Finanzmärkte

Warum die Bankenunion keine Lösung sein kann

Erfahrungen der vergangenen Jahre führten auf teils schmerzhafte Art und Weise vor Augen, dass das europäische Finanzsystem sich im Hinblick auf eine erfolgreiche Krisenbewältigung als unzureichend robust erwies: Um einen Kollaps abzuwenden, mussten Steuerzahler den Banken zwischen 2008 und 2011 mit knapp 5 080 Milliarden Euro unter die Arme greifen.

Um Steuerzahler künftig von der Haftung für kollabierende Banken zu entbinden, trat unlängst die erste Phase der europäischen Bankenunion in Kraft. Diese sieht eine Haftungskaskade vor, gemäß der zunächst die Eigen-, dann die Fremdkapitalgeber nach ansteigender Seniorität im Rahmen eines Bail-in für die Verbindlichkeiten eines Instituts haften: bis zu einer Obergrenze von acht Prozent. Erst wenn diese überschritten wird, erfolgt ein Bail-out mit Mitteln des Single Resolution Funds, der, gespeist aus Transfers der Banken, bis 2024 auf 55 Milliarden Euro anwachsen wird.

Beflügelt durch das vermeintlich positive Ergebnis des Stresstests, demzufolge lediglich 13 der 125 größten europäischen Banken ihre Eigenkapitalbasis verbreitern müssen, macht sich dieser Tage eine wohlige Selbstzufriedenheit breit: für den etwaigen Fall eines erneuten Aufkeimens der Krise betrachtet der Finanzsektor sich als vortrefflich gewappnet. Dieser Sichtweise wohnt allerdings ein fataler Trugschluss inne: Mit einer Begrenzung auf nur acht Prozent der gesamten Verbindlichkeiten reicht das Haftungspotenzial des Bail-in nicht aus, um den Single Resolution Fund (SRF) unangetastet zu lassen. Zur Veranschaulichung: Allein die Abwicklung der franco-belgischen Dexia erfordert nahezu 80 Milliarden Euro; ein Volumen, welches jenes des SRF deutlich überstiege. Zur Vermeidung etwaiger Ansteckungseffekte auf die Realwirtschaft wäre letztlich also doch der Steuerzahler gefragt.

Weiterentwicklungen wie die TLAC-Regel des Financial Stability Board, welche vorsieht, dass Banken fortan bis zu 18 Prozent ihrer Aktiva durch Eigenkapital unterlegen, sind vor diesem Hintergrund begrüßenswert, übersteigen sie die nach Basel III geforderten sieben Prozent doch deutlich. Ernüchternd jedoch ist die Tatsache, dass diese Regel erst 2019 in Kraft treten - und sich auf gerade einmal 27 international systemrelevante Banken erstrecken wird.

Zudem verschärft die Bankenunion ein fehlerhaftes Anreizsystem. Denn, wie zuvor, werden seitens der Banken erwirtschaftete Gewinne vollständig privatisiert. Daran gibt es nichts auszusetzen. Anfallende Verluste hingegen werden zumindest teilweise sozialisiert; eine Asymmetrie, die auch weiterhin Moral Hazard begünstigen wird.

Trotz Aufhellung der Stimmung ist die Finanzkrise nicht zu Ende. Die Bankenunion in ihrer derzeitigen Form ist ein Schritt in die richtige Richtung; reduziert sie zumindest die implizit gegebene, unbedingte Haftung der Steuerzahler. Doch ungeachtet dessen wird sich die Bankenunion im Falle des Falles als unzureichend erweisen. Ihr Lackmustest steht noch aus. Dieser könnte die nächste Krise sein.

Prof. Dr. Leef H. Dierks, Professur für Finanzierung und Internationale Kapitalmärkte, Fachhochschule Lübeck

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