Aufsätze

Demografischer Wandel und Personalentwicklung in der Kreditwirtschaft

Demografische Veränderungen sind kein neues Phänomen. Vor allem außerhalb der urbanen Zentren ist es in der Vergangenheit immer wieder zu weit reichenden Veränderungen der Bevölkerungszahl und -struktur gekommen. So wurde der Begriff der "Landflucht" bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts geprägt, als die wachsenden relativen Lohnunterschiede zwischen Landwirtschaft und Industrie zu erheblichen Verschiebungen in der Bevölkerungsdichte führte. Dabei sank der Anteil der Bevölkerung in den ländlichen Regionen Deutschlands zwischen 1 800 und 1900 von etwa drei Viertel auf die Hälfte.1)

Erheblicher Änderungsbedarf

Da Gesellschaften schon immer mit der Bewältigung demografischer Veränderungen leben mussten, ist eine Dramatisierung aktueller Entwicklungen nicht angebracht. Dennoch bergen die im nächsten Abschnitt dargestellten Entwicklungen erhebliche Anpassungsbedarfe in der Unternehmensstrategie von Kreditinstituten. Neben den Themen Arbeitgeberattraktivität und Employer Branding stellt sich vor allem die Frage, wie Personalentwicklung auch in späteren Phasen des Berufslebens aktiv betrieben werden kann. Personalwirtschaftliche Aspekte spielen hierbei eine entscheidende, wenn auch bei Weitem nicht die einzige Rolle. Vielmehr kommt es vermehrt darauf an, die Implikationen demografischer Veränderungsprozesse zwischen unterschiedlichen Unternehmensbereichen abzugleichen. Eine an veränderten Lebenszyklen von Kunden und Mitarbeitern ansetzende Konzeption kann hierbei wertvolle Einsichten zur Erarbeitung entsprechender Maßnahmen liefern.

Ähnlich wie schon im 19. Jahrhundert sind die aktuellen demografischen Veränderungen in Deutschland zu einem erheblichen Teil die Konsequenz von Wanderungsbewegungen. In den fünf neuen Bundesländern ist von teils starken Bevölkerungsrückgängen in den nächsten zwei Jahrzehnten von rund 15 Prozent bis ins Jahr 2030 auszugehen. In weiten Teilen Süddeutschlands werden hingegen stabile bis leicht wachsende Bevölkerungszahlen erwartet. Im Norden kommt es zu einer regional sehr differenzierten Entwicklung.

Besonders anschaulich lassen sich die regionale Heterogenität und die Bedeutung von Wanderungsbewegungen durch eine Betrachtung der Mitte Deutschlands veranschaulichen, beispielsweise in den beiden Bundesländern Hessen und Thüringen. So ist in Thüringen fast flächendeckend von einem Rückgang von mehr als zehn Prozent bis 2030 auszugehen. Die Ausnahme bildet die Region um Erfurt und Weimar, wo es lediglich zu einer leichten Abnahme beziehungsweise Stagnation kommt. In Hessen ist von einer deutlichen wanderungsbedingten Verschiebung auszugehen, wobei das prosperierende Rhein-Main-Gebiet und der Süden des Bundeslandes mit Zuwächsen von bis zu fünf Prozent und mehr rechnen können, während es in Nordhessen ähnlich wie in Thüringen zu einem Bevölkerungsrückgang von zehn Prozent und mehr kommen könnte.

Wichtiges Element der strategischen Unternehmens- und Personalplanung

Gerade in einem Finanzsystem mit vielen regional tätigen Kreditinstituten werden diese Bewegungen zu einem wichtigen Moment der strategischen Unternehmens- und damit auch der Personalplanung. Selbst wenn schrumpfende Einwohnerzahlen und veränderte Kundenbedürfnisse bei der Formulierung von Kompetenzprofilen und Personalbedarf in Betracht gezogen werden, geht es dabei bei Weitem nicht nur um Fragen des Personalmanagements. Eine zunehmende Verschiebung im Lebenszyklus der Kunden bedingt unter Umständen erheblichen Anpassungsbedarf in der von einem Kreditinstitut angebotenen Produkt- und Dienstleistungspalette. Nicht zu unterschätzen ist schließlich der Umstand, dass Kreditinstitute von ihrem politischen und wirtschaftlichen Umfeld vermehrt nicht nur als Betroffene, sondern auch als Akteure in der Bewältigung demografischer Problemlagen wahrgenommen werden. Dies führt einerseits zu neuen Herausforderungen, andererseits jedoch auch zu einer möglichen engeren Bindung zwischen Finanzinstitut und Region.

