Gespräch des Tages

Finanzmarktkrise Warum erst jetzt?

Prof. Dr. Jürgen Singer, Universität Leipzig, schreibt der Redaktion:

"Wenn vom Präsidenten des Internationalen Bankenverbandes IIF die Absicht geäußert wird, , unsere Häuser selbst zu reinigen und dies nicht dem Gesetzgeber zu überlassen', dann fragt man sich, warum man die Häuser erst schmutzig gemacht hat. Die Antwort ist einfach: Subprime-Kredite, deren Verbriefung und die Weiterreichung an , Dumme' waren ein einträgliches Geschäft und sorgten für hohe Boni, insbesondere für Investmentbanker. Jetzt spürt man die Folgen für die eigene Bank und beginnt sich zu sorgen, dass man es zu lange und zu bunt getrieben habe. Wenn vom IIF darauf hingewiesen wird, , Wir haben die Fähigkeit, schnell und selbstständig mit dem Problem umzugehen', dann drängt sich unweigerlich die Frage auf, warum man diese Fähigkeiten nicht eingesetzt hat, um frühzeitig und verantwortungsbewusst der nun zu beobachtenden fatalen Entwicklung zu begegnen.

Ob es vor rund 20 Jahren, also noch zu Zeiten der Deutschland AG, auch zu solchen Umständen gekommen wäre? Ein ehemaliger Vorstand (Christians) der Deutschen Bank hatte sein Büro in der Düsseldorfer Filiale, die Börse Düsseldorf war noch lebendig, die WestLB befand sich erst am Beginn ihrer Metamorphose zur international tätigen Investmentbank: Hätte damals die Deutsche dem Kunden IKB auch so gekonnt die verbrieften Kredite , auf's Auge gedrückt'? Vermutlich hätte der Vorstand die Kollegen vor solchen Anleihen gewarnt. Damals, so meint man heute zu glauben, wurde noch seriös und verantwortungsbewusst als Banker agiert.

Sollte heute noch Wärme in der Geschäftsbeziehung zwischen Bank und Kunde entstehen, dann resultiert diese aus der Reibungshitze, wenn der Kunde , über den Tisch gezogen wird'. Das moralisch verwerfliche, das Investmentbanking charakterisierende Verhalten, wie es der DSGV-Präsident plakativ beschrieben hat, wäre früher so ausgeprägt vermutlich nicht erfolgt: Erst das Risiko liefern, Kreditlinien für die Risikotransformation einräumen und dann die Linien mit Hinweis auf die übernommenen Risiken streichen! Da hilft auch nicht das Sponsoring durch Gründung eines Lehrstuhls für Ethik und Nachhaltigkeit.

Nachhaltig war der Verkauf dieser verbrieften Immobilienkredite an die IKB auf keinen Fall. Eher könnte man das Taktieren der Investmentbanken als , Politik der verbrannten Erde' (siehe Oswald Hahn, 1977) bezeichnen. Die Geschäftsbeziehung zur IKB ist aufgrund des vermutlich unabwendbaren Exitus verloren! Wäre es also nicht besser gewesen, sich wie ein klassischer Banker zu verhalten? Dann hätte die Deutsche Bank zwar nicht exzessive Renditen aus dem Verkauf des , Subprime-Giftmülls' erzielt, die IKB könnte aber noch existieren und weitere Geschäfte mit der Deutschen tätigen. Aber diese anscheinend antiquierten Verhaltensweisen sind für 25 Prozent Eigenkapital-Verzinsung, steigende Marktkapitalisierung und exzessive Boni über Bord geworfen worden. Das Gegenstück des 25-prozentigen RoE und der Boni für die Dealmaker sind die Wertberichtigungen der IKB und verschiedener Landesbanken sowie der finanzielle Einsatz der KfW.

Es bleibt zu hoffen, dass ein solches Geschäftsmodell in Form von Risikotransformation für lange Zeit nicht mehr nachgefragt werden wird. Nicht nur die IKB, auch mittelständische Unternehmen oder Kommunen werden sich künftig kritischer fragen, wo in den angepriesenen Produkten wohl das Risiko liegt. Die Investmentbanker in London haben schon eine neue Zielgruppe ausgemacht: den deutschen Mittelstand! Ist das vielleicht eine Drohung? Nicht nur Landesbanken, auch manche Investmentbanken dürften in Zukunft ein modifiziertes Geschäftsmodell brauchen: Die Finanzmarktkrise trifft auch klug gemanagte Institute, die sich zwar kräftig im Verbriefungsmarkt engagierten, aber vornehmlich als Risikolieferant. Der Hebel für die etwas länger anhaltende Ertragsschwäche ist das wegbrechende Neugeschäft, denn lukrative Risikoverbriefungen, hoch geleveragete Übernahmefinanzierungen und M&A-Mandate sind für's erste vorbei. Bereits vor einigen Monaten äußerte ein italienischer Topbanker die Vermutung, dass die Risikoweiterleitung quasi unmöglich sei und das Privatkundengeschäft mehr Rendite erbringen müsse. Arme, bedauernswerte Privatkunden!

Auf jeden Fall sollte die Bankenbranche selbstständig das , Reinigen des Hauses IKB' übernehmen und rasch angehen. Warum überlässt die Financial Community das Wegräumen des Scherbenhaufens IKB der KfW und damit dem Steuerzahler? Es wirkt im Übrigen befremdend, wenn ehemalige Geschäftspartner sich über die IKB-Banker und deren Dummheit lustig machen."

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