Leitartikel

Finanzstabilität - Unter besonderer Beobachtung

Ihre Position in Sachfragen versteht die Deutsche Bundesbank sehr wohl zu artikulieren. Das gilt für die nationale und internationale Gremienarbeit wie für den Umgang mit der Öffentlichkeit. Wenn sich eine kontroverse Diskussion abzeichnet, so spricht sie ihre Sicht der Dinge durchaus offensiv an. Gegen wen sie sich mit ihrer Argumentationslinie wendet, überlässt die Notenbank dabei aber zuweilen der Interpretation des geübten Beobachters. Denn in Wahrnehmung ihrer Aufgaben scheut sie ähnlich wie viele Verbände die Einzelfallbetrachtung und ist zuweilen selbst dann noch um vornehme Umschreibung bemüht, wenn die Zuordnung nahezu eindeutig ist. Oft können diejenigen Interessengruppen und/oder Institute, die gemeint sind, aus der Argumentationslinie aber unschwer herauslesen, dass seitens der Bundesbank noch erheblicher Klärungsbedarf gesehen wird oder sie möglicherweise unter besonderer Beobachtung stehen. Fälle dieser Art fanden sich auch bei der Vorstellung des aktuellen Finanzstabilitätsberichtes 2010.

Als derzeit schwerwiegendste Gefährdung der Finanzstabilität hat die Bundesbank die europäische Schuldenkrise ausgemacht. Mit ihrem eindringlichen Appell zu einer Härtung der Fiskalregeln, einer intensiveren Überwachung der makroökonomischen Entwicklung in den Mitgliedstaaten sowie nicht zuletzt zur Einrichtung eines geregelten Krisenbewältigungsmechanismus bleibt sie insofern pragmatisch als sie mit neuen Maßnahmen keinesfalls krisenverschärfend wirken will und deshalb praktikable Übergangsfristen anstrebt. Aber ohne es explizit auszusprechen, bringt sie in den fünf Nebenbedingungen für den Krisenmechanismus zum Ausdruck, dass einige der derzeit diskutierten Maßnahmen zur Stabilisierung ihren entschiedenen Widerspruch hervorrufen. Die Forderung nach Beachtung des Haftungsausschlussprinzips, der Gewährung von eng befristeten Hilfeleistungen an einzelne Mitgliedstaaten nur im absoluten Ausnahmefall, an strikte Konditionen gebunden und nur für den drastischen, wenngleich auslegungsfähigen Fall der Gefährdung der Stabilität der Währungsunion insgesamt machen durchaus deutlich, was aus Sicht der Bundesbank unerwünscht ist. Konkret bedeutet das aus heutiger Sicht eine klare Absage an die vom Luxemburger Premierminister und Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, einmal mehr ins Spiel gebrachten Eurobonds und alle Instrumentarien, die in Richtung einer Transfergemeinschaft laufen - auch wenn das auf Dauer immer schwieriger durchzuhalten sein dürfte. Auch eine gewisse Enttäuschung über den Verzicht der europäischen Politik auf automatische Sanktionsmechanismen bei Verfehlung der Verschuldungskriterien lässt sich aus dem genannten Kriterienkatalog herauslesen.

Vergleichsweise übersichtlich ist die Liste der Adressaten mit Blick auf die Bankenstruktur. Wenn an dieser Stelle trotz einer leicht entspannten Risikolage und einem sinkenden

Wertberichtigungsbedarf 2010 und 2011 in der deutschen Kreditwirtschaft weiterhin von Verwundbarkeiten und strukturellen Schwächen gesprochen wird, so sind damit zum einen die Regionalbanken gemeint. Gleich mehrere Institute dieser Bankengruppe, so war es schon dem Monatsbericht September der Deutschen Bundesbank der Betrachtung zur Ertragsentwicklung zu entnehmen, haben in den Krisenjahren im Zinsüberschuss einen "extremen Rückgang" der laufenden Erträge verkraften müssen. Ein verbessertes Management der Zinsänderungsrisiken hat die Bundesbank deshalb im kommenden Jahr als "wichtigen Punkt auf der Risikolandkarte" aufgenommen. Bei den Landesbanken als zweiter maßgeblich betroffener Institutsgruppe belässt es Andreas Dombret auch im Interview in diesem Heft (siehe Seite 1328) zwar bei den bekannten Forderungen nach Entwicklung zukunftsfähiger Geschäftsmodelle und dem Abbau von Überkapazitäten, mahnt dabei bei den Verantwortlichen aber unmissverständlich einen höheren Reformwillen und ein höheres Reformtempo an.

Problemlagen, die die Bundesbank offensiv zur Sprache bringen will, gibt es auch im Aufgabenbereich von Franz-Christoph Zeitler. Bei allem Lob für die auf den Weg gebrachten Baseler Eigenkapitalregelungen fordert er zur Aufklärung der Öffentlichkeit auf und fängt seinerseits mit Blick auf Basel III gleich damit an: "Höhere Kapitalquoten und Kapitalpuffer bedeuten zunächst einen höheren Haftbeitrag der Eigentümer, bedeuten niedrigere Hebel und Risikobegrenzung. Sie bedeuten umgekehrt aber auch - jedenfalls kurzfristig - niedrigere relative Gewinne (niedrigere Eigenkapitalrenditen/Return on Equity). Es ist eine gemeinsame Aufgabe der Kreditwirtschaft, aber auch der Aufsicht und der Politik, diese Zusammenhänge aktiv zu kommunizieren; es geht darum, zu werben, dass ein stabileres und nachhaltigeres Finanzsystem mit höheren Eigenkapitalquoten und dafür niedrigerer Eigenkapitalverzinsung, aber dafür dauerhaft stabileren Erträgen und einer gefestigten Marktbewertung der Institute einhergeht." Wen er mit diesem Hinweis zur Eigenkapitalrendite wohl im Auge hat?

Mit gewisser Sorge beobachtet der für Banken und Finanzaufsicht zuständige Zeitler zudem eine gewisse Tendenz zu einem "Hochziehen von Zäunen", sprich einem bankaufsichtlichen Protektionismus. In vornehmer Zurückhaltung fallen auch an dieser Stelle keine konkreten Beispiele für das "ring fencing", doch es ist ein offenes Geheimnis, dass die Bundesbank neben Brasilien und Japan auch andere (westliche) Länder für anfällig hält, auf protektionistische Instrumente zu setzen.

Sehr am Herzen liegt der Bundesbank schließlich die angemessene Ausleuchtung und die aufsichtsrechtliche Erfassung des Schattenbankensystems. Mit der AIFM-Richtlinie wird auf diesem Feld zwar ein erster Ansatz gesehen. Aber wie in so vielen anderen Bereichen der Regulierung ist hier maßgeblich der politische Wille zur internationalen Harmonisierung gefragt. Die Erwartungen der Bundesbank klingen diesbezüglich ziemlich realistisch

- sprich wenig euphorisch. Sie ist in einem ersten Schritt mit einer verschärften Registrierungs- und Lizenzierungspflicht sowie umfangreicher Offenlegung gegenüber Aufsichtsbehörden und Investoren zufrieden und hofft auf die Effekte und die Öffentlichkeitswirkung einer verbesserten internationalen makroprudenziellen Überwachung. Es könnte dann künftig auch an dieser Stelle ein wenig mehr als bisher an der Bundesbank liegen, erkannte Schwächen je nach der gebotenen Dringlichkeit deutlicher als bisher in das Bewusstsein der Märkte und der Politik sowie bei Bedarf auch an die breite Öffentlichkeit zu bringen.

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