In der öffentlichen Debatte zum demografischen Wandel spielt die regionale Dimension häufig eine untergeordnete Rolle. Die Auswirkungen der schrumpfenden und alternden Bevölkerung auf soziale Sicherungssysteme, Fiskus und den Arbeitsmarkt in Deutschland insgesamt stehen im Vordergrund. Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass die wirklich neue Qualität der aktuellen demografischen Veränderungen in der erwarteten Abnahme und gleichzeitigen Alterung der Gesamtbevölkerung liegt. Hier wirkt sich neben der steigenden Lebenserwartung vor allem die niedrige Geburtenziffer aus, die erheblich unter dem bestandserhaltenden Wert von 2,1 liegt (Tabelle). Dies gilt selbst unter Beachtung der Unsicherheit, mit der Bevölkerungsvorausberechnungen einhergehen.

So ist deutschlandweit selbst bei einem positiven Wanderungssaldo von 200000 Personen pro Jahr mit einem Rückgang der Bevölkerung auf 79 Millionen bis ins Jahr 2030 beziehungsweise knapp 74 Millionen im Jahre 2050 zu rechnen. Gleichzeitig kommt es zu einem erheblichen Anstieg des Durchschnittsalters der Bevölkerung. Der Alten- oder Abhängigkeitsquotient, der die Anzahl der über 65-Jährigen in Relation zu den 20- bis 64-Jährigen abbildet, wird von etwa 35 Prozent aktuell bis zum Jahr 2030 auf 51 Prozent und bis 2050 bis auf 60 Prozent ansteigen.

Mehr als nur eine Frage der Mitarbeitergewinnung

Die Alterung der Bevölkerung ist hierbei ein Phänomen, das auch Regionen mit relativ stabiler Gesamtbevölkerung betrifft. Besonders anschaulich wird dies wiederum bei einer Betrachtung der beiden Bundesländer Hessen und Thüringen. Obwohl die positive Bevölkerungsentwicklung in einigen Regionen dazu beiträgt, dass die Gesamtbevölkerung dieser beiden Bundesländer zusammengenommen bis 2025 lediglich um gut zwei Prozent abnimmt, steigt im gleichen Zeitraum die Anzahl der über 65-Jährigen um knapp 18 Prozent. In Hessen ist mit einer Zunahme des Altenquotienten bis 2050 von 30 Prozent auf 60 Prozent zu rechnen, in Thüringen kann sogar von einem Wert von 75 Prozent ausgegangen werden.

Für viele Unternehmen auch in der Kreditwirtschaft stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob und wie der Bedarf an qualifiziertem Personal auch in Zukunft gedeckt werden kann. Bundesweit ist davon auszugehen, dass die Zahl der Menschen im Ausbildungsalter von 16 bis 21 von 5,5 Millionen im Jahr 2010 auf 4,2 Millionen im Jahr 2030 sinken wird. In Hessen und Thüringen geht die Zahl der Menschen im Ausbildungsalter nach Berechnungen der statistischen Landesämter um etwa zehn Prozent, die Zahl der Berufstarter im Alter von 22 bis 30 Jahren um rund 15 Prozent zurück.

Die Gewinnung von Talenten wird deshalb zu einem wichtigen Teil der Personalarbeit. So ist es nicht verwunderlich, dass das Thema "Arbeitgeberattraktivität" laut einer Studie der Unternehmensberatung Kienbaum im Jahr 2012 das Thema mit dem höchsten Bedeutungszuwachs für Personaler war. Maßnahmen zur Steigerung der Wahrnehmbarkeit von Kreditinstituten als attraktive Arbeitgeber stellen deshalb ein wichtiges neues Aufgabenfeld dar, bei dem Personalabteilungen eng mit anderen Unternehmensbereichen zusammenarbeiten.

