Aufsätze

Herausforderungen an die Beratung in der privaten Vermögensverwaltung

Neuer Markt, Lehman, Euro - nach drei Finanzkrisen innerhalb der vergangenen zwölf Jahre steht der deutsche Privatbankenmarkt vor einem Umbruch: Die regulatorischen Anforderungen steigen spürbar, deren Umsetzung, insbesondere auf Seiten der IT, ist äußerst kostenintensiv, sinkende Margen sind die Folge. Gleichzeitig haben sich die Kundenbedürfnisse stark gewandelt: Vermögende Privatkunden suchen heute in erster Linie sichere, schwankungsarme Anlagen und möchten sich vor drohender Inflation schützen. Doch auch wenn die Bedingungen deutlich herausfordernder sind als noch vor 20 Jahren: Das Segment vermögender Privatkunden in Deutschland bietet aus Sicht einer Privatbank weiterhin vielversprechendes Wachstumspotenzial.

Wachstum der Privatvermögen in Deutschland ungebrochen

Westeuropa ist nach Nordamerika weltweit die vermögendste Region im internationalen Vergleich. Allein hierzulande gibt es laut des 12. Global Wealth Reports der Boston Consulting Group rund 345 000 Millionärshaushalte und damit fast acht Prozent mehr als 2010. Damit liegt Deutschland weltweit nach den USA, Japan und China auf Rang fünf.1) Das Vermögen der Deutschen ist kontinuierlich gewachsen. Ende 2011 beliefen sich die Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland auf rund 4,7 Billionen Euro.2) Zählt man Immobilien, Bauland sowie Ansprüche aus Betriebsrenten hinzu, so summiert sich das gesamte Vermögen auf knapp elf Billionen Euro. Damit sind die privaten Vermögenswerte in den vergangenen zehn Jahren um etwa 40 Prozent gestiegen - allen Kapitalmarktturbulenzen zum Trotz.

In Zeiten unsicherer Kapitalmärkte und anhaltender Staatsschuldenkrisen stehen viele Kunden jedoch vor einer echten Herausforderung, wenn es darum geht, ihr Vermögen zu erhalten, zu vermehren und an nachfolgende Generationen weiterzureichen. Die Flucht in physische Sachwerte wie Immobilien, Edelmetalle oder Kunst hat massiv zugenommen, scheidet als alleinige langfristige Strategie aber aus Portfoliogründen aus. Tragfähige Anlagelösungen sind nicht einfach zu finden, hängen sie doch von vielen - auch kundenindividuellen - Faktoren ab. Die Bedeutung der privaten Vermögensverwaltung steht daher insbesondere bei komplexeren Vermögen außer Frage. Privatanleger suchen für diese anspruchsvolle Aufgabe Adressen, die ihren Anforderungen optimal entsprechen und ihr Vertrauen genießen. Die Erwartungen an die Beratungs- und Betreuungsqualität sind entsprechend hoch. Der Wettbewerb ist es ebenfalls.

Gestiegene Kundenerwartungen als größte Herausforderung

Doch die gestiegenen Anforderungen im Zuge von Regulierungsreformen sind nur ein Teil der neuen Herausforderungen, denen Vermögensverwalter derzeit und künftig gegenüberstehen. Hinzu kommt eine gewandelte Erwartungshaltung von Seiten der Kunden: Nach Finanz- und Schuldenkrise lässt sich ein Paradigmenwechsel im Kundenverhalten feststellen, insbesondere was die Bereitschaft angeht, Anlagerisiken zu suchen und einzugehen. Die Erfahrungen aus den jüngsten Krisen haben nicht nur zu einem Rückgang der Risiko-Affinität vieler Anleger und Kunden, sondern auch zu einem allgemeinen Vertrauensverlust gegenüber Banken und einer erhöhten Wechselbereitschaft geführt. Für die Beratung in der privaten Vermögensverwaltung stellt dies die größte Herausforderung dar. Privatkunden sind heute besser informiert, anspruchsvoller und gleichzeitig sicherheitsorientierter denn je. Vertrauen schaffen heißt dabei auch, gegenüber dem Kunden die eigene Beratungsleistung ebenso wie die unterschiedlichen Vergütungsmodelle transparent zu machen.

Je nach gewünschter Beratungsintensität können Kunden bei Vermögensverwaltern zwischen verschiedenen Beratungsmodellen wählen - dem klassischen Vermögensverwaltungsmandat, einer Anlageberatung, einem einfachen Ausführungsgeschäft (Execution Only) oder der Honorarberatung. Bei der klassischen Vermögensverwaltung wird häufig eine All-in-Fee inklusive der Auskehrung von Provisionen vereinbart. Damit ist die Kostenseite transparent, und der Kunde kann das gesamte Knowhow einer Bank für sich in Anspruch nehmen. Voraussetzung für diese Art der umfassenden Vermögensbetreuung ist eine ganz genaue Kenntnis der Kundenbedürfnisse sowie ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Privatkunden und seiner Bank, da er sämtliche Anlageentscheidungen delegiert. Unabhängig davon, für welches Beratungsmodell sich der Kunde entscheidet: Das gewählte Modell darf keinen Einfluss auf die Qualität der Beratungsleistung haben.

