Kreditwesen aktuell

Frage an Bernd G. Adam - Paris kämpft! Kämpft Frankfurt?

Über mangelnden Diskussionsstoff können sich die Beobachter von Börsen
in Europa in den letzten Monaten und Jahren wahrlich nicht beklagen.
Das Thema Deutsche Börse und LSE überdauerte vier Jahre und ging mit
einem Paukenschlag zu Ende. Der Schauer bleibt unvergessen, der einem
bei dem Gedanken über den Rücken lief, in Frankfurt bliebe nur der
Neue Markt und der Rest der geplanten "International Exchance (iX)
ginge nach London. Und die Tinte im Stammbuch ist noch feucht, in das
geschrieben wurde, dass ein CEO nicht Inhaber einer Firma sei, so dass
er Strategien für und mit aber nicht gegen seine Eigentümer zu machen
habe - deutsches Aktiengesetz hin, deutsches Aktiengesetz her.
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Diese Turbulenzen haben der Deutschen Börse wirtschaftlich nicht
geschadet. Sie ist zum größten Börsenbetreiber nach der
Marktkapitalisierung weltweit geworden. In Niederlanden dagegen wird
man andere Erinnerungen wach halten mögen, so zum Beispiel dass bei
Gründung von Euronext getroffene personelle Abmachungen durch den
Zeitenverlauf an Kraft zu verlieren scheinen, zumindest in bestimmten
Kulturkreisen in Europa.
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[Gewinner und Verlierer]
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Was wir aus den derzeit laufenden Prozessen um Deutsche Börse,
Euronext und NYSE dereinst an Erfahrungen bilanzieren werden können,
ist noch offen, da alles noch zu sehr im Fluss ist und das Ergebnis
noch nicht festliegt. Aber gewisse Analogien mit iX sind nicht von der
Hand zu weisen, nur dass es hier nicht darum geht, dass Frankfurt
verliert und London gewinnt, sondern dass diesmal eher Paris der
Gewinner werden könnte, wenn sich der Verhandlungsprozess wie bisher
weiter entwickeln sollte.
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Der Streit um die richtige Strategie der Deutsche Börse wird in der
Börse, aber auch außerhalb davon geführt. Dies liegt nicht zuletzt
auch daran, dass eine Börse zwar eine Firma ist, vor allem nach ihrer
Demutualisierung und dem vollständigen Going Public, aber eben doch
nicht eine Firma wie jede andere. Dies zeigt sich in dem Zielbündel,
dem sich eine Börsenstrategie zu verpflichten hat, will sie nachhaltig
erfolgreich sein. Für die Deutsche Börse heißt dies:
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- Ihre Strategie hat den Shareholder Value zu vergrößern,
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- sie muss die Effizienz der europäischen Cross-Border-Geschäfte
erhöhen, die als so ineffizient beklagt werden, dass das Schicksal der
Ökonomien des alten Kontinents mit der Lösung dieses Problems auf dem
Spiel zu stehen scheint, und
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- sie muss selbstredend den eigenen Finanzplatz stärken, damit sein
Beitrag zum Sozialprodukt in Deutschland ein international
vergleichbares Niveau erreichen kann, was ja über den europäischen
Marktintegrationsprozess und den Euro ganz Europa wieder zugute käme.
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Damit liegt der Maßstab fest, Börsenstrategien zu bewerten. Falsche
oder ineffiziente Börsenstrategien weisen Zielkonflikte auf oder
erfüllen keines der oben genannten Ziele. Nur eine Börsenstrategie,
die alle drei Ziele gleichermaßen erfüllt, kann als akzeptabel
bezeichnet werden. Derartige Börsenstrategien gibt es nicht zuhauf,
sondern sie sind wertvolle Unikate, die meist auch noch mit einem
engen Zeitfenster verbunden sind. Es gilt also auch hier: "Wer zu spät
kommt, ... ". Der Anspruch an eine effiziente Börsenstrategie für die
Deutsche Börse ist somit sehr hoch. Dies ist die Lust und die Last,
größter Börsenbetreiber weltweit zu sein.
