Aufsätze

Die Bilanz von morgen - IHK-Erfahrungen zur Gründungsfinanzierung

"Ohne Moos nix los" - dieser Song animierte in den siebziger Jahren Millionen Schlagerfans zum Mitsingen. Die Botschaft ist klar und bedarf keiner weiteren Erklärung - oder doch? "Weil meine Idee gut ist, wird sich schon ein Geldgeber finden", so eine verbreitete Meinung in der Landschaft der Existenzgründung in Deutschland. Davon wissen die Existenzgründungsberater der Industrie- und Handelskammern (IHKs) sprichwörtlich ein Lied zu singen. 350 000 Gespräche führen sie jährlich mit Menschen, die sich unternehmerisch selbstständig machen möchten - darunter sind 60 000 ausführliche Beratungen zum individuellen Geschäftskonzept. Diese reichhaltige Praxiserfahrung bietet ein klares Bild des Gründungsgeschehens in Deutschland - und auch zur Gründungsfinanzierung.

Falsche Einstellung zur Gründung

Den IHK-Erfahrungen zufolge beachten viele Gründer nicht, dass Banken, Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken finanzielle Mittel nicht aus Wohltätigkeit zur Verfügung stellen. Aus Sicht der Kreditwirtschaft muss der Existenzgründer selbstverständlich Zinsen und Tilgung aus den Früchten der Geschäftsidee in absehbarer Frist präsentieren können. Für Kreditinstitute ist dabei insbesondere die Beurteilung von Existenzgründungsvorhaben zumeist erheblich schwieriger als die von Projekten etablierter Unternehmen. Bei der Einstellung vieler Existenzgründer beobachten die IHKs vor allem drei Mankos:

- Die Bank wird nicht als Kunde begriffen. Doch: Wie der Existenzgründer Kunden vom Produkt oder der Dienstleistung überzeugen muss, so muss er auch die Bank von seiner Idee überzeugen.

- Nicht der Kunde steht im Mittelpunkt des Konzepts, sondern häufig nur das Produkt. Viele Gründer mit guten Ideen beschreiben in ihren Geschäftskonzepten oder bei Präsentationen ausführlich das Produkt und seine Eigenschaften.

Nur allzu oft verlieren sie sich gerade bei wissensintensiven Produkten in technischen Details, die für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar sind. Doch gerade bei neuen Produkten und Dienstleistungen kommt es auf profunde Fachexpertise und Marktanalysen an. Solche Informationen sind keine Holschuld der Bank, sondern eine Bringschuld des Gründers: Der Existenzgründer muss seine Bank davon überzeugen, dass mit der Idee Geld zu verdienen ist.

- Das Geschäftskonzept ist nicht bis zu Ende gedacht. Bei den meisten Gründungsinteressierten ist es die drohende oder auch schon eingetretene Erwerbslosigkeit, die den Auslöser zur Gründung eines Unternehmens gibt. Gerade Arbeitslose aber gehen den IHK-Erfahrungen zufolge oft übereilt an den Start: Im Fokus steht zumeist der Ausweg aus der Erwerbslosigkeit, weniger die Umsetzung einer neuen Idee. Unausgereifte Konzepte, bei denen die Finanzierungsseite nicht gründlich durchdacht wurde, sind nur allzu oft die Folge. Seit Basel II haben Antragsteller mit stimmigen und überzeugenden Konzepten zwar auch weiterhin durchaus gute Finanzierungschancen, doch mangelhafte Konzepte werden noch konsequenter als vor Basel II abgewiesen (Abbildung 1).

Businesspläne als Quelle von Fehleinschätzungen

Die Fehleinschätzungen vieler Existenzgründer zeigen sich in den Businessplänen, die den IHKs vorliegen:

- Mehr als die Hälfte aller Geschäftskonzepte weisen Mängel in der kaufmännischen Qualifikation ihrer Autoren auf - so etwa bei Preiskalkulation, Kostenrechnung, Anfertigung von betriebswirtschaftlichen Planrechnungen.

- Mehr als 40 Prozent aller Gründer machen sich im Vorfeld zu wenig Gedanken zur Finanzierung ihres Start-ups.

- Mehr als die Hälfte der Gründer kann nicht hinreichend erklären, warum Kunden das eigene Produkt kaufen sollten - und nicht das der Konkurrenz (Alleinstellungsmerkmal). Mehr als ein Drittel kann die Produktidee nicht klar beschreiben schlechte Voraussetzungen für das Gespräch mit der Bank.

Im Jahr 2006 beobachteten die IHKs zwar eine leicht verbesserte Qualität der Businesspläne. Hintergrund dafür ist aber eine Verschärfung der Gründungsförderung für Arbeitslose. Erwerbslose Existenzgründer, die den Gründungszuschuss erhalten wollen, müssen ihren Start gründlicher vorbereiten: Mit dem im Jahr 2003 eingeführten Existenzgründungszuschuss (Ich-AG) konnten arbeitslose Gründer zunächst ohne Prüfung des Geschäftskonzeptes in den Genuss des staatlichen Zuschusses kommen.

Seit November 2004 mussten Ich-AG-Gründer den Arbeitsagenturen einen von einer fachkundigen Stelle - etwa einer IHK - überprüften Businessplan vorlegen. Mit dem neuen Instrument "Gründungszuschuss", der seit August 2006 die Ich-AG sowie das Überbrückungsgeld abgelöst hat, wurde die maximale Förderdauer von drei Jahren auf 15 Monate verkürzt, die Förderdauer wird auf die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes (ALG I) angerechnet.