Langfristige Vermögensstruktur entscheidend

Neben der Auswahl eines geeigneten Beratungsmodells ist die Festlegung der individuell passenden Anlagestrategie die ureigenste Aufgabe eines Vermögensverwalters. Immer mehr Privatkunden werden sich darüber im Klaren, dass die derzeit erzielbaren Renditen angesichts der aktuellen Kapitalmarktsituation und der Erwartungen an das zukünftige Marktumfeld sehr wahrscheinlich deutlich volatiler und niedriger ausfallen als noch vor einigen Jahren. In der privaten Vermögensverwaltung ist daher der Werterhalt von Vermögen mehr und mehr in den Fokus gerückt. Auf diese Gegebenheiten müssen vermögende Privatkunden mit einer entsprechend veränderten Anlagestrategie reagieren, sodass ihre Ziele auch innerhalb der neuen Rahmenbedingungen aller Voraussicht nach erreicht werden können.

Dies ist bereits in der frühen Phase der Festlegung einer Anlagestrategie, bei der sogenannten strategischen Asset Allokation, entsprechend zu berücksichtigen. Diese steckt die langfristig zu erreichenden Ziele ab, um dann aus Anlegersicht eine hinsichtlich Ertrag und Risiko möglichst effiziente Anlagenmischung zu generieren.

Obwohl dies allgemein anerkannt ist, spielt es in der Praxis weiterhin eine untergeordnete Rolle. Die Bedeutung der strategischen Asset Allokation wird jedoch offensichtlich, wenn man sich vor Augen führt, dass sie insgesamt etwa 80 Prozent des Anlageerfolges beeinflusst. Marktunabhängige, werterhaltende Anlagekonzepte (sogenannte Absolute-Return-Strategien) sind hierbei eine Möglichkeit, um auch in unsicheren Kapitalmärkten auskömmliche Renditen bei vertretbarem Risiko zu erzielen (Abbildung 1).

Darüber hinaus sollten Portfolios, vor allem angesichts der derzeit niedrigen Zinsen, breit aufgestellt sein. Alternative Anlageformen undklassen können hier eine größere Rolle spielen, als ihnen in der Vergangenheit zugemessen wurde. Die Verabschiedung aus "klassischen" Finanzanlagen wie Aktien und Anleihen hinein in Immobilien und beispielsweise Gold genügt den Ansprüchen an eine vernünftige Diversifikation dagegen nicht.

Persönliche Betreuungsphilosophie - in der Praxis bestehen

Der innere Kompass für die persönliche Betreuungsphilosophie einer Privatbank sind ihre Werte, ihre Überzeugungen und ihre Tradition. Diese sollte zugleich den Spielraum für individuelle Lösungen bieten als auch Basis für die partnerschaftliche Zusammenarbeit für den und mit dem Kunden sein. Gerade in turbulenten Marktphasen kann eine individuelle und transparente Beratung zum wesentlichen Erfolgsfaktor werden.

Mehr als das grundsätzliche gedankliche Konzept ist in der Praxis jedoch entscheidend, wie diese Philosophie in der Kundenberatung gelebt wird. Das Bankhaus Sal. Oppenheim ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Verfolgung einer persönlichen Betreuungsphilosophie über politische, wirtschaftliche und unternehmerische Umbrüche und Krisen hinweg eine entscheidende Rolle für den Erfolg spielt. In dieser Tradition gelang es in den zurückliegenden drei Jahren, die stabile Kundenbasis zu erhalten und ausbauen. In einem ganzheitlichen Ansatz, der stets die gesamten finanziellen und persönlichen Umstände des Kunden berücksichtigt, stehen kalkulierbare und kontinuierliche Renditen sowie eine ausgewogene Risikodiversifizierung im Mittelpunkt. In diese Überlegungen muss sowohl das Privat- als auch das Unternehmensvermögen eines Kunden einbezogen werden.

Die private Vermögensverwaltung der Bank spielt dabei die Rolle eines unabhängigen Beraters. Einzig und allein die individuellen Kundenbedürfnisse geben die Auswahl der Investmentkonzepte vor, unabhängig vom jeweiligen Anbieter dieser Lösung oder des Produkts (Best-Advice-Prinzip). Auf dem Weg zu einer individuell maßgeschneiderten Vermögensverwaltung verfolgt Sal. Oppenheim einen mehrstufigen Beratungs- und Investmentprozess, der auf wissenschaftlichen und researchbasierten Erkenntnissen fußt (Abbildung 2). Dabei werden die Erwartungen von Kundenseite und die Erfordernisse der Kapitalmärkte in eine langfristige Vermögensstrukturierung übersetzt.