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Governance
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Eine Kernfrage ist die Governance. Wie gesagt: Eine Börse ist nicht
eine Firma wie jede andere. Deshalb genügt es bei der Governance
nicht, das Verhältnis zwischen Eigner und Manager der Firma so zu
gestalten, dass der Shareholder Value nachhaltig maximiert wird.
Selbst nach der Demutualisierung aller Börsen in Europa, was
bekanntermaßen im Moment und unter Umständen auf absehbare Zeit noch
nicht gegeben sein wird, kann eine fusionierte Börse in Europa solange
nicht wie eine normale Firma geführt und kontrolliert werden, solange
wir nicht die vereinigten Staaten von Europa mit einem einheitlichen
Rechtsraum, Steuerraum, Kulturraum, Sprachraum et cetera haben.
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Es bleiben bis dahin weiter national dominierte Kapitalmärkte mit
allerdings suprabeziehungsweise internationaler Bedeutung, deren
Agenten die Börsen am jeweilige Platz sind. Die Börsen vertreten die
Interessen ihrer Marktteilnehmer am Platz, selbst nachdem diese alle
ihre Anteile an der Börse verkauft haben, also der Investoren, Issuer
und Intermediäre.
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[Deutsche Interessen müssen gewahrt bleiben]
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Man kann Börsenbetreiber fusionieren. Aber eine Fusion zum Beispiel
des französischen Kapitalmarktes mit dem deutschen Kapitalmarkt ist
(noch) nicht möglich. Damit aber wird die Governance einer zum
Beispiel aus Euronext und DBAG fusionierten Börsen zu einem
nichttrivialen Thema und ist höchst komplex. Erfahrungen liegen aus
anderen Industriebereichen wie zum Beispiel der chemischen und
Pharma-Industrie (Sanofi, Aventis) sowie der Flugzeugbau-Industrie
(EADS) vor.
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Wer vertritt die Interessen der deutschen Kapitalmarktteilnehmer? Wie
groß werden die Versuchungen sein, über eine gesteuerte Inferiorität
des Betreibens des deutschen Kapitalmarktes deutsche
Kapitalgesellschaften im Vergleich zum Beispiel zu französischen
Kapitalgesellschaften zu benachteiligen, wenn die Governance
asymmetrisch sein wird und derartige Maßnahmen ermöglicht? Und wenn
dann diese beiden Kapitalgesellschaften im Vergleich Wettbewerber oder
sogar Teil eines Fusionsdeals sind? Und dies im Zusammenspiel mit
einem Kulturkreis, der eine eigene höchst ausgeprägte
merkantilistische Tradition hat, in der der Staat nicht aufgehört hat
und auch nicht aufhören wird, direkt oder sophistizierter indirekt
Einfluss auf die Geschäftspolitik zu nehmen? Management und
Aufsichtsrat der Deutschen Börse stehen bei der Abwägung dieser Fragen
vor erheblicher Herausforderung.
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Die Erfahrungen mit Cross-Border-Börsenfusionen zeigen anhand von
Euronext, dass der stärkere Partner das neue Konstrukt beherrscht.
Dies wird nur akzeptiert und funktioniert nur, wenn die Gruppe der
fusionierten Börsen einen großen Partner und eine Reihe deutlich
kleinerer Partner aufweist. Was aber geschieht in dem Fall, wenn zwei
gleich große Partner zusammengehen? Wer beherrscht das neue Konstrukt?
Die Governance muss die Machtverhältnisse dokumentieren. Wenn diese
aber nicht eindeutig geklärt sind, dann wird die Governance
ineffizient zulasten der Marktteilnehmer. Dies bedeutet aber im
weltweiten Wettbewerb der Börsen, dass ein derartiges Konstrukt mit
einer inferioren Governance starke wettbewerbliche Nachteile aufweisen
wird.
