Gespräch des Tages

Bankenaufsicht - Größerer Ermessensspielraum

Ohne Frage, Banker haben es heutzutage nicht leicht. Die Imagewerte sinken etwa so schnell wie die Zinssätze, die Kunden werden ständig anspruchsvoller und regulatorische Auflagen nehmen seit Jahren spürbar zu. Der Tenor dieser Klagen ist altbekannt und wird ständig neu geübt, auch wenn die Verlautbarungen aus den verschiedenen Säulen der deutschen Kreditwirtschaft mit unterschiedlichen Nuancen und Lautstärken vorgetragen werden. Doch wie ist die Stimmung eigentlich in einem anderen - engstens mit der Branche verknüpften und zuweilen als Teil der Misere bezeichneten - Bereich, der Bankenaufsicht? Veranstaltungen zumindest, bei denen Aufseher referieren, sind dieser Tage echte Zugpferde. Auch wenn diese nur zu eher historischjuristischen Themen wie dem "Entstehen von bankenaufsichtlichen Standards gestern und heute" sprechen. So lautete die Headline von Sabine Lautenschläger, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, neulich beim Tax and Law Talk an der Frankfurt School of Finance.

Die Anforderungen an die Aufseher wachsen, das war einer der roten Fäden ihres Vortrages. Das hängt mit einer von Lautenschläger durchaus als richtig empfundenen Entwicklung zusammen: dem Trend hin zu einer mehr qualitativen ergänzend zur quantitativen Aufsicht. Anfang der neunziger Jahre gab es noch klare und tendenziell einfache Grenzen, die von den Banken eingehalten werden mussten - und an denen die Behörden sich festhalten konnten, so will man hinzufügen. Heute werden jedoch nicht nur Kennzahlen überwacht, sondern ganze Geschäftsmodelle auf ihre Plausibilität geprüft. Der Ermessensspielraum der Aufseher ist somit ungleich größer geworden und mithin auch die Ansprüche an dieselben. In einer Richtlinie mag beispielsweise stehen, eine Absicherung müsse "angemessen" erfolgen - dem wird freilich auch niemand widersprechen wollen - was aber genau angemessen ist und was nicht, das obliegt im Zweifelsfall den Aufsichtsbehörden. Dass diese prinzipienorientierte Herangehensweise den Druck auf die Aufseher erhöht, da sie die Komplexität ihrer Aufgaben massiv steigert und sie dadurch auch verpflichtet sind, ständig und schnell auf neue Entwicklungen im Markt zu reagieren, leuchtet sofort ein. Wenn dann gleichzeitig auch die Einzelfallregelungen dramatisch zunehmen, trägt das nicht zu einem Abbau von Kompliziertheit bei.

Um zu garantieren, dass dabei die Kriterien und Maßstäbe der Beurteilung nicht von Aufseher zu Aufseher, von Behörde zu Behörde und - größer gedacht - von Land zu Land oder Kontinent zu Kontinent, differieren, müssen sich die handelnden Personen und Behörden heutzutage auch stärker vernetzen. Im Sinne der auf den Weg gebrachten gemeinsamen europäischen Bankenaufsicht wird diese Vernetzung sicherlich stattfinden. Dass sich in diesem neuen Umfeld allerdings die von der Bundesbank befürwortete qualitative Aufsichtsphilosophie von Beginn an durchhalten lässt, ist eher fraglich. Denn dieser Tage lässt sich leicht beobachten, wie mühevoll es alleine ist, sich auf Definitionen, Prozesse und Kriterien der quantitativen Aufsicht zu einigen. Als Beispiel hierfür darf man das aktuelle Vorgehen der italienischen Zentralbank sehen: Nicht nur wurde der Wert der Zentralbankanteile, die zu einem Löwenanteil von Unternehmen des Finanzsektors gehalten werden, gerade massiv erhöht - selbstverständlich rein zufällig kurz vor dem Stresstest der European Banking Authority (siehe auch Bankenchronik, Seite 1126). Zudem gewährt die Zentralbank nun den Kreditinstituten Garantien auf ihre aktivierten latenten Steuerpositionen. Der qualitative Ansatz in der Bankenaufsicht mag kommen, in Europa jedoch erst in einem zweiten Schritt.

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