Aufsätze

Die Bedeutung inflationsgeschützter Anleihen für institutionelle Investoren

An den Rentenmärkten stellen Anleihen, welche an einen Inflationsindex gekoppelt sind, ein Wachstumssegment dar. Weltweit wurden bereits inflationsgeschützte Anleihen im Volumen von zirka 1,3 Billionen US-Dollar emittiert. Die größten Emittenten inflationsgeschützter Anleihen sind die USA und Großbritannien.

Inflation als eigene Assetklasse

Aber auch in der Eurozone gewinnen Linker zunehmend an Bedeutung. Bereits seit 1998 werden inflationsgeschützte Anleihen durch die französische Agence France Trésor (AFT) begeben. Mit der Emission der Bundei 2016 im Jahr 2006 hat der Markt für inflationsindexierte Anleihen in der Eurozone erheblich an Bedeutung gewonnen. Neben Frankreich und Deutschland zählen zu den Emittenten aus der Eurozone auch Griechenland und Italien (Abbildung 1).

Der Reiz inflationsgeschützter Produkte besteht darin, dass hiermit Inflation zu einer eigenen Assetklasse avanciert und handelbar wird. Für Rentenmarktinvestoren bietet sich hierdurch die Möglichkeit, sich gegen ansteigende Inflationsraten abzusichern, das eigene Portfolio zu diversifizieren sowie eine Outperformance gegenüber herkömmlichen Anleihen zu erzielen. Emittenten inflationsgeschützter Anleihen erhoffen sich hingegen eine Reduktion ihrer nominalen Finanzierungskosten.

Generell gilt, dass in Phasen niedriger Inflationsraten, beispielsweise zu beobachten in den Jahren 2002 bis 2005, dem Inflationsrisiko relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Daher ist in solchen Phasen auch das Bedürfnis, sich gegen unerwartete Anstiege der Inflationsrate abzusichern, eher gering. Infolgedessen verharrten die Break-Even-Inflationsraten, welche als Markterwartung der zukünftigen jahresdurchschnittlichen Inflationsraten interpretiert werden können, in den Jahren 2002 bis 2005 auf niedrigen Niveaus (Abbildung 2).

Dies hat sich jedoch im Einklang mit den aktuell zu beobachtenden Anstiegen der Inflationsraten in der Eurozone und den USA geändert. Seit Jahresbeginn 2008 sind die Inflationserwartungen, gemessen anhand der Break-Even-Inflationsraten, signifikant angestiegen. Die Break-Even-Inflationsrate ist die durchschnittliche jährliche Inflationsrate, die über die Restlaufzeit der Anleihen realisiert werden muss, damit die nominale Rendite einer inflationsgeschützten Anleihe derjenigen einer konventionellen Anleihe derselben Restlaufzeit entspricht.

Steigende Inflationserwartungen verteuern Linker im Vergleich zu herkömmlichen Anleihen und bescheren dem Investor gegenüber herkömmlichen Bonds eine relative Outperformance. Hält man die Linker bis zur Endfälligkeit, muss die über die Laufzeit tatsächlich aufgelaufene Inflation die Break-Even-Inflationsrate zum Zeitpunkt des Kaufs der Anleihe übersteigen, um mit der inflationsgeschützten Anleihe im Vergleich zur laufzeitkongruenten Nominalanleihe eine Outperformance zu erzielen.

Reduktion der Gesamtvolatilität

Spiegelbildlich sinken die Finanzierungskosten für die Emittenten inflationsgeschützter Anleihen, falls die realisierte Inflationsrate niedriger ausfällt als vom Rentenmarkt erwartet. In den Vereinigten Staaten hat sich die Hoffnung des US-Schatzamtes, die Finanzierungskosten des Staates durch die Emission der Treasury-Inflation-Protected-Securities (TIPS) zu senken, laut einer Studie der Federal Reserve aus dem Jahr 2004 bis zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht erfüllt* (Zeitraum 1997 bis 2004). Gute Aussichten also für Investoren. Neben dem eingebauten Inflationsschutz und der daraus resultierenden Möglichkeit, eine Outperformance bei steigenden Inflationsraten zu erzielen, können Linker dazu beitragen, die Gesamtvolatilität eines Fixed-Income-Portfolios zu reduzieren.