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[Senior- oder Junior-Partner]
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Die bisherige Diskussion zwischen Euronext und DBAG zeigt, dass hier
der Knackpunkt liegt, und dass es keine effiziente Lösung dafür geben
kann, außer einer der Partner übernimmt freiwillig den Part des
kleinen Partners und überlässt dem Anderen den Führungsanspruch. Die
Diskussion über das vertikale Silo der Deutschen Börse, dessen
Zerschlagung die französische Seite als Vorbedingung für weitere
Gespräche verlangt, scheint vielmehr als das Mittel zu dienen,
frühzeitig die Rolle des Junior-Partners mit den gewaltigen
Konsequenzen für die Governance zu entscheiden.
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Natürlich hat auch Euronext ein vertikales Silo, schon allein, um eine
effiziente Wertschöpfungskette anbieten zu können. Nur sie verwenden
andere Verträge als die Deutsche Börse. Die Deutsche Börse hat klar
strukturierte Eigentümerverträge, die außen Stehenden transparent
sind. Die Euronext hingegen hat langfristige Lieferverträge,
personelle Verflechtungen und Minderheitsbeteiligungen, deren
Zusammenwirken außen Stehenden nicht transparent ist und die de facto
wie ein vertikales Silo wirkt.
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Die Governance-Problematik führt uns zu der Frage, ob Börsenfusionen
überhaupt das geeignete Mittel sind, die Effizienz der Börsenfunktion
insbesondere Cross Border zu erhöhen. Das Hauptargument, das meistens
verwendet wird, ist die Fixkostendegression der Handelssysteme. Wenn
man dieses Argument rein produktionstechnisch betrachtet, dann geht es
darum, den Load eines Systems zu erhöhen, so dass die Stückkosten bei
gegebenen Fixkosten dadurch sinken können.
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Um Load auf ein Handelssystem zu bringen, gibt es aber auch andere
Wege als eine Börsenfusion. Viele Börsen in der Welt, die am Anfang
der Elektronisierung stehen, sind bereit, existierende Systeme
einzusetzen. Dies nutzen die Euronext, die DBAG aber auch andere wie
zum Beispiel OMX. Sie verkaufen respektive lizensieren ihre
Handelssysteme und schaffen somit Load. Eine Fusion wirkt demzufolge
in diesem Bild fast wie das sprichwörtliche "mit Kanonen auf Spatzen
schießen".
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Strategisch problematisch wird das Argument der Börsenfusion wegen der
hohen Fixkosten der Handelssysteme, wenn argumentiert wird, dass eine
Börse ein veraltetes Handelssystem hat, so dass sie unbedingt mit
einer anderen Börse fusionieren muss, um wieder voll funktionsfähig zu
sein. In diesem Fall muss man dem Management dieser Börse den Vorwurf
machen, dass sie ihre eigentliche Führungsaufgabe nicht wahrgenommen
hat. Der einzige richtige Weg aus dieser Situation wäre dann aber, das
Management schnell auszuwechseln und ein neues Management einzusetzen,
das seine ganze Kraft dafür verwendet, das System auf den neuesten
Stand zu bringen, um das wertvollste Asset einer Börse, neben ihren
Kunden das Handelssystem, wieder wettbewerbsfähig zu machen.
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Eine Fusion wäre in diesem Bild lediglich nur noch der Offenbarungseid
des Managements, dass es auch diesen letzten Weg nicht in der Lage ist
zu bewerkstelligen. Die Firma Börse würde aufhören zu existieren und
verschwände vom Markt, so wie viele Firmen den Markt verlassen müssen
und dieses "den Markt verlassen" geschieht dann häufig durch eine
Fusion. Ist dies das Bild der derzeitigen Diskussion der möglichen
Fusion zwischen Euronext und DBAG? Hoffentlich nicht. Wenn nicht, dann
sollte aber keiner sagen, dass Xetra veraltet sei und deshalb zur
Disposition stehe.
