Leitartikel

Bilanzsaison 2007: Wohin steuern die Primären?

Es gibt für Sparkassen wie Kreditgenossenschaften gewiss attraktivere Themen der Öffentlichkeitsarbeit als die Ertragsentwicklung des Vorjahres. Aber es ist auffällig, wie unterschiedlich die hiesigen Primären auf ihrer eigenen Homepage über den Geschäftsverlauf 2006 informieren, obwohl sie die vorläufigen Zahlen längst an die Dachverbände gemeldet haben. Einige liefern schon im Januar mehr oder weniger tiefe Einblicke, andere stellen zumindest aktualisierte Eckdaten ins Netz. Aber ein überraschend großer Teil begnügt sich bis weit ins laufende Jahr hinein mit den mittlerweile wirklich nicht mehr frischen Zahlen des vorletzten Jahres. Immerhin reichen die vorliegenden Ergebnisse früh für Tendenzaussagen. Das Zinsgeschäft ist unter Druck, der Provisionsüberschuss steigt an. Aber diese letztere Tendenz ist bekanntlich bei weitem nicht stark genug, um die Lücken durch die derzeit erschwerte Fristentransformation zu schließen. Von der Kostenseite gehen zwar keine unmittelbar beunruhigenden Effekte aus, allerdings scheint auch das Potenzial für die weitere Rückführung der Aufwandspositionen längst nicht mehr so groß wie in den vergangenen Jahren. Das Bewertungsergebnis ist trotz gewissem Abschreibungsbedarf auf der Wertpapierseite zum wiederholten Male komfortabel genug, um die Vorsorgereserven zu stärken. Doch große Ergebnissprünge wie sie manche Aktienbanken aufzuweisen haben, sind bei den Primären ausgeblieben.

Auf Basis des recht ordentlichen Verlaufs der operativen Geschäfte ihrer Mitgliedsinstitute haben DSGV und BVR Anfang März für ihre jeweilige Gruppe ein zwar leicht rückläufiges, aber doch sehr passables Betriebsergebnis nach Bewertung vermeldet. Die 457 Sparkassen kommen auf rund 5,1 (im Vorjahr 5,4) Milliarden Euro oder 0,5 (0,54) Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme. Und die 1255 Volks- und Raiffeisenbanken bringen es auf 2,352 (2,752) Milliarden Euro oder 0,39 (0,48) Prozent der DBS. Irgendwie mögen sich all diese Kernaussagen für die Primären zwar ziemlich eintönig und austauschbar anhören. Aber sie spiegeln in der Tendenz die Entwicklung für die große Masse der deutschen Kreditwirtschaft wider - das sind nämlich der reinen Zahl nach immer noch mit großem Abstand die Platzbanken der Genossenschafts- und der Sparkassenorganisation. Sie stellen fast 84 Prozent aller hiesigen Kreditinstitute.

Über die Wettbewerbsfähigkeit der Primärbanken in ihren jeweiligen lokalen Märkten vermögen solche Entwicklungstendenzen anhand hoch aggregierter Gruppenzahlen wenig auszusagen. Aber vielleicht gibt ein direkter Vergleich der Genossenschafts- und der Sparkassenorganisation doch den einen oder anderen Einblick, woran in den beiden Verbünden mit Vorrang zu arbeiten ist. Dass beispielsweise der Zinsüberschuss der Kreditgenossenschaften mit 2,32 Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme deutlich höher liegt als die 2,19 Prozent der DBS in den Sparkassen, lässt auf den ersten Blick üppigere preispolitische Freiräume vermuten. Vielleicht ist der Druck auf die Zinsmargen für die noch mehr als die Sparkassen in der Fläche operierenden Genossenschaftsbanken in der Tat nicht so groß wie für die anderen Filialbanken. Aber selbst wenn das bis zu einem gewissen Grad der Fall sein dürfte, sollte das den Genossenschaftssektor nicht beruhigen. Denn unabhängig von den zinsabhängigen Entwicklungszyklen sind auch bei dieser Ertragskomponente die wirklich schönen Zeiten für diese Bankengruppe vorbei. Noch im Jahre 1993, gleich nach der Einbeziehung der ostdeutschen Kreditinstitute, wies der Zinsüberschuss in der Ertragsrechnung der Bundesbank bei den Kreditgenossenschaften 3,16 Prozent auf (seinerzeit noch an dem durchschnittlichen Geschäftsvolumen gemessen) und bei den Sparkassen 3,04 Prozent. Rückblickende Erkenntnis: Solche Zeiten werden auch in günstigeren Zinsphasen nicht zurückkommen, und den heutigen Abstand zu den Sparkassen gab es auch damals schon.