Ein wohl definiertes "Employer Branding" ist hierbei nicht nur aufgrund demografischer Entwicklungen von wachsender Bedeutung: Vor dem Hintergrund der Finanzkrise stellen sich viele junge Menschen gemeinsam mit ihrem sozialen Umfeld die Frage, ob eine Beschäftigung im Finanzsektor sinnvoll ist. Aufgrund des eher niedrigen Stands der finanziellen Allgemeinbildung fehlt zudem eine klare Vorstellung über die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Funktionen der Kreditwirtschaft, insbesondere ihre wichtige Rolle als Dienstleister der Realwirtschaft.

Neue Ausbildungsformen, Abschlüsse und Weiterbildungsangebote

Das Employer Branding setzt deshalb weit vor der Frage einer wirksamen Außendarstellung ein. Es fragt zunächst, was im Kern die Werte und Kultur sowie der gesellschaftliche Beitrag des Unternehmens sind. Die so ermittelte Unternehmsidentität muss dann zunächst in entsprechende Profile für neue Mitarbeiter und schließlich in ein schlüssiges, identitätsbasiertes Kommunikationskonzept übersetzt werden.

Neben einer solchen Vorgehensweise sollten weitere Maßnahmen initiiert werden, um die Attraktivität eines Arbeitgebers für externe Bewerber zu steigern. Hierzu zählen unter Umständen auch Veränderungen in der Personalentwicklungskonzeption. In diesem Zusammenhang kann es notwendig sein neue Ausbildungsformen, Abschlüsse und Weiterbildungsangebote einzurichten, da viele Bewerber den mit einer Anstellung verbundenen Bildungsmöglichkeiten eine hohe Bedeutung zumessen. Zudem legen potenzielle Arbeitnehmer zu den bekannten Faktoren wie einer wettbewerbsfähigen Vergütung und guten Aufstiegschancen zunehmend Wert auf "post-materialistische" Aspekte.3) So nimmt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Pflegezeiten und Beruf eine zunehmende Bedeutung bei der Arbeitgeberwahl ein. Zur Vermittlung der Aktivitäten eines Arbeitgebers in diesen Bereichen können Qualitätssiegel eine unterstützende Rolle spielen. Sie ersetzen jedoch nicht eine schlüssige Gesamtkonzeption zum Thema Arbeitgeberattraktivität.

Obwohl von großer Bedeutung, wird eine Verengung auf die Frage der Gewinnung von Nachwuchskräften den Problemen des demografischen Wandels auf Dauer nicht gerecht. Zum einen müssen die Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität nach außen Hand in Hand mit Maßnahmen zur Steigerung der internen Arbeitgeberattraktivität gehen. Dies ist schon allein aus Gründen der Glaubwürdigkeit eines gegenüber der Umwelt vertretenen Arbeitgeberbildes notwendig.

Ebenso wichtig ist der Umstand, dass auch die Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Zuge sich verengender Arbeitsmärkte ein entscheidendes Merkmal guter Personalarbeit wird. Zwar kommen Maßnahmen beispielsweise zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch bestehenden Mitarbeitern zugute. Allerdings müssen diese durch eine regelmäßige Überprüfung des Arbeitsklimas und der Arbeitsumgebung ergänzt werden. Dabei zeigen Befragungen von Personalern und Mitarbeitern, dass die interne Arbeitgeberattraktivität weniger mit konkreten Einzelmaßnahmen, sondern mehr mit schwer beeinflussbaren Faktoren des Arbeitsklimas, wie der Zusammenarbeit und der Wertschätzung seitens von Vorgesetzten korreliert ist. Mögliche Veränderungen solcher kultureller Aspekte lassen sich jedoch nur schwerlich steuern. Sie sind Ergebnisse eines mühsamen Prozesses, bei dem nicht zuletzt die Auswahl und Ausbildung von Führungskräften eine entscheidende Rolle spielt. Es ist deshalb zu begrüßen, dass der aktiven Entwicklung von Führungs- und Kommunikationskompetenzen eine zunehmende Bedeutung eingeräumt wird.