Errechnet man die rollierenden Korrelationen (50-Tage-Fenster) zwischen der Performance einer inflationsgeschützten Anleihe und einer laufzeitkongruenten Nominalanleihe, kann beobachtet werden, dass diese in der Regel nicht perfekt korreliert sind. Entscheidend für den Verlauf der rollierenden Korrelationen ist die Frage, von welcher Seite die Renditeveränderungen herrühren. Gehen die Renditebewegungen beispielsweise von Änderungen der Realrendite aus, ist die Korrelation zwischen der Performance des Linkers und der Nominalanleihe relativ hoch. Die Diversifikationseffekte im Portfolio sind dementsprechend eher gering (Abbildung 3).

In Zeiten aufkommender Geldentwertungsängste schwächt sich die Korrelation zwischen den Real- und Nominalrenditen jedoch stark ab (zu beobachten am rechten Rand der Grafik), wodurch im Portfolio durch die Aufnahme inflationsgeschützter Anleihen signifikante Diversifikationseffekte erzielt werden können. Die Vorzüge des eingebauten Inflationsschutzes werden in einem solchen Szenario deutlich. Als Beispiel kann hierfür das Jahr 2003 dienen, in welchem die Inflationserwartungen trotz tendenziell fallender Inflationsraten angestiegen sind und zu einer Outperformance der Linker geführt haben.

Neben der Möglichkeit mit Linkern eine höhere Rendite zu erzielen und das Gesamtrisiko des eigenen Portfolios zu reduzieren, muss der Einsatz inflationsgeschützter Anleihen insbesondere bei Versicherungsunternehmen unter dem Aspekt des Asset-Liability-Managements (ALM) betrachtet werden. Hierzu muss zunächst zwischen Versicherungsunternehmen mit nominalen (Lebensversicherungen, Pensionskassen) und realen Leistungsversprechen (Schaden-, Unfall- und Kranken- Versicherungen) unterschieden werden. Bei Letzteren steigt die Leistungshöhe in der Regel im Einklang mit der allgemeinen Teuerung an, so dass mit dem Einsatz inflationsgeschützter Anleihen die Möglichkeit besteht, inflationsbedingte Anstiege der Verpflichtungen abzusichern. Ein Auseinanderlaufen der Aktiv- und Passivseite kann somit verhindert beziehungsweise reduziert werden.

Vorzüge des eingebauten Inflationsschutzes

Bei Lebensversicherungen ist der ALM- Aspekt jedoch weniger eindeutig. Da die Bilanzen der Lebensversicherungsunternehmen in der Regel auf der Passivseite eine höhere Duration aufweisen als auf der Aktivseite, profitieren diese in einer aggregierten Betrachtung der Aktiv- und Passivseite in der Regel von steigenden Renditen und demzufolge von steigenden Inflationsraten. Ein Investment in inflationsgeschützte Anleihen verstärkt diese Positionierung, sodass von einem Diversifikationseffekt in einem solchen Szenario nicht die Rede sein kann.

Auf der anderen Seite ermöglicht es das am 1. Januar 2008 eingeführte neue Versicherungsvertragsgesetz (VVG), einem Versicherungsnehmer zu deutlich attraktiveren Bedingungen als bisher seinen Vertrag zu kündigen. Da er 50 Prozent der seinem Vertrag zurechenbaren stillen Reserven (einschließlich Namenspapiere) bei Beendigung beziehungsweise Fälligkeit ausgezahlt bekommt, ist er in den jährlichen Schreiben zur Überschussbeteiligung über diese zu informieren.

Deutlich höhere Stornoquoten?

