Gespräch des Tages

Finanzstabilität - Sorge um Liquidity Swaps

In ihrem jüngsten Finanzstabilitätsbericht stuft die Deutsche Bundesbank die europäische Staatsschuldenkrise nach wie vor als größte Gefahr ein, sieht aber auch in dem derzeitigen Niedrigzinsumfeld einschließlich gewisser Übertreibungen an den Immobilienmärkten sowie dem Schattenbankensystem durchaus Bedrohungspotenziale (siehe Kreditwesen 23/2012, S. 1204 f.). Darüber hinaus nennt die Zentralbank noch weitere Faktoren, die die Stabilitätslage im deutschen Finanzsystem sowohl belasten als auch entschärfen. Scheinbar nur am Rande beschreibt die Bundesbank darüber hinaus eine weitere Gefahr, die sich ebenfalls zu einer realen Bedrohung ausweiten kann, nämlich die potenzielle Ansteckung zwischen Banken- und Versicherungssektor über Liquidity Swaps.

Bei dieser speziellen Form von Tauschgeschäften werden beispielsweise eher illiquide Wertpapiere von Kreditinstituten gegen hochliquide Wertpapiere von Versicherungsunternehmen zeitlich befristet und mit einem Abschlag versehen getauscht. Während die Banken die derart geliehenen Wertpapiere einsetzen können, um regulatorische Liquiditätsanforderungen zu erfüllen oder die kurzfristige Refinanzierung zu besichern, können Versicherer durch den befristeten Tausch die Verzinsung ihrer Kapitalanlagen erhöhen. Da die Liquidity Swaps systemische Risiken in sich bergen können, stuft sie die Bundesbank als potenzielle Gefahr ein: Zum einen kann eine solche Verflechtung zwischen Banken- und Versicherungssektor die Ausbreitung von Schocks im Finanzsystem beschleunigen. Zum anderen ist eine prozyklische Wirkung von Liquidity Swaps denkbar, beispielsweise wenn Risikoabschläge von der (Markt-)Bewertung der getauschten Sicherheiten abhängen. Auch auf europäischer Ebene stehen die Regulatoren diesen Derivaten eher skeptisch gegenüber. So betonte der Vorsitzende der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungs wesen und die betriebliche Altersversorgung (European Insurance and Occupational Pensions Authority, EIOPA) die notwendige Überwachung von Liquidity Swaps im Zuge der Auseinandersetzung mit der Finanzkrise während einer Anhörung vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des EU-Parlamentes. Die britische Financial Ser vices Authority (FSA) hat sogar ihren Warnungen Taten folgen lassen und bereits bei einigen Transaktionen interveniert.

Die jüngsten Warnungen von Bundesbank, FSA und EIOPA scheinen aktuell nicht ganz unbegründet, denn die Liquidity Swaps erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Sie sind nämlich wie geschaffen dafür, die zukünftigen Anforderungen der Liquidity Coverage Ratio (LCR) einzuhalten. Obwohl die neuen Liquiditätsregeln gemäß Basel III voraussichtlich erst 2015 in Kraft treten, versuchen einige Institute bereits heute, diese LCR auszuhebeln. Für den asiatischen Markt etwa - so wurde im Rahmen des Asia Risk Congress 2012 in Hong Kong festgestellt - ist bereits eine deutliche Zunahme der Liquidity Swaps feststellbar.

Für Deutschland schätzt die Bundesbank die Gefahr dieses speziellen Marktsegments noch als gering ein. Die Liquidity Swaps leisteten bei den entsprechenden Versicherungsunternehmen bislang nur einen geringen Beitrag zum jeweiligen Bruttoeinkommen aus Kapitalanlagen. Darüber hinaus lag der Anteil der Liquidity Swaps mit Versicherungsunternehmen gemessen am Bestand dieser Geschäfte Ende 2011 durchschnittlich bei unter 0,5 Prozent. Gleichzeitig muss die Zentralbank jedoch zugeben, dass die Transparenz dieses Marktsegments nach wie vor sehr gering ist. Eine verbesserte Datenlage in Form von Offenlegungsund Berichtspflichten könnte deshalb dazu beitragen, ein systemisches Risikopotenzial genauer zu identifizieren. Als außenstehender Beobachter ist man trotzdem geneigt, auf diese Entwicklungen mit einem gewissen Kopfschütteln zu reagieren. So kämpfen die Banken nach wie vor darum, die angegriffene Reputation und das verloren gegangene Vertrauen zurückzuerhalten, sind aber gleichzeitig wieder äußerst erfinderisch bei der Umgehung regulatorischer Anforderungen mit Hilfe von Finanzinstrumenten mit systemischem Risikopotenzial.

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