Höhere Lebenserwartung, veränderte betriebliche Altersstrukturen

Zum anderen wirkt sich der demografische Wandel auf zahlreiche andere Aspekte der Personalarbeit und Personalentwicklung aus. Erstens wird sich in den nächsten Jahren das Altersprofil bestehender Belegschaften weiter verschieben. Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) setzt sich damit zunächst lediglich ein Trend fort: In den letzten dreißig Jahren ist das Durchschnittsalter der Arbeitnehmer bereits von gut 36 auf gut 41 Jahre gestiegen. Mit einem zunehmenden Anteil älterer Mitarbeiter wandeln sich jedoch auch die Bedürfnisse der Mitarbeiter bezüglich der Arbeitsinhalte, der Arbeitsplatz- und der Arbeitsgestaltung. Zwar belegen zahlreiche Studien, dass die Produktivität im Alter keineswegs notwendigerweise abnimmt.4) Gleichzeitig zeigt sich jedoch, dass die altersgerechte Ausgestaltung von Arbeitsplätzen eine entscheidende Rolle spielt.

Ebenso ist davon auszugehen, dass erfahrene Mitarbeiter im Vergleich zu jüngeren Kolleginnen und Kollegen spezifische Stärken und Schwächen aufweisen. Während sich die Forschung lange Zeit auf körperliche und kognitive Aspekte konzentrierte, werden inzwischen zunehmend auch die sozio-emotionalen Kompetenzen in den Blick genommen. Für Finanzdienstleister mit einem hohen Anteil an kundenberatendem Personal sind diese von besonderer Bedeutung. Dabei zeigt sich, dass ältere Beschäftigte spezifische Kompetenzen aufweisen.5) Unter anderem steigt mit zunehmendem Alter die Fähigkeit, konfliktreiche Situationen mit dem Kunden zu meistern.

Zweitens steigt mit der Lebensarbeitszeit die Notwendigkeit, Perspektiven im Unternehmen auch für jene Mitarbeiter zu bieten, die bisher frühzeitig in den Ruhestand wechselten oder bis zum Ruhestand von weitgehend unveränderten Beschäftigungsinhalten ausgehen durften. Die Personalentwicklung von langjährigen Mitarbeitern birgt jedoch vielfältige Herausforderungen. Deshalb erlahmt die aktive Entwicklung häufig ab einem bestimmten Lebensalter. Zukünftige Personalentwicklungskonzepte müssen deshalb explizit auf die Notwendigkeiten einer älter werdenden Belegschaft ausgerichtet sein. Dass hiermit durchaus ein Kulturwandel einhergehen muss, zeigt sich kurz und prägnant schon darin, dass die typische Frage des Personalentwicklers "Wo sehen Sie sich in fünf Jahren" gegenüber Mitarbeitern jenseits einer gewissen Altersgrenze befremdlich scheint. In Zukunft wird sich dies jedoch ändern müssen. Dazu ist verstärkt auf das Erfahrungswissen älterer Mitarbeiter sowie auf neue Formen des lebenslangen Lernens zurückzugreifen.

Tendenzen zu veränderten Erwerbsbiografien

Längere Lebensarbeitszeiten verstärken schließlich drittens Tendenzen zu veränderten Erwerbsbiografien. Die klassische Vierteilung in Kindheit und Schule, externe und interne Ausbildung, Berufsleben mit anschließendem Ruhestand wird immer weniger zum Regelfall. Schon die Ausbildungsphase wird häufig mit Brüchen versehen sein, da sich Studiengänge im Zuge des Bolongaprozesses zunehmend spezialisieren und sich gerade nach dem erstem Berufseinstieg noch einmal Umorientierungen ergeben können. Zudem wird sich die Verlagerung von Kinderbetreuungszeiten in die spätere Phase des Lebens, die bisher vor allem dem beruflichen Aufstieg gewidmet waren, auswirken. Daneben wird die Betreuung von Älteren durch Familienangehörige mit der Erwerbsbiografie zu kombinieren sein, wie nicht zuletzt die politische Unterstützung eines Pflegesabbaticals zeigt. Diese Schwankungen in bisher glatten beruflichen Lebenszyklen werden durch die zunehmende Bedeutung von Quereinstiegen und Laufbahnwechseln noch verstärkt. Dies stellt Unternehmen nicht zuletzt vor die Herausforderung, einen kontinuierlichen Wissenstranfer zu organisieren.