Bankgespräche oft schlecht vorbereitet

Doch diese positiven Tendenzen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass etwa die Hälfte aller Businesspläne weiterhin schwere Mängel aufweist.

Ein Bankgespräch zur Gründungsfinanzierung lässt sich durchaus mit einer mündlichen Abitur- oder Examensprüfung vergleichen. Ein verpatztes Gespräch kann das gesamte Vorhaben zunichte machen. Spätestens dann, wenn es darum geht, das Geschäftskonzept bei der Bank vorzustellen, treten dessen Mängel schonungslos zutage - oft mit der Folge eines Scheiterns des Gründungsvorhabens (Abbildung 2). Eine Befragung von 3 300 Existenzgründern im Rahmen einer bundesweiten IHK-Aktion zur Gründungsfinanzierung ergab, dass fast die Hälfte der Existenzgründer schlecht vorbereitet in das Gespräch mit ihrer Bank gehen:

- 46 Prozent der Gründer können Kreditinstituten kein ausgereiftes Geschäftskonzept vorlegen. Die Vorlage "runder" Businesspläne ist in Zeiten von Basel II oft ein K.o.-Kriterium bei Kreditanträgen.

- 31 Prozent treten beim Finanzierungsgespräch nicht sicher genug auf. Für das Gespräch mit der Hausbank ist ein seriöses und kompetentes Auftreten ebenso wichtig wie ein stimmiger Businessplan.

- 27 Prozent können ihr Konzept nicht schlüssig erklären. 17 Prozent überlassen sogar die Gesprächsführung einem Berater. Doch Banken verlangen von einem künftigen Unternehmer, dass er selbst seine Idee vertreten und nicht nur gegenüber der Bank, sondern vor allem gegenüber Kunden und Zulieferern verhandlungssicher auftritt.

Vier Ratschläge für Existenzgründer

Aus der Vielzahl der Gespräche ziehen IHKs folgende Ratschläge für Existenzgründer:

1) Kunden in den Mittelpunkt des Vorhabens stellen! Unerlässliche Grundlage für die Selbstständigkeit ist ein sauber kalkulierter Businessplan, mit dem der Gründer sich und potenziellen Geldgebern die Chancen und Risiken seines Vorhabens klar vor Augen führt. Kernelemente sind zudem eine fundierte Marktanalyse, die sorgfältige Ermittlung des Kapitalbedarfs sowie eine gründliche Rentabilitäts- und Liquiditätsplanung.

2) Kompetent und sicher auftreten! Wer Zweifel an seinem eigenen Vorhaben zulässt, wird die Bank nicht überzeugen. Je mehr Informationen Existenzgründer der Bank über ihr Vorhaben geben, je offener sie auch Risiken ansprechen und je kundenorientierter - sprich: "Bank"-orientierter - sie diese Informationen vermitteln, desto besser sind die Chancen auf einen Kredit. Ein Berater an der Seite sollte das Gespräch ergänzen, aber nicht führen.

3) "Schwimmtest" machen! Viel Aufschluss über die Erfolgschancen kann ein "Schwimmtest" geben: Vor dem Sprung ins kalte Wasser sollten angehende Unternehmer versuchen, Freunde und Bekannte, oder auch Menschen auf der Straße von der Produktidee zu überzeugen. Bei der Erstellung des Businessplans helfen zum Beispiel die Industrie- und Handelskammern.

4) Üben, üben, üben! Vor dem Bankgespräch sollten Gründer die Situation mit einem Partner "durchspielen". So könnte ein Kreditgespräch mit einem IHK-Existenzgründungsexperten simuliert werden. Damit lassen sich manche Fallstricke aufdecken und vermeiden.

Allzu schematische Kreditprüfung

Was für den Gründer gilt, gilt spiegelbildlich auch für die Kreditinstitute: Bei allzu schematischer Kreditprüfung drohen manche Vorhaben durchs Raster zu fallen, die für das Kreditinstitut ein profitables Investment hätten sein können.

- Bei "Gründer-Clubs" mitmachen! Gerade für wissensbasierte Gründungen, deren Erfolgschancen besonders schwer abzuschätzen sind, existieren in den IHK-Regionen oft Arbeitskreise mit Hochschulen, IHKs, Stiftungen, Venture-Capital-Gesellschaften und Kreditinstituten. Der Erfahrungsaustausch hilft, Trends aufzuspüren; er kann einen guten Informationshintergrund für die Prüfung etwa von High-Tech-Vorhaben bieten. Daher sollten Kreditinstitute sich an solchen "Gründer-Clubs" beteiligen.

- Gründer als Partner von morgen verstehen! Kreditinstitute sollten Existenzgründer nicht als Bittsteller begreifen, sondern als potenzielle künftige Geschäftspartner. Ein Rating, das dem Gründungsvorhaben gerecht wird, sollte nicht rein computerisiert, sondern auch mit dem nötigen Fingerspitzengefühl erfolgen und dabei Zahlen und Gründungspersönlichkeit berücksichtigen. Gerade bei einer Existenzgründung kommt es darauf an, eine Einschätzung zur Zukunft zu wagen und neuen Ideen gegenüber bei aller sachlichen Nüchternheit aufgeschlossen zu sein. Denn bei der Gründung eines Unternehmens geht es nicht um die Bilanz von gestern, sondern um die Bilanz von morgen.

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