Gespräch des Tages

Investmentbanking - Immer noch auf Sicht

Wenn der Deutschland-Chef einer führenden Adresse im Investmentbanking bei seiner aktuellen Markteinschätzung zum Jahreswechsel 2012/2013 einräumt "immer noch auf Sicht zu fahren", dann kann sich die Branchensituation gegenüber dem Vorjahr nicht allzu deutlich verbessert haben. Dennoch klang Holger Bross für sein Haus, die Bank of America Merrill Lynch (BofAML), wie auch für den Markt ein wenig optimistischer als im Vorjahr. Zurückzuführen ist das auf eine zumindest teilweise günstigere Grundkonstellation. Denn die vier Worst-Case-Szenarien für 2012 sind zumindest nicht ganz so dramatisch eingetreten wie er das vor einem Jahr noch für möglich gehalten hatte. Von einer hoffnungsvollen Aussicht auf Besserung der Dinge kann indes längst nicht die Rede sein, zumal auch für das gerade angelaufene Jahr 2013 die Wachstumsprognosen für die Eurozone (plus 0,1 Prozent) und die USA mit 1,5 Prozent eher bescheiden ausfallen.

Deutlich geringer geworden ist angesichts der Liquiditätsmaßnahmen der EZB und/oder der Bekenntnisse der europäischen Politik zum Verbleib Griechenlands in der Eurozone lediglich die Furcht vor einem Kollaps des Euro. Auch eine für möglich gehaltene ganz harte Landung der chinesischen Wirtschaft ist ausgeblieben. Die Mitte Dezember 2012 veröffentlichte Prognose eines regierungsamtlichen Institutes veranschlagt freilich das chinesische Wirtschaftswachstum für das gerade angelaufene Jahr 2013 erneut auf lediglich rund 8 Prozent - im Vergleich zu den gewohnten Entwicklungen der vergangenen Jahre also eine klar unterdurchschnittliche Rate. Wenig Raum für Euphorie gibt schließlich der vielzitierte Fiscal Cliff in den USA. Eine große Lösung erwartet die BofAML an dieser Stelle zwar nicht, und das laufende Quartal wird auch als durchaus schwierig eingeschätzt. Doch mit einer besseren Rekapitalisierung der US-Banken und den Bemühungen um eine Reindustrialisierung des Landes werden auch hoffnungsvolle Entwicklungen registriert. Ein kaum kalkulierbares Risikopotenzial bergen hingegen nicht zuletzt geopolitische Konflikte wie beispielsweise im Nahen Osten.

Wirklich ermutigend kann der Ausblick auf das Investmentbanking-Jahr 2013 vor diesem Hintergrund dennoch kaum ausfallen. So werden im M&A-Geschäft zumindest bis in die zweite Jahreshälfte hinein allenfalls Bereinigungen der Unternehmensstrukturen erwartet - allgemein in der Industrie und speziell bei einigen Versorgern. Nachdem die Wirtschaft in den vergangenen Jahren viel und erfolgreich an einer Wetterfestigkeit der Kapitalstrukturen gearbeitet hat, fehlt vielen Unternehmen dennoch der Optimismus für große Transaktionen, die wirklich Mut erfordern. Im Segment der Eigenkapitalfinanzierung werden für das angelaufene Jahr zwar mehr IPOs erwartet als im abgelaufenen. Doch das Geschäft mit Kapitalerhöhungen dürfte sich vorwiegend aus den verhaltenen M&A-Aktivitäten beziehungsweise Umschichtungen aus dem Fixed-Income-Bereich speisen. Bei den Bond-Emissionen schließlich wird gegenüber dem guten Jahr 2012 mit einem Rückgang um 15 Prozent gerechnet. Einen aussichtsreichen Geschäftsansatz für emsige Investment Banker bieten in dieser Disziplin allerdings die Bemühungen vieler europäischer Banken um eine Refinanzierung in US-Dollar.

Dem deutschen Ableger der Bank of America Merrill Lynch bleibt bei diesen eher trüben Marktaussichten gleichwohl eine gewisse Hoffnung, im Zweifel zu den Begünstigten zu gehören. Denn gerade in unsicheren Zeiten vertrauen potenzielle Kunden auf starke Institute. In dieser Hinsicht verweisen die Investment Banker gerne auf die gute Ausstattung ihres Hauses mit Tier 1 Kapital. Zudem gehört die Bank nicht zu den vier systemrelevanten Banken, die das Financial Stability Board an den Kriterien der Größe und Vernetzung gemessen mit dem höchsten Eigenkapitalaufschlag belegen will (siehe Leitartikel).

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