Aufsätze

Regulierung: An der Schraube gedreht

Seit etwas mehr als einem Jahr nimmt die staatliche Regulierung in der Welt der institutionellen Kapitalanlage zu. Als Reaktion auf die Finanzkrise kehren Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden in Deutschland und Europa damit einen Trend um, den Investoren und Asset Manager seit 20 Jahren gewohnt waren.

Regulierung in überraschendem Ausmaß

Nach Jahren der Liberalisierung folgt nun eine Welle der Regulierung, die die Marktteilnehmer in ihrem Ausmaß schon überrascht. Verständlicherweise stehen zwar in erster Linie Anlageprodukte, die maßgeblich an der Entstehung der Finanzmarktkrise beteiligt waren, und ein verbesserter Anlegerschutz im Visier. Dabei wird aber quasi als "Kollateralschaden" in Kauf genommen, dass Anlagevehikel in Mitleidenschaft gezogen werden, die zumindest national schon ausreichend reguliert sind wie der deutsche Spezialfonds als zentrale Anlageform für Banken, Versicherungen, Unternehmen und Altersversorgungswerke. Dabei hat gerade er sich in den vergangenen beiden Jahren als krisenfestes Anlagevehikel erwiesen, das Deutschland im internationalen Vergleich zum Vorteil gereichte. Und ob damit das Ziel erreicht wird, eine größere Transparenz oder mehr Sicherheit zu schaffen, bleibt fraglich. Denn ein Übermaß an Regulierung kann schnell auch zur Strangulierung führen.

Der Spezialfonds ist ein Aushängeschild des Investmentstandortes Deutschland: Während der Finanzkrise 2009 und auch jüngst wieder während der Euro-Krise stützte er - und nicht das Massengeschäft der Publikumsfonds - den Umsatz mit Investmentfonds. Denn der Nutzen des Spezialfonds - und damit verbunden der Mas-ter-KAG - wurde Großanlegern gerade in diesen Krisensituationen eindrucksvoll vor Augen geführt: maßgeschneidert auf die jeweiligen Bedürfnisse des Anlegers, flexibel in der Nutzung, um bei Marktveränderungen schnell handeln zu können und darüber hinaus ausreichend reguliert, um Schutz und Transparenz für Anleger und Aufsichtsgremien zu gewährleisten. Aktuell machen Spezialfonds rund 43 Prozent der 1,76 Billionen Euro aus, die in Investmentfonds & Co. laut Branchenverband BVI in Deutschland investiert sind.

Doch dem Spezialfonds in seiner heutigen Prägung droht Ungemach, von einer Regulierung, die sowohl im Umfang und Geschwindigkeit der fast zeitgleich umzusetzenden Gesetze und Vorschriften als auch in der Tiefe der jeweiligen Regularien bislang einzigartig ist. Ob AIFM-Richtlinie, Derivateverordnung, Anlageverordnung oder InvMaRisk: Die Anordnungen, Richtlinien und Gesetze - neue Regelungsansätze teilweise im Wochentakt - stellen in ihrer Gesamtheit alle Marktbeteiligten vor außergewöhnliche Herausforderungen. Institutionelle Investoren ebenso wie Asset Manager und Aufsichtsbehörden.

AIFM und der erbitterte Kampf hinter den Kulissen

Das derzeit vermutlich umstrittenste Regelwerk ist der europäische Richtlinienentwurf für Manager alternativer Investmentfonds (AIFMD). Im Kern geht es dabei um die einheitliche Verwaltung und Beaufsichtigung von Fonds außerhalb der UCITS-Richtlinie, speziell für Hedgefonds und Private-Equity-Fonds. Als Antwort auf die Krise haben die G20-Staaten das politische Ziel ausgerufen, für mehr Transparenz und Anlegerschutz bei bisher wenig regulierten Produkten zu sorgen. Grundsätzlich ist dieser Gedanke zu begrüßen.

Doch als "Kollateralschaden" sind auch Spezialfonds, Offene Immobilienfonds und einige andere, in Deutschland weit verbreitete Produkte (zum Beispiel Gemischte und Sonstige Sondervermögen) davon betroffen, die bisher nicht der europäischen, doch einer langjährig bewährten nationalen Regulierung unterlagen - und im Übrigen auch nicht für die Krise an den Kapitalmärkten sorgten. Das träfe besonders empfindlich viele institutionelle Investoren. Denn eine neue Regelung, wie mit dem Erstentwurf der EU-Kommission vorgestellt, würde sie in ihrem Anlagehorizont und der Flexibilität der Kapitalanlage einschränken.

