Aufsätze

Emerging Markets als neue Stabilitätsfaktoren in Portfolios

Es sind spannende Zeiten, die man hier in London als Fondsmanager für Schwellenländeranleihen erlebt. Vor nicht so langer Zeit haben europäische Investoren Gespräche mit der Frage begonnen, ob sie in Schwellenländeranleihen investieren sollen. Heute hat sich das Blatt gewendet: Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wie viel. Dieses Interesse ist vor allem auf die immer schlechter werdende Lage in vielen Ländern der entwickelten Welt zurückzuführen. Was einst als Probleme den Schwellenländern vorbehalten war, nämlich ein unkontrollierbares Schuldenwachstum, enorme Staatsschulden, eine schwache Inlandsnachfrage und politische Unsicherheiten, sind heutzutage genauso normale Erscheinungen in den entwickelten Ländern.

Erst vor Kurzem hat der Rechnungshof in Großbritannien seine Prognosen veröffentlicht und das britische Wirtschaftswachstum für 2011 auf 2,6 Prozent geschätzt. Diese Prognose wurde von ursprünglich 3,25 Prozent nach unten korrigiert - eine Einschätzung, die die Labour-Regierung noch vor den Wahlen im Mai für ihre Budgetplanungen abgegeben hatte.

Wirtschaftswachstum und politische Situation im Blick

Die korrigierte Vorhersage wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf den Spielraum der Koalitionsregierung auswirken, die mit den öffentlichen Ausgaben haushalten muss. Denn weniger Wachstum bedeutet auch weniger Steuereinnahmen. Trotzdem sagt der Rechnungshof voraus, dass das Haushaltsdefizit Großbritanniens auf 10,5 Prozent des Bruttosozialprodukts im Fiskaljahr 2010/2011 fallen wird. Die Vorhersagen wurden von der Labour-Regierung vorher auf 11,1 Prozent geschätzt. Dennoch, es bleibt das Risiko, dass die öffentlichen Ausgaben zu sehr zurückgeschraubt werden und Steuern zu schnell angehoben werden, um das Defizit zu frühzeitig zu beheben. Das würde wiederum zu einer Deflationsspirale der britischen Wirtschaft führen.

Investoren sind zunehmend besorgt über die sensible Finanzlage Großbritanniens, die Arbeitslosenraten sind hoch, die Konsumnachfrage gering. Eine möglicherweise schwache Koalitionsregierung, die sich noch beweisen muss, scheint eher charakteristisch für die Lage eines lateinamerikanischen Landes der 1990er Jahre zu sein, als für ein G8-Mitglied.

Beispiel Brasilien

Die Lage in Großbritannien und anderen westlichen Nationen steht in starkem Kontrast zu den Herausforderungen von Schwellenländern wie Brasilien oder Indonesien. In Brasilien etwa stehen im Oktober ebenfalls Wahlen an. Da Präsident Lula da Silva nach zwei Amtszeiten nicht mehr antritt, gibt es zwar Unsicherheiten über den Kurs der künftigen Führung. Dennoch scheinen sich Marktteilnehmer sehr sicher zu sein, dass seine Nachfolger die starken Fundamentaldaten des Landes im Auge behalten werden. Das lateinamerikanische Land ist einer der größten Exporteure von Rohstoffen weltweit. Große Vorkommen von Eisen, Kohle, Nickel, Zinn, Erdöl und Erdgas werden hier abgebaut. Es wird geschätzt, dass zum Beispiel die Eisenvorkommen des Landes ausreichen würden, um den Bedarf der gesamten Welt auf Jahrzehnte hinaus zu decken.

Außerdem stammen etwa 60 Prozent aller verarbeiteten Edelsteine, mit Ausnahme von Diamanten, aus Brasilien. Die präsidiale Bundesrepublik hat über 191 Millionen Einwohner und nimmt knapp die Hälfte des gesamten lateinamerikanischen Kontinents ein (47 Prozent der Fläche). Das Staatsdefizit liegt bei weniger als fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts. Brasiliens Regierung prognostiziert zudem ein Wirtschaftswachstum von 4,5 bis fünf Prozent für das kommende Jahr. Die Regierung und die Verantwortlichen sind sich über das schnelle Wirtschaftswachstum im Klaren, das zu einer möglichen Inflation führen könnte. Von daher hat die brasilianische Zentralbank die Zinsen Anfang Juni wieder um 0,75 Prozent auf 10,25 Prozent angehoben. Das ist bereits die zweite Erhöhung um einen dreiviertel Punkt innerhalb von sechs Wochen. Im Vergleich dazu hat die Bank of England den Basiszinssatz in den vergangenen 15 Monaten unverändert bei 0,5 Prozent belassen.

Beispiel Indonesien

Im Fernen Osten konzentrieren sich die meisten Investoren auf die wirtschaftlichen Schrittmacher Indien und China. Es gibt aber auch andere Länder, die gut positioniert sind. Das bevölkerungsreichste Land Südostasiens ist Indonesien. Die Präsidialrepublik ist gemessen an seinen Einwohnern der viertgrößte Staat der Welt: 239 Millionen Menschen leben auf den 6044 bewohnbaren Inseln (gefolgt von Brasilien). Indonesien hatte bereits im Juli 2009 Präsident Susilo Bambang Yudhoyono wiedergewählt und im Amt für weitere fünf Jahre bestätigt. 171 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Sie stimmten über die beiden Kammern des Nationalparlaments ab und über die Besetzung tausender Sitze auf Provinz- und Lokalebene. Indonesien ist zudem das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt.

