Leitartikel

Dynamik gefragt

In einigen Marktsegmenten der (deutschen) Finanzwirtschaft hat sich das Krisenjahr 2009 besser entwickelt als es unterjährig zu befürchten war. Zumindest dem Volumen nach gilt das auch für das institutionelle Asset Management. War eine deutliche Aufwärtsentwicklung von Neugeschäft und Fondsvolumen vor einem Jahr lediglich ein berechtigter Hoffnungswert (Kreditwesen 16-2009), so hat sich dieser im weiteren Verlauf des Jahres dank der passablen Börsenentwicklung als durchaus belastbar erwiesen. Jedenfalls lag das Mittelaufkommen der Spezialfonds 2009 auf die vergangene Dekade bezogen mit gut 34 Milliarden Euro nahezu beim Doppelten der beiden Tiefpunkte der Neugeschäftsentwicklung in den Jahren 2004 und 2008. Das Vermögen außerhalb von Investmentfonds erreichte mit einem Mittelaufkommen von 18,79 Milliarden Euro den höchsten Wert seit Beginn seiner gesonderten statistischen Erfassung 2006. Und hinzu kommen traditionell die an institutionelle Anleger verkauften Publikumsfonds, deren Anteil in den vergangenen Jahren eher gewachsen ist. Gut gestartet sind die institutionellen Asset Manager auch in das laufende Jahr. Bis Ende Mai sammelten die Spezialfonds rund 19,8 Milliarden Euro ein. An Vermögen außerhalb von Investmentfonds kamen gut 4,5 Milliarden Euro zusammen.

Mit spürbar weniger Vergnügen wird das Ende einer anderen, sprich der regulatorischen Flaute registiert. Dem aktuellen Tenor dieses Heftes nach ist diese für die Fondsbranche insgesamt und nicht zuletzt für die institutionellen Investoren vorbei. Denn neben dem bekannten Thema AIFM - also den Vorgaben zur Regulierung von Managern für Alternative Investmentfonds - stehen in den Guidelines on Risk Measurement und den Ende Juni 2010 veröffentlichten InvMaRisk weitere Regulierungsmaßnahmen auf der Agenda.

Die größte Aufmerksamkeit verlangt nach wie vor die AIFM-Richtlinie. Denn wenn diese nach dem vorliegenden Diskussionsstand umgesetzt wird, unterliegt künftig das zugegebenermaßen typisch deutsche, aber gleichwohl unbestritten bewährte Vehikel des Spezialfonds dem selben Regelungspaket wie etwa Hedgefonds und Private Equity. Ähnlich wie die deutsche Kreditwirtschaft insgesamt es gerade beim Richtlinienentwurf der EU-Kommission zur europäischen Einlagensicherung beklagt, sieht sich damit die Fondsindustrie schon seit einigen Monaten der zunehmend konkreter werdenden Bedrohung ausgesetzt, ein besseres, weil passgenaues nationales Regulierungsniveau für eine einheitliche europäische Ausrichtung opfern zu müssen.

Dem auf höchster politischer Ebene der G20-Staaten ausgerufenen Ziel, für mehr Transparenz und Anlegerschutz bei bisher weniger regulierten Finanzmarktprodukten sorgen zu wollen, wird man mit Blick auf die aktuelle Gefechtslage rund um den Richtlinienentwurf der AIFM kaum ernsthaft widersprechen wollen. Dass aber auch Spezialfonds, Gemischte und sonstige Sondervermögen in die Neuregelung einbezogen werden, obwohl sie sich unter nationaler Regulierung zweifelsohne als transparent erwiesen und nachweislich bewährt haben, ruft zu Recht heftigen Widerspruch hervor. Diese Art von Gleichmacherei setzt aus Sicht der hiesigen Branche ein wichtiges Instrument des deutschen Kapitalmarktes als eine Art Kollateralschaden aufs Spiel, wie es in diesem Heft erfrischend aufgeregt formuliert wird. In der Tat darf man an dieser Stelle einmal mehr ganz grundsätzlich nachfragen, inwieweit eine Harmonisierung dieser Art der angestrebten Finanzmarktstabilität gerecht wird. Denn ganz unabhängig von diesem pointierten Aufschrei aus der Branche kann eine Vielfalt von Usancen und Marktbedingungen bis zu einem gewissen Grad auch Stabilität durch Risikoausgleich schaffen. Und eigentlich ist man in Europa doch angetreten, wenn irgend möglich das Subsidiaritätsprinzip hochzuhalten und nicht Dinge gemeinsam zu regeln, die einfach nicht zusammengehören.

Deutlich ungemütlicher geworden als in der letzten anhaltenden Blütephase des institutionellen Asset Managements in den Jahren 1997 bis 2000 sind auch die Kapitalmarktbedingungen, sie haben seither eindeutig häufiger gedreht. Mit der Subprime-Krise haben die Märkte nach dem Einbruch im März 2000 zudem zum zweiten Mal einen Schock erlebt, der bei allen Beteiligten das Zutrauen in ihr bisheriges Tun infrage stellt - angefangen von den Methoden des Vermögensmanagements über die Güte der Risikomodelle bis hin zu realistischen Zielrenditen für institutionelle Portfolios. Wenn institutionelle Anleger heute nur annähernd ihre Renditevorstellungen im Spektrum von 3,9 bis hin zu 5,2Prozent umsetzen wollen, wie sie in diesem Heft genannt werden, müssen sie auf der Anlage- wie auf der Risikoseite viel flexibler reagieren als früher.

Dynamisches Anlagemanagement, dynamisches Risikomanagement und dynamische Portfoliosteuerung lauten folglich die Schlagworte, die sich wie ein roter Faden durch die Beiträge dieses Heftes ziehen. Helfen kann dabei der Blick auf die Anlagemöglichkeiten in Schwellenländern und/oder in Alternativen Investments sowie die Anpassung der internen Abläufe. An den volatilen Kapitalmärkten 2010ff. reicht es nicht mehr, festgelegten Strategien zu folgen, sondern es kommt immer mehr darauf an, im professionellen Zusammenspiel von Vermögensanlage und Risikomanagement jeweils möglichst früh die Wendepunkte der Kapitalmarktentwicklung zu erkennen, die Risiken zu begrenzen und die Marktchancen zu nutzen. Auf diesem Abstraktionsgrad ist das freilich leicht gesagt. In der Praxis ist das eine hochkomplexe mühsame Übung mit reichlich Überraschungspotenzial in die positive wie auch die negative Richtung.

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