Doch wie kam es dazu? Unter dem (Ein-) Druck der Finanzkrise hatte die EU-Kommission im April 2009 einen ersten Vorschlag zu AIFMD vorgestellt und erntete überwiegend Kritik aus Anleger- und Branchenkreisen. Die Kernpunkte: Insbesondere die Einbeziehung auch bereits durch das bundesdeutsche Investmentgesetz (InvG) ausreichend regulierter Fondstypen, wie eben Spezialfonds, berücksichtige nicht ausreichend die Unterschiede zwischen solchen Investmentfonds auf der einen und alternativen, nicht regulierten Produkten (etwa Hedgefonds) auf der anderen Seite. Vielmehr entstünde durch die AIFMD eine Doppelregulierung mit zum Teil unterschiedlichen Standards - paradoxerweise mit teils schärferen Vorgaben für Profiinvestoren als für Privatanleger. Der Grundsatz der Subsidiarität, das heißt europäisch nur das zu regeln, was national nicht zu leisten ist, scheint in diesem Fall außer Kraft gesetzt zu sein.

Ein Anlagevolumen von 800 Milliarden Euro

Doch auch die Organe der Europäischen Union (Kommission, Rat und Parlament) sind sich noch nicht einig. Momentan läuft der sogenannte "Trilog"-Prozess zwischen diesen drei Parteien. Die ursprünglich noch für diesen Sommer geplante Verabschiedung verzögert sich auf jeden Fall bis in den Frühherbst. Am ehesten scheinen derzeit die Kompromissansätze des EU-Rates zum gewünschten Ziel zu führen. Diese sehen unter anderem vor, dass - trotz eines noch tolerierbaren zusätzlichen Verwaltungsaufwandes - Fondsdienstleistungen auch in Nicht-EU-Staaten ausgelagert werden und Vermögenswerte dort verwahrt werden dürfen. Die Vorschläge des EU-Parlaments dagegen gelten als sehr restriktiv, würden sie doch unter anderem eine Anbindung von externen Asset Managern aus Nicht-EU-Staaten unmöglich machen.

Eine Ausnahme hiervon soll nach Vorschlag des EU-Parlaments jedoch für Fonds gelten, die lediglich bis zu drei professionelle Anleger haben. Für diese sind darüber hinaus weitere Erleichterungen wie beispielsweise im Hinblick auf die Vorgaben zum Anlegerreporting vorgesehen, das in der Praxis gerade bei Fonds mit geringer Anlegerzahl aufgrund der engen Bindung zwischen Anleger und Verwaltungsgesellschaft üblicherweise den individuellen Bedürfnissen der Anleger entsprechend aufgesetzt wird.

Um eine Vorstellung der Tragweite der AIFM-Direktive zu bekommen, sei erwähnt, dass 81 Prozent des verwalteten Investmentvermögens in Deutschland unter die "nicht in der EU harmonisierten Fondstypen" fallen und damit von der Regelung betroffen wären - ein Anlagevolumen von stolzen 800 Milliarden Euro. Die Zusatzkosten und der Performanceverlust, die durch eine solche Regulierung entstünden, werden von Branchenexperten auf rund eine Milliarde Euro geschätzt - pro Jahr. Daher haben Investoren und Investmentbranche große Bedenken, dass am Ende ein teures und bürokratisches Machwerk entsteht und das eigentliche Ziel - mehr Transparenz und besserer Anlegerschutznur unzulänglich erreicht wird.

Wie es nun weitergeht mit der AIFMD, ist derzeit noch nicht genau absehbar. EU-Parlament und EU-Rat gehen mit ihren Grundpositionen in die Verhandlungen unter Moderation der EU-Kommission. Doch die Unterschiede scheinen groß zu sein, die Verhandlungen sind ins Stocken geraten, ein Kompromiss in weiter Ferne. Sollte dieser dann doch gefunden werden, muss die Kommission den gesteckten Rahmen noch mit einzelnen Vorschriften ausfüllen (Level 2). Daraus können sich natürlich weitere regulatorische Initiativen ergeben.

Guidelines on Risk Measurement und InvMaRisk

Ein weiterer Schauplatz aktueller Bestrebungen zur EU-weiten harmonisierten Regulierung von Investmentfonds ist die derzeit laufende CESR-Konsultation. Sie beinhaltet technische Details und Vorgaben zur Risikomessung und zur Berechnung des Gesamtrisikos eines als auch von UCITs-Fonds ganz allgemein. Ziel ist die Erarbeitung einheitlicher europäischer Aufsichtsleitlinien zur Risikomessung als Level-3-Maßnahen zur UCITs IV-Richtlinie. Die europäischen Länder haben sich verpflichtet, die Vorgaben direkt in nationales Recht zu übernehmen. In Deutschland sollen diese Maßgaben in die Derivateverordnung implementiert werden. Für KAGs und Anleger ist in diesem Zusammenhang besonders das Verfahren zur Messung von Marktrisiken bei Investmentfonds wichtig. Absehbar scheint, dass der Value-at-Risk-Ansatz für qualifizierte Fonds wohl auch weiterhin als (einziges) Messverfahren Anwendung finden soll. Nach dem jetzigen Stand der Dinge soll im Herbst eine weitere Entwurfsversion der Verordnung vorliegen.