Wie sollten Kreditinstitute und die sie begleitenden Bildungseinrichtungen auf diese vielfältigen Entwicklungen reagieren, ohne sich im Detail zu verlieren? In einem ersten Schritt muss der Gefahr vorgebeugt werden, im Nebel zu agieren. Altersstrukturanalysen und -projektionen sollten deshalb in regelmäßigen Abständen als Grundwerkzeug der Personalarbeit eingesetzt werden, ebenso wie Mitarbeiterbefragungen zur Identifikation von Defiziten im Umgang mit demografischen Problemlagen. Dabei sollte eine lebenszyklusorientierte Personalarbeit schon in der Informationsfindung und Demografieanalyse die Brille sein, durch die mögliche Problemstellungen identifiziert werden. Konkret heißt dies beispielsweise, in Mitarbeiterbefragungen und -gesprächen die Umgehensweise des Arbeitgebers mit neuen biografischen Lebenslagen (Familien- und Pflegezeiten, Veränderungswünsche innerhalb des Unternehmens, Übergangsphasen in neue Betätigungen und in den Ruhestand) kontinuierlich zu thematisieren.

Die Kenntnis der innerbetrieblichen Demografie und der damit einhergehenden Herausforderungen im Lebenszyklus ist wichtig. Sie kann jedoch nur den Ausgangspunkt für eine schlüssige Gesamtkonzeption zum Umgang mit demografischen Veränderungen sein. Am Ende darf das Ziel der Personalentwicklung nicht aus dem Blick geraten: Die Gewinnung, Haltung und Weiterentwicklung von Mitarbeitern, die die für die Unternehmensziele relevanten Kompetenzen aufweisen. Denn gleichzeitig mit der Personalstruktur kommt es zu Verschiebungen in der Kundenstruktur und damit den Kundenbedürfnissen. Damit verändern sich auch die notwendigen Kompetenzen in einem Kreditinstitut.

Analyse der Themen- und Kompetenzfelder

In einem zweiten Schritt muss deshalb gefragt werden, wie der demografische Wandel sich auf die in einem Unternehmen vorzuhaltenden Kompetenzen auswirkt. Wie bei den Mitarbeitern ist auch bei der Analyse der Themen- und Kompetenzfelder, die eine ältere werdende Kundenbasis mit sich bringt, eine Lebenszyklusbetrachtung anzustreben. Eine kleine Auswahl relevanter Themen kann dies veranschaulichen:

- Die Lebensphasen der Kunden verschieben sich weg von Altersgruppen, in denen die Bildung von Immobilien- und Geldvermögen im Mittelpunkt stehen. Im Umkehrschluss wird die Begleitung von Entsparprozessen wichtiger. Gleichzeitig sind die Produkteigenschaften von Anlageformen so anzupassen, dass sie den Bedürfnissen älterer Kunden gerecht werden.

- Eine im Durchschnitt älter werdende Klientel wird tendenziell eine geringere Kreditnachfrage aufweisen. Folglich gewinnen andere Aktiva an Bedeutung. Dies muss nicht notwendigerweise auf eine Verringerung der lokalen Kreditnachfrage hinauslaufen. Zwangsläufig verändert sich jedoch die Struktur der Kreditnachfrage. So betonen viele Regionen mit schrumpfender Bevölkerung beispielsweise die Bedeutung erneuerbarer Energien für die Regionalentwicklung. Die Kompetenzen der Mitarbeiter in Markt und Marktfolge müssen hierauf ausgerichtet werden, indem beispielsweise weniger Expertise bei Privatimmobilien, mehr Expertise bei anderen Aktivformen vorgehalten wird.

- Die Bedürfnisse der Kunden im Hinblick auf Ansprache, Begleitung und Nähe verändern sich. Studien zu altersgerechten Finanzdienstleistungen zeigen unter anderem, dass gerade ältere Kunden einen hohen Wert auf ein stabiles Vertrauensverhältnis mit langjährigen und damit auch reiferen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihrer Filiale schätzen.6)

- Der demografische Wandel befördert eine Vielzahl von für Finanzinstitute relevanten Spezialthemen. So beschäftigt sich eine zunehmende Anzahl von Instituten mit Themen wie der Finanzierung von Alterswohn- und Pflegeeinrichtungen oder mit Formen des altersgerechten Wohnens zu Hause; Themen wie Nachfolge und Vererben gewinnen an Bedeutung. Da ein wachsender Anteil der Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten kinderlos geblieben ist, unterliegen auch die Nachlassformen einem Wandel, wie beispielsweise die wachsende Relevanz von Stiftungen zeigt.