Den bereits erwähnten Paradigmenwechsel im Bereich der Risiko-Affinität gilt es in der Betreuung besonders zu berücksichtigen. Das ausgeprägte Sicherheitsbedürfnis der Kunden muss der Berater aktiv aufgreifen, indem er neuen Angeboten, die den Zielen einer marktunabhängigen Rendite und dem Kapitalschutz folgen, bei der langfristigen Vermögensstrukturierung (siehe Abbildung 2, Punkt 2: Strategische Asset Allokation) eine gewichtige Rolle einräumt.

Der Beratungsprozess muss ganz auf die Bedürfnisse des Kunden ausgerichtet werden. Dazu gehört nicht nur die individuelle Betreuung, sondern auch ein realistisches Erwartungsmanagement gegenüber dem Kunden. Dies beinhaltet auch, Kunden von Anlageideen abzuraten, wenn bestimmte Zielrenditen bei vertretbaren Risiken aus Sicht des Vermögensverwalters nicht realistisch erscheinen. Privatbanken sollten sich in diesem Sinne nicht nur als Berater und Betreuer verstehen, sondern müssen Partner und Wegbegleiter sein, die in Abhängigkeit von der jeweiligen Lebenssituation und in enger Abstimmung mit den unterschiedlichen Zielen und Wünschen der Kunden ganzheitliche Lösungen entwickeln.

Geschäftsmodelle von Privatbanken auf dem Prüfstand

Die Privatbanken müssen ihrerseits ihre Geschäfts- und Betriebsmodelle auf den Prüfstand stellen, um diesen umfassenden und branchenweiten Wandel zu gestalten. Sie müssen eigene Wettbewerbsvorteile erkennen, einsetzen und individuelle Lösungen entwickeln, die dem zunehmend komplexen Marktumfeld standhalten können. Zur Sicherung ihrer Zukunftsfähigkeit kann es dabei sinnvoll sein, auf Infrastrukturen und IT-Ressourcen innerhalb eines Konzerns oder von Partnerunternehmen zurückzugreifen, um Kosten- und Effi zienzvorteile zu erzielen.

In Zeiten starken Wettbewerbsdrucks müssen Banken effizienter arbeiten, um dauerhaft profitabel zu bleiben. Es bleibt darüber hinaus spannend, wie den Privatbanken der Sprung in das Online-Zeitalter gelingt und wie sie eine Verbindung zwischen dem traditionellen Private Banking und der Nutzung von Online- und Mobile Services schaffen werden. Hier sehen die Autoren der bereits erwähnten Boston-Consulting-Studie in den kommenden Jahren die Herausforderung, gerade die jüngere Generation als Kunden zu gewinnen.

Vermögensverwalter müssen daher ihr Leistungsangebot und ihre Geschäftsmodelle kontinuierlich weiterentwickeln, um in einem hart umkämpften Markt mit immer mehr Teilnehmern und einem sich ständig verschärfenden Wettbewerb erfolgreich zu bleiben - für ihre Kunden, aber auch für sich selbst. Die fast tägliche Berichterstattung in den Medien über gestiegenen Kostendruck und notwendige Sparmaßnahmen ist nur ein Indiz dafür, dass der Markt weiter in Bewegung bleibt. Zu den Herausforderungen auf der Kostenseite, beispielsweise durch moderne und flexible Informationstechnologie, gehören nicht zuletzt die Umsetzung der veränderten komplexeren regulatorischen Rahmenbedingungen.

Steigende regulatorische Anforderungen

Beispiele sind insbesondere die erweiterten Anforderungen im Zusammenhang mit der Erstellung von Beratungsprotokollen, die Dokumentation und Kontrolle von Vertriebsvorgaben sowie die im Zuge von MiFID II verschärfte Nachsorgepflicht in der Anlageberatung. Gleiches gilt für das neu eingeführte zentrale Beraterregister der Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin. Insgesamt wird die Beratung durch die Vielzahl an Auflagen notwendigerweise ein Stück weit formalisierter. Prozesse müssen neu strukturiert und eingerichtet werden, um alle Regeländerungen so kundenorientiert, aber auch so effizient wie möglich umzusetzen. Der Schlüssel zum Erfolg in der privaten Vermögensverwaltung liegt daher in einer anpassungsfähigen und zukunftsorientierten IT, der größtmöglichen Sorgfalt bei der Umsetzung der neuen Anforderungen sowie in der höchsten Qualität bei der kundenindividuellen Beratung.

Fußnoten

1) The Boston Consulting Group (2013), Global Wealth 2012: The Battle to Regain Strength.

2) Statistisches Bundesamt, Sektorale und Gesamtwirtschaftliche Vermögensbilanzen 1991 bis 2011.

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