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Cross Border
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Die Ursprünge der Börsenkonsolidierung in Europa liegen in der
Lissabon-Agenda der EU, in der das Ziel formuliert wurde, den
europäischen Kapitalmarkt als Gesamtheit so effizient zu machen, wie
zum Beispiel den US-amerikanischen Kapitalmarkt, um dadurch die
europäischen Kapitalkosten zu reduzieren und damit das Wachstum in
Europa besonders zu fördern. Europa sollte die Wachstumszone Nummer
eins in der Welt und die Börsenkonsolidierung ein Hauptinstrument
sein. Wenn man diese Zielsetzung Ernst nimmt und Ziele und Mittel
genau analysiert, dann kommt man zu interessanten Schlussfolgerungen,
nur nicht, dass das Heil in Europa in Börsenfusionen liegt.
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Was Europa von USA unterscheidet, sind die hohen
Cross-Border-Transaktionskosten zwischen den europäischen Ländern. Die
Domestic-Strukturen in Europa sind höchst effizient und in vielen
Ländern trotz deutlich geringerer Volumina fast ebenso effizient wie
in den USA, vielfach gerade bei den Börsen sind sie den
US-Wettbewerbern überlegen. Es stimmt, dass Europa keine effiziente
Cross-Border-Infrastruktur hat. Diese Aufgabe haben die Agent-Banken
übernommen. Sie haben die Lücke gefüllt, die die nationalen
Infrastrukturen bis heute haben entstehen lassen. Sie erst haben den
Aufschwung des Cross-Border-Geschäftes ermöglicht und eine hohe
Wertschöpfung zur Verfügung gestellt, trotz der hohen Barrieren beim
Grenzübertritt. Weil aber die Agent-Banken so erfolgreich und
effizient waren, haben sie sich Quasi-Monopol-Strukturen aufbauen
können. Ihre Monopolstellung nutzen sie nun weidlich aus. Hier sind
somit die hohen Cross-Border-Kosten zu suchen, die bis in die höchsten
EU-Politik-Kreise Kopfschmerzen verursachen.
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[Agent-Banken ersetzen]
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Aber nun werden die Barrieren Stück für Stück abgebaut, nicht zuletzt
Dank des Giovanini-Reports. Folglich müssen nun die
Cross-Border-Infrastrukturen als Vernetzungen zwischen den nationalen
Infrastrukturen so aufgebaut werden, dass Cross-Border-Transaktionen
so effizient prozessed werden können wie Domestic- Transaktionen, um
die kostentreibenden Agent-Banken zu ersetzen. Letztere sollten sich
aus dem Infrastrukturgeschäft heraushalten und sich auf ihre
Bankfunktionen als Finanzierer und Risikoträger auch im europäischen
Cross-Border-Geschäft konzentrieren. Dafür müssen aber auch nun die
nationalen Infrastrukturen die Cross-Border-Infrastrukturen aufbauen
und somit ihren Beitrag zur Lösung des europäischen
Cross-Border-Problems leisten.
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Am Ende gewinnen alle: Die Marktteilnehmer durch geringe
Transaktionskosten, was sie mit einem stark steigenden Volumen
belohnen werden. Und die Serviceanbieter durch ein stark steigendes
Geschäft, wobei selbst die Agent-Banken netto gewinnen werden, weil
ihr stark steigendes Bankgeschäft im Rahmen des
Cross-Border-Geschäftes die Geschäftsverluste aus dem Rückzug aus der
reinen Infrastruktur mehr als kompensiert.
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Zu glauben, dass Börsenfusionen das europäische Cross-Border-Problem
lösen, zeugt von einer nur partikularen Betrachtung der Problematik.
Selbst wenn alle Börsen und die entsprechenden CSDs in Europa
fusionieren sollten, bleiben die Grenzen zwischen den Märkten
erhalten, auch wenn die Systemübergänge zwischen den Ländern
effizienter wären. Aber es übersteigt die Vorstellungskraft, den
Gedanken von Börsenfusionen als Lösung des europäischen
Cross-Border-Problems zu Ende zu denken, wenn man an die 25 oder mehr
Börsen und CSDs denkt. Das Ziel der effizienten
Cross-Border-Infrastruktur in Europa ist klar, aber der Weg über
Börsenfusionen scheint illusorisch und strategisch gefährlich zu sein.
