Risikomanagement

Höhere Länderrisiken durch gespaltene Arbeitsmärkte?

Die realistische Einschätzung der politischen Stabilität des Gastlandes ist eine wichtige Voraussetzung für den langfristigen Erfolg von Auslandsinvestitionen. Bisher galt: Ein Land ist politisch stabil, wenn stets ein geordneter Übergang der Regierungsmacht erfolgt und Parteien, die ausländischen Investoren oder gar dem privaten Eigentum an den Produktionsmitteln feindlich gesinnt sind, keine Chancen haben. Ägypten, Argentinien, Iran, Portugal, Tunesien oder Südafrika zeigten in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Auswirkung politischer Instabilität auf den unternehmerischen Erfolg. Seit etwa 1980 verbesserte sich die politische Stabilität in den meisten Ländern, zudem wurde die Stellung ausländischer Investoren durch zahlreiche Investitionsschutzabkommen gestärkt. Als neue Bedrohung wird die Unfähigkeit vieler Länder gesehen, politische Mehrheiten zu bilden, um ihre strukturellen Probleme in der Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik zu lösen. Dadurch erhöht sich das Risiko einer Währungskrise oder eines Staatsbankrotts. Die wichtigste Ursache hierfür ist die Spaltung der Gesellschaften als Folge struktureller Änderungen ihres Arbeitsmarktes.

Seit etwa 2000 ändert sich die Struktur der Arbeitsmärkte. Einerseits entstehen gut bezahlte Arbeitsplätze, bei denen jedoch die Anforderungen an die Ausbildung, Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft hoch sind. Andererseits gibt es viele Arbeitsplätze mit niedrigen Anforderungen an die Ausbildung und Leistungsfähigkeit sowie niedrigen Löhnen. Historisch gesehen ist diese Einteilung nicht neu. Aber heute werden die Grenzen zwischen "Oben" und "Unten" nicht nach Klasse, Abstammung, Herkunft oder Religion definiert, sondern nach Ausbildung, Leistungsfähigkeit und Bereitschaft zur Weiterbildung. Während die Zahl der Stellen für die "Verlierer" am Arbeitsmarkt sinkt, steigt die Zahl der Arbeitskräfte mit niedriger Qualifikation. Die "Verlierer" werden von den durch Innovation und Rationalisierung ständig höher getriebenen Anforderungen an ihre Qualifikation überrollt. Sie haben kaum noch Aussicht auf einen angemessenen Lebensstandard.

Die wichtigste Ursache für diese Entwicklung ist die Globalisierung: Zölle sowie Handels- und Investitionsschranken wurden weltweit abgebaut, die Frachtkosten im Land-, See- und Luftverkehr sanken drastisch, Investitionen wanderten in Länder mit Lohnkostenvorteilen. Das Resultat: Schuhe, Kleider, Autoteile und Fernseher werden nicht mehr in den Industrieländern produziert, sondern in den Niedriglohnländern wie China, Thailand oder Brasilien. Viele Jobs für "Angelernte" wanderten aus.

Die Entwicklung lässt sich gut an der Beschäftigtenstruktur der deutschen Dax-Unternehmen ablesen: Die Zahl der im Ausland Beschäftigten übertrifft inzwischen die inländische Belegschaft. Die Struktur der Arbeitsuchenden ändert sich jedoch kaum. Das Institut für Arbeitsmarktforschung erwartet, dass der 15-prozentige Anteil der Arbeitskräfte ohne abgeschlossene Berufsausbildung in Deutschland in den nächsten 20 Jahren konstant bleibt. Eine weitere Ursache ist die starke Einwanderung: Viele Neubürger kommen aus bildungsfernen Schichten und sind nur für einfache, gering bezahlte Jobs qualifiziert. Sie vergrößern die Zahl der Arbeit suchenden und treten mit schlecht ausgebildeten Einheimischen in Wettbewerb. In vielen Industrieländern verlief die Entwicklung ähnlich: "Weiche" Studiengänge wurden populär. Über viele Jahre wurden diese Probleme durch eine auf Wachstum ausgerichtete Politik sowie großzügige Sozialprogramme überdeckt, die dazu erforderlichen Mittel durch Verschuldung beschafft. Inzwischen haben die meisten Industrieländer ihre Verschuldungsgrenze erreicht oder überschritten. Ein Schuldenabbau ist dringend erforderlich.

Aber die große und wachsende Zahl von Geringverdienern und Arbeitslosen bildet ein interessantes Wählerpotenzial. Dieses kann durch populistische Forderungen nach höheren Löhnen und Renten, mehr Kündigungsschutz, kurzum nach "sozialer Gerechtigkeit" leicht mobilisiert werden. Für eine Sanierungspolitik mit Kürzung der Staats- und Sozialabgaben sowie dem Abbau von beschäftigungshemmenden Schutzvorschriften am Arbeitsmarkt fehlt daher zunehmend die Stimmenmehrheit im Parlament. Auch "Not-Koalitionen" der führenden Parteien können kaum noch dringend erforderliche Restrukturierungsprogramme durchsetzen. Es entsteht ein neuartiger Zustand der politischen Instabilität. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit von Importbeschränkungen, Abwertungen und letztlich Staatsbankrott. Ausländische Investoren müssen diese Entwicklungen richtig einschätzen.

Prof. F. T. Haner, Gründer und Direktor des BERI-Instituts (Business Environment Risk Intelligence) hat die Ursachen und Symptome dieser neuartigen politischen Risiken analysiert und Prognosen für insgesamt 21 Länder erarbeitet. Die Tabelle zeigt für einige wichtige Länder die Ergebnisse seiner Untersuchungen sowie die Staatsverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt:

Bei über 70 Punkten schätzt Haner die Stabilität als gut ein, bei 55 bis 69 als ausreichend, bei 40 bis 54 als mangelhaft und unter 40 als prohibitiv. Eine Staatsverschuldung von 90 Prozent des BIP gilt als Grenzwert. Bei der Kombination von mangelhafter Stabilität und hoher Verschuldung drohen Zahlungsausfall und Staatsbankrott. Die Schere zwischen sicheren und riskanten Ländern öffnet sich weiter. Immer mehr Länder verlieren ihre Kreditwürdigkeit.

Dr. Bruno Hake, Wiesbaden

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