Besser als die Sparkassen schneiden die Kreditgenossenschaften seit langem im Provisionsgeschäft ab. Mit 0,67 Prozent an der DBS für die Kreditgenossenschaften und 0,59 Prozent an der DBS für die Sparkassen ist diese Komponente in beiden Institutsgruppen in den vergangenen 13 Jahren zweifellos gestärkt worden, der Abstand untereinander ist (nach 0,58 beziehungsweise 0,50 Prozent des durchschnittlichen Geschäftsvolumens in 1993) aber in etwa konstant geblieben. Allen Bemühungen zur (technischen) Bündelung der Kräfte zum Trotz macht es sich offenbar anhaltend bemerkbar, dass mit der Bausparkasse, den Zentralbanken und insbesondere den Versicherern die Verbundunternehmen des Genossenschaftssektors völlig oder doch wesentlich stärker konsolidiert sind als die Sparkassenseite.

Andererseits darf sich die S-Gruppe traditionell die günstigere Kostensituation zugute halten. Während der DSGV den Verwaltungsaufwand der Sparkassen für das Berichtsjahr 2006 auf 1,78 Prozent der DBS beziffert, meldet der BVR für die Volks- und Raiffeisenbanken 2,25 Prozent der DBS. Und auch der Blick auf die Bundesbankzahlen bestätigt im Rückblick diesen Abstand. 2,68 Prozent des durchschnittlichen Geschäftsvolumens für die Kreditgenossenschaften und 2,28 Prozent für die Sparkassen lauten etwa die Zahlen zum Ende des Berichtsjahres 1993. Und 2,31 Prozent der DBS für die genossenschaftlichen Primärinstitute und 1,92 Prozent der DBS für die Sparkassen hat die Bundesbankstatistik zum Jahresende 2005 ermittelt. Weniger eindeutig ist die Entwicklung des Bewertungsergebnisses. Hier fällt die Quote der Volks- und Raiffeisenbanken im Berichtsjahr mit 0,76 Prozent der DBS zwar deutlich höher aus als die der Sparkassen mit 0,54 Prozent der DBS. Doch im Vorjahr (0,52 gegenüber 0,55 Prozent der DBS) wie auch im Rückblick der vergangenen 13 Jahren lagen teilweise die öffentlich-rechtlichen und teils die genossenschaftlichen Institute besser. Für die jüngste Vergangenheit lässt sich mit Blick auf die Einzelkomponenten dieser GuV-Position in beiden Verbundgruppen ein verringerter Abschreibungsbedarf der Platzbanken im Kreditgeschäft und eine Aufstockung der Vorsorgereserven ausmachen, während der Bewertungsaufwand im Wertpapiergeschäft zumindest im Berichtsjahr wieder angestiegen ist.

Einen parallelen Verlauf nahm in beiden Verbünden die Eigenkapitalausstattung der Primären. So meldet der BVR stolz eine Steigerung des Kernkapitals um 6,3 Prozent auf 32 Milliarden Euro sowie des haftenden Eigenkapitals zum Jahresende auf 44,5 Milliarden Euro und darf damit eine Kernkapitalquote von 10,1 Prozent beziehungsweise einen Solvabilitätskoeffizienten von 13,7 (13,5) Prozent verkünden. Für die Sparkassen hat der DSGV den vorläufigen Zahlen nach Verbesserungen der Kernkapitalquote auf 8,5 (8,1) Prozent und der Eigenkapitalquote auf 13,1 (12,6) Prozent errechnet. Während die Sparkassenorganisation derzeit in diesem Zusammenhang auf lokaler, regionaler wie bundesweiter Ebene schon das ein oder andere Mal erläutern muss, weshalb eine bewusste Stärkung der Eigenkapitalpositionen es schwieriger macht, die selbst gesteckten Ziele der Eigenkapitalrentabilität zu erreichen (siehe Kreditwesen 6-2007), weist diese vielbeachtete Ertragskennziffer im Genossenschaftssektor noch eine steigende Tendenz auf.