Weitere Anforderungen an die Branche werden in den Ende Juni 2010 veröffentlichten Mindestanforderungen an das Risikomanagement für Investmentgesellschaften, kurz InvMaRisk, festgelegt. Sie wurden notwendig, da KAGs mit der Novellierung des Investmentgesetzes im Jahre 2007 ihren Status als Kreditinstitut verloren hatten. Damit galten auch nicht mehr die bankenbezogenen Mindestanforderungen an das Risikomanagement. Eine neue Verwaltungsvorschrift musste also her. Nun müssen die Prozesse im Risikomanagement erstmals separat für Kapitalanlagegesellschaften festgeschrieben werden, sie werden dadurch systematisch und nachvollziehbar dokumentiert und implementiert. Des Weiteren ist positiv an den InvMaRisk: Sie greift bereits Regelungen auf, die mit der Umsetzung von UCITS IV sowieso eingeführt werden müssen.

Viele Investmentgesellschaften werden sich angesichts der dadurch bedingten Investitionen in Informationstechnologie und Personal und der damit verbundenen Folgekosten gut überlegen, ob sie die InvMaRisk aus eigener Kraft umsetzen können oder ihre Fondsadministration nicht direkt an Spezialisten auslagern möchten. Der Trend zum Aufbrechen der Wertschöpfungskette in der Fondsindustrie wird durch solche neuen Regelwerke jedenfalls noch eindeutiger.

Anlageverordnung: Besser spät als nie

Ein Beispiel für eine lange Zeit überholungsbedürftige Regulierung ist die Anlageverordnung, die nun nach langer Ankündigung zum 30. Juni 2010 aktualisiert wurde. Die Anlageverordnung konkretisiert die Grundsätze für die Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungen und Pensionskassen, die dem Versicherungsaufsichtsgesetz unterfallen. Sie macht hierbei Vorgaben, in welche Anlageklasse die Anlegergruppen wie stark investieren dürfen. Diese Vorgaben betreffen auch die Anlage in Investmentfonds nach dem Investmentgesetz (InvG).

Problematisch war bisher, dass die Anlageverordnung die umfassende Novellierung des InvG aus dem Jahr 2007 nicht ausreichend nachvollzogen hatte. Mangelnde Rechtssicherheit war die Folge. Die neue Anlageverordnung hat die Asynchronität zum InvG nunmehr geschlossen. Die mit der InvG-Novellierung eingeführten neuen Fondstypen mit erweiterten Anlagemöglichkeiten und Gestaltungsspielräumen werden als originäre Investments für das gebundene Vermögen anerkannt. Bleibt zu hoffen, dass auch die Verwaltungspraxis der Versicherungsaufsicht dieser Entwicklung und den Bedürfnissen der VAG-Anleger an die Flexibilität der Kapitalanlage gerecht wird.

Stellschrauben angesichts schwieriger Kapitalmärkte lockern

Die Anzahl der genannten Gesetzesentwürfe und Vorschriften sowie die engen Zeitpläne verdeutlichen, unter welch großem Druck Aufsichtsbehörden, Investmentgesellschaften und Investoren stehen. Wer sich zudem anschaut, in welchem Umfeld sich diese Dinge ereignen - Performancedruck auf Investoren- und KAG-Seite aufgrund niedriger Zinsen und volatiler Märkte, die Suche nach alternativen Anlageformen und die wachsenden Auszahlungsverpflichtungen von Versicherungen und Altersversorgungswerken - kann erahnen, welcher Druck im "Investmentkessel" herrscht. Doch bei aller zu erwartenden Hektik in der Umsetzung dieser Regularien - speziell bei AIFMD - sollten sich die Beteiligten fragen: Dienen die neuen Regeln in ihrer vorgesehenen Fassung tatsächlich der Transparenz und dem Schutz der Anleger? Oder laufen sie Gefahr, über das Ziel hinaus zu schießen?

Die Welt der Anleger, aber auch die der Anbieter hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Das Erfolgsmodell des deutschen Spezialfonds ist das beste Beispiel hierfür. Vielleicht hilft es daher manchmal, die Stellschrauben etwas zu lockern. Denn sowohl für professionelle Investoren als auch Asset Manager gilt es, angesichts eingeschränkter Risikobudgets in einem schwierigen Marktumfeld eine Performance zu erzielen, die den Bedürfnissen von Millionen von Versicherten und Betriebsrentner gerecht wird.

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