Die Entwicklung der Reserven dürfte damit stärker in die Beurteilung des Kapitalanlageerfolgs einer Versicherung einfließen. Eine niedrigere Überschussbeteiligung/Verschlechterung der Reservesituation dürfte dabei in einem Umfeld steigender Preise besonders negativ empfunden werden. Dies könnte im Vergleich zur Vergangenheit zu deutlich höheren Stornoquoten führen und zudem Wettbewerbsnachteile im Neugeschäft implizieren.

Durch den Einsatz inflationsgeschützter Anleihen kann die Überschussbeteiligung bei steigenden Renditen schneller angepasst werden und die Wahrscheinlichkeit steigender Stornoquoten reduziert werden. Entsprechend muss das Risiko einer erhöhten Storno-Wahrscheinlichkeit sowie einer verschlechterten Wettbewerbsposition im Neugeschäft gegen das Risiko einer Verstärkung der auf steigende Renditen ausgerichteten Positionierung jeweils individuell abgewogen werden. Der Aspekt des Asset-Liability-Managements einerseits sowie die Möglichkeit mit inflationsindexierten Produkten, ein Portfolio effizienter zu machen andererseits, waren bei den bisherigen Abschlüssen die zentralen Beweggründe der institutionellen Kunden.

Entscheidend für die Performance inflationsgeschützter Produkte ist die Differenz zwischen realisierten Inflationsraten und Break-Even-Inflationsraten zum Zeitpunkt des Kaufs. Der springende Punkt für oder wider ein Investment in inflationsindexierte Produkte ist daher die Erwartung der Investoren bezüglich der Konsumenten-preis-Entwicklung. Obgleich die Inflationsrate im Laufe des Jahres 2008 aufgrund von Basiseffekten tendenziell wieder etwas fallen sollte, gibt es eine Reihe von strukturellen Einflussfaktoren, die dafür sprechen, dass die EZB-Norm für Preisstabilität im Euroraum auf absehbare Zeit nicht erreicht wird. Am Markt für inflationsindexierte Staatsanleihen aus dem Euroraum wird derzeit auf Basis der Bundei 2016 eine jahresdurchschnittliche Inflationsrate für den HVPI ex Tabak von zirka 2,5 Prozent per annum in den kommenden acht Jahren eskomptiert.

Inflation und Konjunktur

Wie bereits erwähnt, lassen die zyklischen Faktoren in Verbindung mit Basiseffekten ab dem Herbst 2008 einen nachlassenden Teuerungsdruck im Euroraum erwarten. Die Interdependenz zwischen der Inflationsrate einerseits und dem Konjunkturzyklus andererseits zeigt am Beispiel von Deutschland die Abbildung 4. Nach Phasen stärkeren Wachstums konnte in der Vergangenheit zumeist eine Beschleunigung der Inflationsrate beobachtet werden, schwächeres Wachstum führte im Anschluss häufig zu nachlassendem Preisdruck. Die zeitliche Verzögerung der Reaktion der Inflationsrate auf das BIP-Wachstum variierte dabei jedoch relativ deutlich.

Die momentan zu beobachtende beziehungsweise erwartete spürbare Abkühlung des Wirtschaftswachstums in der Eurozone sollte daher in naher Zukunft für einen nachlassenden Inflationstrend sorgen. Demgegenüber deuten die strukturellen Faktoren in die andere Richtung.

Zunächst einmal wurde in den vergangenen Jahren die monetäre Basis für einen weltweiten Inflationsschub gelegt. Im Juli-Monatsbericht 2008 weist die Deutsche Bundesbank darauf hin, dass die global ausstehenden Finanzaktiva von Ende 2002 bis Ende 2006 von 106 auf 194 Billionen US-Dollar gestiegen sind. In der Folge haben die globalen Finanzaktiva, so die Deutsche Bundesbank, zirka 400 Prozent des Weltsozialproduktes ausgemacht gegenüber 325 Prozent vier Jahre zuvor. In die gleiche Richtung weist die Analyse bezüglich des Verhältnisses des nominalen BIP-Wachstums und der Geldmenge M2 im OECD-Raum (Abbildung 5).