Dass der BVR für die genossenschaftlichen Primären als Eigenkapitalrentabilität vor Steuern im Berichtsjahr 2006 einen Anstieg auf 14,5 (14,0) Prozent vermelden darf, während der DSGV für die Sparkassenseite eine Abflachung auf 8,7 (9,3) Prozent zu Protokoll geben muss, lässt freilich auch im gruppeninternen Vergleich die Vermutung aufkommen, dass die Dachverbände unterschiedliche Ermittlungsmethoden anwenden. Es macht eben einen Unterschied, ob die bilanzielle Eigenkapitalrentabilität ausgewiesen wird und wie die Vorsorgepositionen einbezogen werden. Vergleichbare Erhebungsmethoden werden traditionell erst im September jeden Jahres vorgelegt, wenn die Bundesbank im Monatsbericht ihre Auswertung der Ertragsrechnung nach den Institutsgruppen der Kreditwirtschaft öffentlich macht. Nach deren Methode, die sich am Jahresüberschuss vor Steuern in Prozent des durchschnittlichen bilanziellen Eigenkapitals (einschließlich Fonds für allgemeine Bankrisiken, jedoch ohne Genussrechtskapital) orientiert, hatten im vorletzten Jahr die Kreditgenossenschaften mit 13,88 Prozent gegenüber den Sparkassen (10,47 Prozent) die Nase vorn.

Alles in allem haben die Sparkassen wie auch die Kreditgenossenschaften im Rückblick der vergangenen Jahre die teilweise schwierige Risikolage im Kreditgeschäft ebenso gut gemeistert wie die Großbanken. Auch die Kostensenkung haben sie sichtbar vorangetrieben und dabei die verbesserte Effizienz mit weitaus geringerer Volatilität in der Ergebnisrechnung bezahlen müssen als die Börsenbanken. Aber am Wendepunkt der strategischen Feinsteuerung von der Kosten- und Risikokontrolle hin zur Ausweitung der Erträge erschließt sich auf der Primärbankebene auch nach dem guten Bankenjahr 2006 nicht so recht, woher die erhofften Ertragsschübe kommen sollen, die alle Banken so anstreben. Bei den börsennotierten Aktienbanken eröffnen sich auch im noch recht frühen Stadium des Geschäftsjahres 2007 Erfolg versprechende Ertragsperspektiven. Das fängt an bei der Deutschen Bank mit starken Impulsen im Investmentbanking sowie generell im Auslandsgeschäft, reicht über die Commerzbank mit der sehr speziellen Verbindung von Immobilien- und Kapitalmarktkompetenz sowie weiteren hoffnungsvollen Lichtblicken etwa auf dem polnischen Privatkundenmarkt und führt bis hin zur Allianz mit erheblichen Synergien in der eigenen Gruppe und ebenfalls lockenden Allfinanz-Perspektiven auf Auslandsmärkten. Den hiesigen Primären der Verbünde sind hingegen angesichts der regionalen Verankerung nicht nur all diese schönen Möglichkeiten im Ausland verschlossen, sondern sie müssen sich auch noch anhaltend mit politischen Vorbehalten herumschlagen - sei es zuletzt wieder mit den Tönen aus Brüssel (siehe Frage an Stephan Götzl) und/oder den internationalen Organisationen.

Als Ausweg bleibt ihnen nur die scheinbar unergiebige Marktbearbeitung vor Ort zusammen mit den Verbundunternehmen. Und diese verspricht angesichts des vergleichweise hohen Ausgangsniveaus sicher nicht den schnellen Gewinn, sondern ist permanent durch Abwanderungen gefährdet. Wo die Primären intensiv und konsequent neue Wege praktizieren, so zeigt die Einzelberichterstattung aus beiden Verbundgruppen, führen Maßnahmen wie die Verstärkung des mobilen Vertriebs, die selbstbewusste Ausgestaltung des Online-Angebots und auch die immer wieder hoffnungsvoll erwähnten Ansätze einer ganzheitlichen Vermögensberatung zu durchaus erfreulichen Auswirkungen auf die Ertragslage.

Den Vergleich mit den Aktienbanken in den üblichen Ertragskennziffern wird man in deren erfolgreichen Jahren aber schwerlich bestehen können. Je mehr etwa in den mobilen Vertrieb oder in andere Servicekomponenten investiert wird, das mussten viele Primärbanken schon 2006 registrieren, umso mehr leiden die üblichen Kennziffern. Insofern mehren sich in den Verbundorganisationen die Stimmen, die weg von den Größen wie Cost Income Ratio oder Eigenkapitalrentabilität als alleinigem Erfolgsmaßstab wollen oder sie lediglich als Mindestanspruchsniveau oder langfristige Zielausrichtung sehen. Stattdessen soll der Blick noch mehr auf die Nützlichkeit der Primärinstitute für die Region gelenkt werden. An dieser Stelle die richtigen Ansatzpunkte und Kriterien zu entwickeln, ist derzeit in beiden Verbünden eine anspruchsvolle Aufgabe. Die traditionelle Stiftungstätigkeit in und für die Region sowie in der Genossenschaftsorganisation zusätzlich die geschäftliche Ausgestaltung des Mitgliedergedankens sind nur zwei mögliche Ansatzpunkte. Mo.

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