Gespräch des Tages

Euro - Ungleichgewicht, Moral-Hazard und Erpressungspotenzial

Wegen Verletzung des Bail-Out-Verbotes nach dem Vertrag von Lissabon hat der Jurist und Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Markus C. Kerber von der TU Berlin vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Und dieser Tage hat der Verfahrensbevollmächtigte für seine Mitstreiter Dieter Spethmann, Franz Ludwig Graf Stauffenberg und Joachim Starbatty erneut öffentlich die Stimme erhoben, die Hilfe für Irland keinesfalls auf dem Rücken der Steuerzahler auszutragen. Die Anstrengung einer hochrichterlichen Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen einer Beteiligung Deutschlands an der Irland-Rettung hat er bereits angekündigt.

In ihrer Außenwirkung haben solche Wortmeldungen einen unfreiwilligen Charme. Denn man kann sie sehr leicht als Fanal einer entschiedenen deutschen Position für eine Verteidigung eines starken Euro, für eine harte Linie gegenüber Griechenland, Irland und anderen Staaten sowie eine klare Absage gegen die EU als Transferunion ansehen. Im BMF jedenfalls residiert seit seinem Wechsel aus dem Innenministerium im Herbst vergangenen Jahres ein gewisser Dr. Markus Kerber als Direktor der Abteilung I, die für finanzpolitische und volkswirtschaftliche Grundsatzfragen zuständig ist. Abseits der erheiternden Namensgleichheit stellt sich in der Sache gleichwohl die Frage, weshalb das BMF seine zunächst ebenfalls harte Linie verlassen hat und sich nach Griechenland weitere Rettungsaktionen anzuschließen scheinen, die - wiederum auf einen Bail-Out vor allem der beteiligten Gläubigerbanken zulasten der Steuerzahler hinauszulaufen scheinen.

Der politische Druck aus Frankreich war offenbar sehr stark. Und der restriktive Kurs der deutschen Regierung war auch in den anderen peripheren Ländern Europas unbeliebt. Aber vielleicht war am Ende die in Bezug auf Wählerstimmen relevante Sorge ausschlaggebend, das Erfolgsmodell der deutschen Exportwirtschaft, deren Ausfuhren in 2009 zu 42 Prozent in die Länder der Eurozone gingen, könne Einbußen erleiden, während diese Länder bislang wegen der gemeinsamen Währung preisgünstigen deutschen Einfuhren nicht durch Abwertungen ausweichen können. Und auch die Banken werden wieder einmal gedroht haben, ohne den rundum Bail-Out würden sämtliche Lichter ausgehen. Also bleibt es bei den eher weiter zunehmenden Ungleichgewichten, bei dem nur zu bequemen Moral Hazard für die Staaten wie für die Banken und bei dem resultierenden Erpressungspotenzial der Unverantwortlichen und Leichtsinnigen, wofür am Ende wieder die Steuerzahler die Zeche zahlen müssen.

Aber dem TU-Finanzwissenschaftler Kerber geht es ja nicht nur um die bloß formalrechtliche Frage eines Verstoßes gegen Europa- und deutsches Verfassungsrecht, sondern um die jahrzehntelange Erfahrung, dass sich die Stärke der deutschen Exportwirtschaft immer auch trotz wesentlicher Aufwertungen gegenüber den Exportzielländern halten konnte, die Importnachfrage nach deutschen Qualitätsgütern also nur geringe Preiselastizität aufweist. Und natürlich betrifft das auch die ebenso alte Erkenntnis, dass bei dem Recycling deutscher Kapitalüberschüsse, welches helfen soll, die deutsche Exportlokomotive unter Dampf zu halten, wiederholt unverantwortlich und fahrlässig gehandelt wurde: Immer wieder wurde etwa in Blasen auf peripheren Grundstücksmärkten investiert oder wurden Kredite an Banken und Unternehmen gewährt, die ihrerseits in ungenügend geprüften oder verstandenen Geschäften tätig sind. Dieser Kreislauf des Moral Hazard muss zur Vermeidung weiterer deutscher Wohlfahrtsverluste ein für allemal durchbrochen und auf traditionelle Haftungsgrundlagen zurückgeführt werden. In keinem Fall aber wird sich Wirtschaftswachstum in einer Volkswirtschaft mit schrumpfender Arbeitsbevölkerung nachhaltig nur durch das Festklammern an unbalancierten Exportstrukturen sichern lassen.

In den global vernetzten Märkten spricht deshalb alles für eine zumindest europäisch einheitlich abgestimmte Lösung bei Schuldenkrisen von Staaten wie Banken, gerade auch im langfristig besten deutschen Interesse. Da eine solche Lösung aber nicht Mitte 2013 vom Himmel fallen wird, müssen den Moral Hazard brechende Grundregeln schon zuvor, wenn schon nicht in Anwendung kommen, so doch in den Eckpunkten bereits an der Wand geschrieben stehen, wenn die Europäische Währungsunion bis 2013 überhaupt noch Bestand haben soll. Michael Altenburg, Luzern

Noch keine Bewertungen vorhanden


X