Gespräch des Tages

Eurohypo - Demontage auf höchstem Niveau

Die Schönheitsideale in der Kreditwirtschaft ändern sich hin und wieder. Bemühten sich vornehme Institute vor noch nicht allzu langer Zeit, ihre Namhaftigkeit - wenn nötig unter Opferung der Margen und unter Inkaufnahme höherer Risiken - durch Massezunahme zu steigern, so tendiert das Bankgewerbe heute zu deutlich niedrigeren Body Mass Indices. Doch das Dilemma zwischen größtmöglichem Gewicht und maximaler Athletik ist nur schwer lösbar. So kommt der geneigte Beobachter nicht umhin, in einigen Fällen Symptome von Bilanzbulimie auszumachen, bei der Aktiva und Passiva erst organisch und/oder anorganisch aufgebläht werden, um sich anschließend wieder schlank zu hungern. Besonders auffällig ist dies bei der Bank mit der gelben Windrose, die schon lange versucht, das sich hartnäckig haltende Gerücht, sie sei ein leichtverdaulicher Übernahmekandidat, aus der Welt zu schaffen. Dass die fortgesetzte Nörgelei an Eigenkapitalausstattung und Rentabilität sowie die Zweifel an der Stand-alone- Fähigkeit nicht spurlos bleiben - wer könnte es verübeln?

Es ist durchaus auch in der Bankenwelt kein seltenes Phänomen, dass der Selbstzweifel nach Kompensationsvehikeln sucht. Das kann der größte Büroturm oder der größte Händlersaal sein - oder beides. Wirkungsvoller ist es, die eigene Gravitation durch mehr Gewicht zu erhöhen. Entsprechend lässt die Commerzbank seit nunmehr drei Jahren einen beachtlichen Heißhunger erkennen, bei dem aber offensichtlich mehr geschluckt wird, als verdaut werden kann. So wurde erst der eigene, als Ballast klassifizierte Immobilien- und Staatsfinanzierer mit den Spezialbanken zweier Wettbewerber zu einem bedeutenden Realkreditinstitut mit Sitz in Eschborn verschmolzen. Doch statt die neue Eurohypo wie geplant an der Börse zu vergolden, wurde sie zum Schnellimbiss der Commerzbank - allerdings nicht aus Liebe zum Hypothekarkredit. Vielmehr hatte sie die Hoffnung, dass eine fette Braut weniger Begehrlichkeiten weckt. Die Eurohypo hat die Frankfurter Geringschätzung stets gespürt und nie verwunden.

Dazu trug sicherlich auch bei, dass der gelbe Konzern schon damals die Mehrheit an der Hypothekenbank in Essen besaß, die Immobilienkredite jedoch allenfalls als Pflicht absolvierte und Staatskredite als Kür zelebrierte. Damit ließen sich - zumindest in der HGB-Welt - exzellente Renditen zeigen, die sich allerdings unter IFRS-Bedingungen und der anhaltenden Kapitalmarktkrise pulverisierten. Die notgedrungene Komplettübernahme der Essener erhöhte zwar die Konzernmasse der Commerzbank weiter, doch müssen die damit einhergehenden Risiken die Eschborner verarbeiten. Zudem kam die Integration des einstigen Wettbewerbers auch für die Eurohypo zu einem schlechten Zeitpunkt, weil ausgetrocknete Verbriefungsmärkte das Neugeschäft behinderten und Schwachstellen im Risikomanagement offenlegten.

Der Commerzbank bieten diese Probleme die nicht unwillkommene Gelegenheit, die zickige Tochter noch besser der Konzernräson zu unterwerfen. Dabei wird geschickt am Personalrad gedreht. Entscheidungsträger und Fachpersonal werden mit prestigeträchtigen Ämtern in die Frankfurter Zentrale gelockt, während die Vakanzen sogleich mit Frankfurter Getreuen besetzt werden. So verständlich und nachvollziehbar diese Personal- und Unternehmensstrategie aus Konzernsicht sein mag, so ist sie vielleicht doch nicht die klügste. Denn sie mehrt keinesfalls die Immobilienexpertise im Frankfurter Haupthaus, schwächt aber langfristig die Position der Eschborner im Wettbewerb und entwertet damit ein nicht unwesentliches Asset der Gruppe. Wer angesichts des personellen Ausblutens des Spezialfinanzierers vermutet hat, dass die Commerzbank an einer Fortführung des Staats- und Immobiliengeschäftes ohnehin nicht ernsthaft interessiert sei, sah sich jetzt durch die Äußerungen der Konzernführung bestätigt. Diese benutzt die eben eingefädelte Übernahme der Dresdner Bank, um die ungeliebten, weil unverstandenen Geschäftsfelder weiter zu beschneiden.

Aufgrund der momentanen Marktlage und der nicht allein durch die Eurohypo zu verantwortenden Probleme eine langfristige, strategische Entscheidung gegen die gewerbliche Immobilien- und Staatsfinanzierung zu treffen, zeugt nicht von Weitsicht. Dass ein Immobilienvorstand in dieser Situation das Rückgrat hat, die Demontage einer einst selbstbewussten Institution im Realkredit nicht mitzutragen, verdient Respekt. Ob die Berufung eines Risikomanagers zum neuen Immobilien-Konzernvorstand und eines im Immobilienhandel bewährten, ehemaligen Fondsmanagers an die Spitze der Eurohypo diese besser auf Erfolg trimmen, wird noch zu beweisen sein.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X