Gespräch des Tages

Bankgeschichte - Ähnlichkeiten zwischen Petrodollar- und Finanzkrise

Dr. Bruno Hake, Wiesbaden, schreibt der Redaktion: "Die heutige Finanzkrise hat viel Ähnlichkeit mit der sogenannten , Petro-Dollarkrise' von 1984. Auch vor 25 Jahren führte die Missachtung von Grundregeln der Kreditwirtschaft sowie von frühzeitigen Warnsignalen zu unglaublich inkompetenten Kreditentscheidungen. Auslöser der Krise war die drastische Erhöhung der Ölpreise durch das OPEC-Kartell in 1978. Dadurch erzielten die Öl produzierenden Länder gewaltige Überschüsse, die sie nur zum Teil im eigenen Land sinnvoll investieren konnten. Sie suchten daher nach anderen profitablen Anlagemöglichkeiten. Die international tätigen Banken nahmen die OPEC-Milliarden zu niedrigen Zinsen entgegen und verliehen diese zu wesentlich höheren Zinsen an Schwellenländer wie Argentinien, Brasilien, Mexiko, die Türkei, die Philippinen.

Zunächst wurde in wirtschaftlich sinnvolle Projekte zum Ausbau von Industrie und Infrastruktur investiert. Später konnten viele Regierungen der Versuchung nicht widerstehen, mit den ausländischen Krediten den Lebensstandard der Bevölkerung anzuheben. Die Devisenausgaben für die Bedienung ihrer Auslandsschulden sowie für Ölimporte überstiegen bald 60 Prozent aller Exporterlöse. Dieser Anteil war 1982 vom Beri-Institut, das sich schon damals mit der Beurteilung von finanziellen Länderrisiken befasste, als Grenzwert für die Funktionsfähigkeit der Volkswirtschaft eines Landes ermittelt worden. Trotzdem gewährten die Banken weitere Darlehen, oft sogar, um die Bedienung alter Kredite durch neue zu ermöglichen. Die Banken verdienten glänzend, die Politiker lobten dieses , Petrodollar-Recycling' und glaubten, damit würden die Probleme der Dollarüberschüsse der OPEC-Länder und der Handelsdefizite der Schwellenländer nachhaltig gelöst. Das finanzwirtschaftliche , Perpetuum Mobile' schien erfunden.

1983 platzte die Blase: Als erstes Land stornierte Argentinien den Schuldendienst, später erklärten sich viele andere Länder insolvent. Die Banken mussten Milliarden abschreiben und erlitten hohe Verluste, die Staaten beziehungsweise der Internationale Währungsfonds griffen ein, um Umschuldungsprogramme zu finanzieren und so das Schlimmste zu verhüten.

Warum pumpten die Banken trotz der Warnungen von Fachleuten ständig neues Geld in die Schwellenländer? Eine Untersuchung von Prof. F. T. Haner, Gründer und Leiter des Beri-Instituts, zeigte die Schwachstelle auf: Die Länderrisiko-Fachleute in den Banken waren den für die Kreditvergabe zuständigen Vorständen unterstellt. Diese verdienten sich hohe Prämien, wenn sie neue und anscheinend profitable Länderkredite abschlossen. Es war, wie heute auch, eine bankinterne Machtfrage: Diejenigen, die die großen Geschäfte bringen, haben mehr Macht und Einfluss als die Risiko-Fachleute in den Stabsabteilungen. Tun diese Fachleute das, wozu sie angeblich da sind, werden sie zum , Spielverderber', machen sich Feinde und riskieren ihren Job, zumindest aber ihre weitere Karriere. Daher verfassen sie nur , interne Memoranden', ohne vor der drohenden Gefahr mit Nachdruck zu warnen.

Damals warnten die in der Bewertung von Länderrisiken tätigen Beratungsinstitute rechtzeitig vor der drohenden Überschuldung. Diesmal vergaben die Ratingagenturen bis zuletzt gute Noten für die verbrieften Schrotthypotheken. Auf die international tätigen Wirtschaftsprüfer konnten die Aktionäre sich schon damals nicht verlassen: sie testierten vor der Petrodollarkrise die Bankbilanzen genau so bereitwillig wie später vor der Subprime-Krise."

Noch keine Bewertungen vorhanden


X