Ist den handelnden Akteuren, die derzeit über weitere Fusionen in
Europa öffentlich raisonieren (Euronext, Mailand, unter Umständen
Madrid et cetera), bewusst, dass sie sich auf einem problematischen
Pfad bewegen und dass die Amerikaner die Nutznießer sein werden?
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Man muss den Amerikanern ironischerweise eigentlich fast dankbar sein.
Sie haben den engen Fokus auf Europa, die europäische Nabelschau, ad
absurdum geführt. Das Lissabon-Ziel ist ehrenhaft, es gilt aber nicht
nur für Europa, sondern global. Und selbst wenn sich Europa dabei
wieder nur auf sich selbst zurückzieht, kann das Lissa-bon-Ziel nicht
alleine in Europa, sondern nur global erreicht werden. Wenn Europa in
der Welt von morgen Bedeutung haben will, muss es der Welt etwas
Besonderes bieten. Es muss sich spezialisieren. Dann aber wird Europa
auch interessant für Investoren aus der ganzen Welt, auch viel
interessanter für Investoren außerhalb Europas als für europäische
Investoren.
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[Ein globales Problem]
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Umgekehrt bedeutet dies, dass europäische Investoren auch und vor
allem außerhalb Europas investieren. Damit aber stehen die globalen
Cross-Border-Geschäfte genauso auf der Agenda auch der Europäer wie
das europäische Cross-Border-Geschäft. Die Konsolidierung der Börsen
und der Post-Trade-Entitäten ist somit ein globales Problem. Mit dem
Eintritt der Amerikaner in Europa muss dies jedem Entscheidungsträger
in Deutschland und Europa klar geworden sein. Eine rein europäische
Börsenstrategie ist inferior und schadet letztendlich Europa und
seinen Hauptfinanzplätzen mehr als dass es ihnen nutzt. Die
Konsolidierungsstrategie muss somit global angelegt sein und dabei
Europa als Spezialproblem ebenfalls effizient lösen.
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[Innovation und Finanzplatz]
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Stellt sich die Frage, wie sich ein großer europäischer
Börsenbetreiber in diesem Szenario der globalen Konsolidierung mit
impliziter europäischer Konsolidierung verhalten soll? Hier muss man
neben der Frage nach der Fixkostendegression der Handelssysteme eine
weitere strategische Dimension in das Börsengeschäft einführen. Es ist
die Dimension des Wettbewerbs durch Innovation.
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Es sind derzeit zwei Wachstumsfaktoren bei den Börsen festzustellen.
Einmal ist es die Automation. Steigende Automation der Börsen führt zu
sinkenden Kosten und im Wettbewerb zu sinkenden Preisen. Dies erhöht
das Transaktionsvolumen durch die Benutzer. Daneben ermöglicht die
zunehmende Automation der Börsen, dass auch die Nutzer ihren
Automationsgrad erhöhen können. Stichworte sind Algorithmic Trading.
Dies führt zu veränderten Trad-ing-Strategien der großen Marktspieler
und darüber zu weiter steigenden Transaktionsvolumina. Die Börse
wächst und wird profitabler. Die hohen Börsenbewertungen an den Börsen
legen davon ein Zeugnis ab.
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Zusätzlich wird dieser Wachstumstrend von der Innovationsrate einer
Börse überlagert, insbesondere wenn sie sowohl Kassa- als auch
Derivativenmärkte betreibt. Angesichts einer sich schneller wandelnden
Welt in der Zukunft wächst der Bedarf der Marktteilnehmer an
handelbaren Verträgen, die es ihnen erlauben, ihre
Ertrags/Risikoprofile zu optimieren und sich auf neue Szenarien und
Situationen durch das Einnehmen von Positionen einzustellen. Man kann
sagen, dass dieser Bedarf nach neuen Börsenprodukten zunimmt und keine
Grenzen sieht. Börsen, die ihre Innovationskraft einsetzen, um diesen
Bedarf schneller und in größerem Maße als ihre Konkurrenten
aufzunehmen und mit Produkten zu befriedigen, werden ihren
Wachstumspfad erhöhen und ihren Shareholder Value weiter steigern
können.