Mit seinen großen Rohstoffvorkommen ist das Land die größte Volkswirtschaft in der Region. Zu den Exportprodukten zählen unter anderem Gold, Kupfer, Holzprodukte, Agrarprodukte wie etwa Palmöl, Reis, Erdnüsse, Kakao, Kaffee oder Textilien und Mineralien. Indonesien ist außerdem der weltweit drittgrößte Exporteur vonFlüssigerdgas, dessen Hauptabnehmer Japan ist. Das Land ist Mitglied im Klub der 20 größten Wirtschaftsnationen.

Demografische Entwicklung als Einflussfaktor

Das war nicht immer so, denn Indonesien gehörte zu den von der Asienkrise der Jahre 1997 und 1998 am schwersten betroffenen Staaten. Die Landeswährung Rupiah sackte damals dramatisch gegenüber dem US-Dollar ab und die Wirtschaft schrumpfte zweistellig. Das Land ist in den vergangenen 13 Jahren einen weiten Weg gegangen. Das Staatsdefizit ist relativ gering; Prognosen für das Wirtschaftswachstum des kommenden Jahres liegen bei 6,2 Prozent. Genau wie Brasilien muss Indonesien sein Wachstum jedoch kontrollieren und möglichen Inflationsdruck vermeiden.

Wichtig ist, dass sowohl Brasilien als auch Indonesien, genau wie viele andere Schwellenländer, ihre Probleme aus einer Position der wirtschaftlichen und politischen Stärke heraus adressieren und angehen. Die inzwischen immer besser werdenden Fundamentaldaten verdanken Indonesien, Brasilien und andere Schwellenländer einer Politik, die ihre Lehren gezogen hat aus früherem Fehlverhalten und den Schwellenländerkrisen der 1990er und 2000er Jahre. Staatsschulden der Schwellenländer haben sich in ihrer durchschnittlichen Qualität in den vergangenen zehn Jahren stetig verbessert.

Zukünftig werden die aufstrebenden Nationen weiter erstarken, da die westlichen Länder eingeschränkter wachsen werden, was unter anderem an ihrer veralteten Bevölkerungsstruktur liegt. Zurzeit sind über 20 Prozent der japanischen Bevölkerung und über 15 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung, Großbritanniens und der Eurozone über 65 Jahre alt. Es gibt Übereinstimmungen in demografischen Schätzungen, dass diese Zahlen in den kommenden Jahren weiter steigen werden.

Im Vergleich dazu sind Länder wie etwa Brasilien oder Indonesien demografisch im Vorteil - ihr Anteil an Rentnern liegt im einstelligen Prozent-Bereich. Viel wichtiger ist jedoch, dass ein größerer Anteil an jungen Leuten in den kommenden Jahren in den Arbeitsmarkt eintreten wird. Dieses Angebot an Arbeitskräften wird es nicht nur Arbeitgebern und Unternehmen ermöglichen zu expandieren, sondern auch die Inlandsnachfrage positiv beeinflussen und das Wirtschaftswachstum ankurbeln (Tabelle).

Im Aktienbereich haben Investoren längst die Notwendigkeit erkannt, Portfolios auch in Richtung der Schwellenländer zu diversifizieren. Im Rentenbereich wurde diese Entwicklung nicht vollzogen, die meisten Investoren sind noch immer übermäßig in den relativ schwach rentierenden Anleihen führender Industrienationen investiert. Zwar mag die Umschichtung von Schuldenbergen aus dem privaten Sektor in die öffentlichen Haushalte an den Aktienmärkten der Industriestaaten Zuversicht ausgelöst haben, den Appetit auf ihre Staatsanleihen dürfte dies kaum erhöhen. 2009 enttäuschten britische und US-Staatsanleihen mit der schlechtesten Zwölfmonatsentwicklung seit über 30 Jahren.

Attraktive Renditen bei Schwellenländeranleihen

Die Umschichtung von Schuldenbergen aus dem privaten Sektor in die öffentlichen Haushalte mag die Zuversicht an den Aktienmärkten im letzten Jahr gesteigert haben, sie trug aber nur wenig dazu bei, das Interesse an Staatsanleihen zu erhöhen. Viele der entwickelten Länder, vor allem die USA und Großbritannien, sind mit riesigen Schuldenständen belastet. Ihnen wird es schwerfallen, zu den kreditfinanzierten Auswüchsen der Vorkrisentage zurückzukehren. Inflationsbereinigt bieten beispielsweise zehnjährige britische Staatsanleihen derzeit nur eine Rendite von etwa 0,6 Prozent. Das ist sehr wenig im Vergleich zu Investment-Grade-Staatsanleihen aus Brasilien, die bei gleicher Laufzeit rund 8,5 Prozent Rendite erbringen. Vergleichbare indonesische Papiere rentieren bei 6,8 Prozent. Indonesien ist auch eins der wenigen Schwellenländer, die auf ein Rating-Upgrade hoffen dürfen - dazu tragen der positive wirtschaftliche Ausblick in 2010, eine verbesserte Schuldenstruktur, ein Strukturreformprogramm und der stabile politische Ausblick bei.

Natürlich birgt die Investition in Schwellenländeranleihen einige Risiken, denn nicht jedes aufstrebende Land hat eine so gesunde Basis wie Brasilien oder Indonesien. Dies zeigten beispielsweise die jüngsten Probleme in Osteuropa. Die momentanen Probleme der G8-Staaten bieten Anlegern jedoch eine gute Gelegenheit, ihre Anleiheportfolios zu diversifizieren und in die wirklichen Wachstumsregionen der kommenden zehn Jahre zu investieren.

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