schon klar wahrnehmbaren und in anderen Segmenten ganz allmählich zunehmenden Wettbewerb im europäischen Finanzdienstleistungsmarkt.

Eine deutlich niedrigere Dringlichkeitsstufe als die regulatorischen Vorgaben und die Effizienzsteigerung haben für die Banken die Neuausrichtung des operativen Geschäftes, die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen sowie die Erschließung neuer Geschäftsfelder und neuer Auslandsmärkte, wobei sich in all diesen Dingen die europäischen Häuser leicht offensiver äußern als die deutschen. Ob der vergleichsweise niedrige Stellenwert des operativen Geschäftes einschließlich der Entwicklung pfiffiger Produkte und Dienstleistungen sich langfristig auszahlt, darf man bezweifeln. Vielleicht optimieren die deutschen und europäischen Banken an der falschen Stelle und setzen immer noch zu sehr auf Kostensenkung beziehungsweise Effizienzsteigerung. Mit der Beurteilung der Entwicklung verschiedener Geschäftsfelder korrespondieren all diese Einschätzungen allerdings recht gut. Denn sowohl in Deutschland wie in Europa werden die Aussichten für die klassischen Bereiche Retail Banking, Einlagengeschäft, Firmenkundengeschäft und allenfalls noch das gehobene Privatkundengeschäft derzeit deutlich besser eingeschätzt als der Wertpapierhandel, sonstige Wertpapierdienstleistungen, das Emissionsgeschäft oder gar die Transaktionsberatung, also jenen Bereichen mit einer eher anspruchsvollen Produktpolitik.

Bemerkenswert, aber ohne Vergleichsmaßstab aus dem Vorjahren, ist zudem ein Teilergebnis der Einschätzung der deutschen Banken zur Finanztransaktionssteuer. Deren Einführung in elf Staaten in einem gemeinsamen europäischen Verfahren ist dieser Tage vom Ecofin-Rat gebilligt worden und hat sogleich Bedenken der Deutschen Kreditwirtschaft hervorgerufen. Die großen Bankenverbände warnen vor den Risiken und Marktverzerrungen einer begrenzten Einführung und sehen nicht zuletzt die Absicherung von Kursrisiken, das Wertpapierpensionsgeschäft und die Liquiditätssteuerung zwischen den Kreditinstituten erschwert. Gleichwohl haben sich in der im November und Dezember vergangenen Jahres durchgeführten Umfrage unter den deutschen Banken immerhin 31 Prozent der Institute für die Finanztransaktionssteuer ausgesprochen, und je weitere 4 Prozent erwarten von ihr einen Beitrag zur Verhinderung von Spekulation beziehungsweise sehen "die Richtigen" betroffen. Dieses vergleichsweise hohe Grundverständnis dürfte mit dem hohen Anteil der Primärinstitute aus der Sparkassenorganisation und dem genossenschaftlichen Sektor zusammenhängen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X