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Innovationen aber verlangen neben der Degression der hohen Fixkosten
von Innovationen auch die kreative Fähigkeit zu Innovationen. Die Wahl
des richtigen strategischen Partners an dieser Stelle dürfte anders
ausgehen als die Wahl aufgrund der Economies of Scales der
Handelssysteme. Man braucht somit Partner, die innovativer sind als
andere. Und man braucht große Märkte, damit die Fixkosten der
Innovationen so breit verteilt werden können, dass die
Eintrittsbarrieren in neue Märkte für einen selbst möglichst gering
und für die Wettbewerber möglichst hoch sind.
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Damit ist die Ökonomie einer transatlantischen Partnerschaft
skizziert. Der Weltmeister als Innovationsbörse kann nicht alleine in
Europa gebacken werden. Es wird eine Partnerschaft über die Zeitzonen
und die Wachstumsmärkte sein. Kommt eine derartige Partnerschaft
zustande, dann agiert und wirkt sie wie ein globales
Gravitationszentrum, das weitere attraktive Partner anzieht.
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[Innovative Partner]
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Das Bild der Innovationsfunktion der Börse im Vergleich zur
Technologiefunktion der Börse hat erhebliche strategische
Konsequenzen. Nicht nur dass die Partnerwahl davon maßgeblich
beeinflusst wird. Auch und vor allem der Heimatplatz der innovierenden
Börse, also Frankfurt für die Deutsche Börse, profitiert von der
Innovationsfunktion. Neuerungen bedeuten Knowhow und dies impliziert
höchstqualifizierte Arbeitsplätze, wie die Finanzplätze in New York
und London eindrucksvoll beweisen.
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Um des Wettbewerbs Willen wird es mehrere globale Gravitationszentren
geben, die um den Titel der besten Innovationsbörse global streiten
werden. Das Bild der "Europäischen Börse", die im Wettbewerb liegt mit
der "Amerikanischen Börse" und der "Asiatischen Börse", scheint nicht
sehr hilfreich zu sein. Es werden drei bis fünf globale
Gravitationszentren sein, die global um den Titel kämpfen. In diesem
Bild muss sich eine kleine Börse, ob in Europa oder in Asien,
überlegen, mit welchem Gravitationszentrum sie kooperieren will, um
ihre Fixkosten zu reduzieren und an den Innovationen partizipieren zu
können. Und eine große Börse, ob in USA, in Europa oder in Asien, muss
sich überlegen, mit welchem Gravitationszentrum sie aktiv zusammen
arbeiten will. Und die größten Börsen der Welt müssen entscheiden, mit
wem sie ein eigenes Gravitationszentrum gründen und zum Erfolg führen
wollen.
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[Gravitationszentren]
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Letzteres ist die von der Deutschen Börse zu beantwortende Frage und
nicht, ob es eine europäische Lösung gibt durch Fusion aller
europäischen Börsen, was es vermutlich kaum geben kann und wird. Die
Deutsche Börse als der größte Börsenbetreiber der Welt aus der
weltweit drittgrößten Volkswirtschaft kann sich nicht damit begnügen,
der de facto Juniorpartner in einer Partnerschaft mit einem
Wettbewerber zu sein, der eine komplexe Governance einbringt und deren
gemeinsame Governance noch komplizierter wird. Die europäische Lösung
für das Cross-Border-Geschäft ist Teil der globalen Lösung des
Cross-Border-Geschäftes. Direktes Ziel ist es aber, wettbewerbliche
Gravitationszentren innovativer Börsenbetreiber zu etablieren, die der
reifen Industrie der Börsen neues Leben einhauchen und zu einem
weiteren langen und sehr dynamischen Leben verhelfen.
