Positives Marktumfeld nutzen - Baufinanzierungsgeschäft ausbauen

Gerhard Hinterberger, Mitglied des Vorstands, Bausparkasse Schwäbisch Hall AG, Schwäbisch Hall - Das florierende Baufinanzierungsgeschäft war in den vergangenen Jahren für die hiesige Kreditwirtschaft ein wichtiges Ventil, mit dem sie die dünnen Margen auf der Einlagenseite ein wenig abfedern konnte. Neben der steigenden Zahl an Baugenehmigungen und Neubauten verweist der Autor auf sogenannte Sicker effekte, also Umzugsketten hin zu einer insgesamt verbesserten Wohnqualität. Für die genossenschaftlichen Ortsbanken und ihre Verbundunternehmen in der Immobilienfinanzierung sieht er durchaus weiteres Marktpotenzial. (Red.)

Die Zeichen stehen auf Aufschwung: Fragt man Führungskräfte von Genossenschaftsbanken, welchen Stellenwert sie dem regionalen Baufinanzierungsmarkt in den kommenden drei Jahren beimessen, sagen 60 Prozent für ihre Region ein Wachstum voraus. 92 Prozent der Befragten halten das Finanzierungsgeschäft für "sehr wichtig" oder "wichtig". Die Bankenumfrage der Bausparkasse Schwäbisch Hall zeigt, dass Baufinanzierungen ein Wachstumsmotor für die Genossenschaftsbanken sind.

Dynamisches Marktumfeld

Die Bausparkasse hat sich auf diese Entwicklung eingestellt. Das betrifft sowohl den klassischen Bausparvertrag als auch Kombiprodukte, bei denen Bankkredite mit einem Bausparvertrag hinterlegt sind. Ausgehend von der Geschäftsstrategie der Bank liefert sie die jeweils passenden Produkte und Dienstleistungen nach dem "Schlüssel-Schloss-Prinzip der Baufinanzierung". Angesichts der gesteigerten Vertriebserwartungen der Banken bei der Baufinanzierung wird dieses Prinzip zur tragenden Säule für beide Partner.

Die Erwartungen und Perspektiven der Genossenschaftsbanken spiegeln ein Marktumfeld wider, das durch die Niedrigzinsen und den Wunsch vieler Menschen nach Wohneigentum gekennzeichnet ist. Für 44 Prozent der Sparer in Deutschland sind die eigenen vier Wände ein zentrales Sparmotiv. Das schlägt sich auch in der Zahl der erteilten Baugenehmigungen nieder: Laut Statistischem Bundesamt wurden im ersten Halbjahr 2016 fast 183 000 Wohnungen genehmigt, rund 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum und so viele wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr. Dennoch ist das Neubau-Niveau immer noch deutlich zu niedrig: So wurden 2015 knapp 250 000 neue Wohnungen fertiggestellt. Das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln ermittelte dagegen bis 2020 einen jährlichen Neubaubedarf von 400 000 Wohnungen. In deutschen Großstädten steigen die Miet- und Kaufpreise seit Jahren an, der Wohnungsmarkt ist äußerst angespannt. Nach einer aktuellen Auswertung des Beratungsunternehmens Empirica ist der Preisaufschwung mittlerweile auch in ländlichen Regionen angekommen.

Ein Aspekt, der in der Diskussion um Wohnungsknappheit bisher wenig beleuchtet wurde: Neubau entlastet den Wohnungsmarkt nicht nur direkt. Denn durch den Einzug in neu errichtete Wohnungen werden Bestandswohnungen frei, in die andere Mieter einziehen, die wiederum selbst Wohnraum freimachen. 450 000 Wohnungen wurden in Deutschland schätzungsweise im Jahr 2015 durch diesen sogenannten Sickereffekt frei. Die entlastende Wirkung auf den Wohnungsmarkt bestätigt eine Studie, die der Hamburger Senat in Auftrag gegeben hat. Die Untersuchung ergab, dass in der Hansestadt durch 100 Neubauwohnungen infolge der dadurch ausgelösten Umzugsketten 230 Wohnungen für den Wohnungsmarkt frei werden. Die Umzugsketten wirken sich jedoch nicht nur quantitativ aus, sondern führen auch zu einer Verbesserung der Wohnqualität. Dies gilt besonders für den Bau von Wohneigentum. Denn mit jedem Umzug verbessert sich in der Regel nicht nur die Wohnqualität der Eigenheimbesitzer, sondern auch die der nachziehenden Haushalte - durch größere Wohnfläche und höhere Standards. Erfahrungen in der Hochpreis-Mietregion Hamburg zeigen, dass die frei gewordenen Wohnungen auch einkommensschwächere Gruppen erreichen. Vor allem Familien profitieren vom Einzug in eine durch Neubau frei gewordene Bestandswohnung.

Wohnungsmärkte stimulieren

Die Voraussetzung für die quantitativen und qualitativen Wirkungen der Sickereffekte ist der bedarfsgerechte Neubau. In Wachstumsregionen heißt das zuallererst, genügend und bezahlbares Bauland zu schaffen. Die Kommunen gewinnen auf diese Weise neue Einwohner und Steuerzahler und verbessern ihre Sozialstruktur. Die positiven Effekte des Neubaus sind nicht allein auf Wachstumsregionen beschränkt. Der Wohnungsneubau, besonders der Bau von Wohneigentum, kann in Schrumpfungsregionen dazu beitragen, die Abwanderung zu dämpfen und die Attraktivität der Region zu erhalten oder gar zu erhöhen. Gerade dort ist das kostengünstige Wohnen oder der vergleichsweise günstige Erwerb von Wohneigentum ein echter Trumpf. Das Marktumfeld für ein anhaltend gutes Baufinanzierungsgeschäft ist also ausgezeichnet. Der Bedarf nach Wohnungsneubau wirkt ebenso stimulierend wie der Wunsch vieler Deutscher nach Wohneigentum. Die Voraussetzungen sind somit hervorragend, dass die Banken vor Ort das Potenzial ausschöpfen.

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