Nicht zu unterschätzen bleibt schließlich weiterhin, dass die noch vorhandene jüngere Klientel auf die sich ändernden so zialen Sicherungssysteme reagiert. Das Anlageverhalten betont zunehmend den Aspekt der Altersvorsorge. Dabei internationalisiert sich das Anlageuniversum. In Deutschland steigt die Kapitalausstattung jedes Beschäftigten im arbeitsfähigen Alter schon demografiebedingt, da selbst bei konstantem Kapitalstock die Arbeitnehmerzahl abnimmt. In tendenziell jüngeren und wachsenden Gesellschaften ist die Ausstattung der Bevölkerung mit Realkapital noch relativ niedrig und die Grenzproduktivität des Kapitals entsprechend hoch. Allerdings werden mit der Geldanlage im Ausland auch neue Risiken wichtiger. Die Beratungskompetenz zu diesen Risiken muss folglich ausgebaut werden.

Aus- und Weiterbildung als Maßnahmenklammer

In einem dritten und letzten Schritt muss es dann zu einer Verschränkung der beiden Lebenszyklusbetrachtungen kommen. Neben den bereits angesprochenen Maßnahmen beispielsweise zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zur altersgerechten Anpassungen der Arbeitsbedingungen, zum Nachfolge- und Übergangsmanagement oder zum Wissenstransfer kommt hierbei dem Thema Aus- und Weiterbildung die entscheidende Rolle zu. Es bildet gewissermaßen die Klammer für alle weiteren Maßnahmen, da nur demografiekompetente Mitarbeiter demografieorientiert begleitet und entwickelt werden können.

Die entscheidende Herausforderung hierbei ist es, den Trainings- und Weiterbildungsanteil in späteren Phasen des Lebenszyklus so zu gestalten, dass es insgesamt zu einer Ausweitung der hierfür verwendeten Zeit kommt. Studien zur Weiterbildungsintensität in Anhängigkeit vom Alter zeigen, dass es ab einem gewissen Punkt zu einem Abfall der Angebote und der Inanspruchnahme von Bildungsangeboten kommt. Die Gründe hierfür sind vielfältig.7) Der Umstand, dass die Amortisationszeit für eine Investition in Bildung für ältere Mitarbeiter geringer ist als für jüngere kann allenfalls der Ausgangspunkt für entsprechende Überlegungen sein. Wichtiger erscheint, dass bei der Konzeption von Maßnahmen vermehrt auf die spezifischen Motivationen und Lernpräferenzen erfahrener Mitarbeiter eingegangen wird.

Fußnoten

1) Reulecke, Jürgen (1985), Geschichte der Urbanisierung in Deutschland, Frankfurt; Teuteberg, Hans Jürgen (1991) Die Explosion der Städte im 19. Jahrhundert und ihre Folgen, in: Die Stadt als Kultur- und Lebensraum, Vorträge im Wintersemester 1990/91, Seiten 67 bis 82, Heidelberg; Bähr, Jürgen (2004), Bevölkerungsgeographie, UTB, Stuttgart, 4. Auflage

2) Quelle: 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes.

3) Sebald, H., Denison, K., Anneking, A., und Richter T., (2007), Was Mitarbeiter bewegt, zum Unternehmenserfolg beizutragen - Mythos und Realität, Frankfurt: Towers Perrin (Global Workforce Study).
4) So kommt eine Sichtung der Literatur durch den

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2011, Seite 114) zu dem Ergebnis, dass Alters-Produktivitäts-Profile bis zum Alter von etwa 55 Jahren ansteigen und dann tendenziell konstant verlaufen dürften.

5) Machowski und Zapf (2011a), Why are older employees better emotion workers than their younger colleagues? sowie Machowski und Zapf (2011b), Effekte des Alters auf Anforderungen und Ressourcen in den Finanzdienstleistungen.

6) Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2012), http://www.wirtschaftsfaktoralter.de/wa/fuer-unternehmen/brancheninfo/finanzdienstleistungen.html P
7) Siehe beispielsweise Zwick, Thomas (2011), Why training old employees is less effective, ZEW Discussion Paper No. 11-046.

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