\
In diesem Bild darf eine weitere wichtige Dimension nicht übersehen
werden, die Regulation. In dieser Frage wurde in neuester Zeit viel
diskutiert und bei weitem noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Risiken für europäische Märkte, sich mit US- Börsen als Partner
einzulassen, sind aber existent. Dies gilt um so mehr, als die
Erfahrung der letzten Jahre gezeigt hat, dass Regulation und
Marktakteure in einem fast geschlossenen System miteinander
kommunizieren. Die Regulation kann also gar nicht a priori sagen, was
sie in Zukunft tun wird oder nicht tun wird, weil sie nicht weiß, was
die Marktakteure tun oder nicht tun werden. Marktakteure aber sind
innovativ und werden dadurch auch von den innovativen Börsen
unterstützt.
\
Somit kann heute niemand definitiv sagen, ob die US-Regulation nicht
doch auf europäische Märkte greift, wenn sie der Meinung ist, dies tun
zu müssen, um ihren Job gut zu machen. Diesem Regulationsrisiko der
europäischen und anderer Märkte kann in einer transatlantischen
Partnerschaft nur begegnet werden, wenn das globale
Gravitationszentrum europäisch beherrscht und geführt wird. Dazu aber
braucht es europäischer Champions. Hier können also nur die größten
europäischen Börsen mit berechtigtem Anspruch an die Gründung eines
globalen Gravitationszentrum denken. In diesem Bild ist es somit fast
die Pflicht der Deutschen Börse, ihre derzeitige
Management-Fehlallokation im Rahmen der Verhandlungen mit der Euronext
zu beenden und ihre Assets in die beste Verwendung zu bringen, in dem
sie ein eigenes globales Gravitationszentrum gründet und beherrscht.
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Diese Strategie erfüllt alle drei Ziele, die oben formuliert sind, in
bester Weise. Sie erhöht den Shareholder Value der Deutschen Börse, da
sie zur innovativsten Börse mit den höchsten Wachstumspotenzialen
wird. Sie verbessert die Effizienz des europäischen
Cross-Border-Geschäftes, indem sie Cross-Border-Infrastrukturen
zwischen ihren europäischen Partnern aufbaut. Und sie stärkt den
Finanzplatz, da dieser zum europäischen Zentrum des erfolgreichsten
globalen Gravitationszentrum wird, den Anteil des Finanzplatzes an der
gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung auf internationales Maß erhöht
und indem sie dazu beiträgt, dass die Kapitalkosten in Deutschland und
den anderen Partnern im Gravitationszentrum besonders gering werden,
was das Wachstum in Deutschland und den Partnerländern erhöht, das
Lissabon-Ziel also ebenfalls erfüllt.
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[Mit aller Kraft]
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Es sollte nicht sein, dass die größte Börse der Welt von diesem
Anspruch freiwillig zurücktritt im vermeintlichen Dienste einer
höheren Sache, die keiner benennen kann. Sie hat das Recht und die
Pflicht zu einer derartigen Börsenstrategie. Und was Frankfurt
anbelangt, so muss der Platz mit allem was er aufzubieten hat, um
seine Stellung in der Welt und in Europa kämpfen. Er hat nicht den
Luxus von London mit der City, die auf Basis eines ererbten und
fairerweise auch erarbeiteten Agglomerationseffektes immer gewinnt, ob
sie andere Börsen kauft oder ob sie ihre Börse verkauft. Da also für
Frankfurt der Kampf unabdingbar erforderlich ist, muss er mit aller
Kraft geführt werden. Börsenstrategien, die Zielkonflikte aufweisen,
sind für Frankfurt abzulehnen. Nur Börsenstrategien, die alle drei
Ziele erfüllen, sind superior.
\
Die Zwischenüberschriften in Klammern sind von der Redaktion
eingefügt.

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