Um den enormen Geldmengenüberhang abzubauen, müsste die Geldpolitik von akkomodierend auf restriktiv umschalten, was im Zuge der andauernden Finanzmarktkrise und der starken Wirtschaftsabkühlung eher unwahrscheinlich erscheint. Insbesondere mit Blick auf die Erfahrung und Lehre aus der US-Geldpolitik während der großen Depression dürfte dies angesichts des nach wie vor sehr fragilen Finanzsystems ausbleiben. Als Indiz hierfür kann der folgende Satz aus dem Testimony von Ben Bernanke vor dem Bankenausschuss des Senats am 15. Juli 2008 gelten: "... consequently, helping the financial markets to return to more normal functioning will continue to be a top priority of the Federal Reserve." Etwas zugespitzt könnte man auch formulieren: Die Inflation (insbesondere in den USA) ist der Preis zur Überwindung der Finanzmarktkrise.

Anhaltend hohe Nachfrage für Agrarprodukte

Darüber hinaus sorgen die kräftig gestiegenen Energie- und Nahrungsmittelpreise für anhaltend hohen Preisdruck. Während die Preise für Energie, insbesondere für Öl, deutlich angestiegen sind und sich dies bereits in den Inflationsraten widerspiegelt, besitzen Agrarrohstoffe noch Nachholbedarf. Neben der stark wachsenden Weltbevölkerung, der geplanten Erweiterung der Bioethanolproduktion (zumindest in den USA) sowie einer begrenzten Anbaufläche für Agrarprodukte, spricht die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten (Globalisation of Habits) in den Schwellenländern für eine anhaltend hohe Nachfrage (Abbildung 6).

Da Energie- und Nahrungsmittelpreise in den Schwellenländern im Vergleich zu den entwickelten Ländern einen deutlich größeren Anteil in den jeweiligen Preisindizes haben, sehen sich diese mit teilweise zweistelligen Inflationsraten und deutlich steigenden Nominallöhnen konfrontiert. Im Zuge der Integration der Schwellenländer in den Welthandel exportieren diese ihre höheren Inflationsraten in die Industrieländer. Der mit der Globalisierung verbundene Disinflationseffekt der vergangenen Jahre ist damit vorbei.

Schließlich stellt die Diskrepanz zwischen gefühlter Inflation einerseits und offiziell ausgewiesener Inflation andererseits ein strukturelles Risiko dar. So beträgt die gefühlte Inflation in Deutschland - berechnet von Prof. Brachinger von der Universität Fribourg (Schweiz) - zurzeit zirka zwölf Prozent, im Vergleich zu 3,3 Prozent laut Statistischem Bundesamt. Die Differenz rührt daher, dass bei der gefühlten Inflation Produkte und Dienstleistungen, die häufig gekauft werden, mit einem stärkeren Gewicht vertreten sind als solche, die nur selten eingekauft werden. Diese Diskrepanz könnte, wenn sie andauert, die von der Europäischen Zentralbank befürchteten Zweitrundeneffekte auslösen.

Die Gefahren höherer Inflationsraten haben ohne Zweifel zugenommen. Somit dürfte das Thema Inflation so schnell nicht wieder von der Bildfläche verschwinden und dafür sorgen, dass die Absicherung gegen Inflationsrisiken auf der Agenda der Investoren bleibt. Hierauf deuten auch die kürzlich erfolgten Aufstockungen der inflationsgeschützten Anleihe Bundei 2016 und der Aufstockung der OBLei 2013 um jeweils zwei Milliarden Euro hin. Während die Linker um das 1,8-fache überzeichnet waren, lag die Nachfrage nach Anleihen ohne Inflationsschutz zum Teil unter dem Angebot. Aber auch auf Seiten der Emittenten gibt es gute Gründe inflationsgeschützte Anleihen zu emittieren. Theoretisch sollte durch die Übernahme des Inflationsrisikos durch den Emittenten die Inflationsrisikoprämie für den Investor wegfallen und somit die Finanzierungskosten senken. Das heißt während der Investor einer Nominalanleihe für das Inflationsrisiko einen Renditeaufschlag verlangt, muss die Prämie für Investoren in inflationsgeschützten Anleihen nicht entrichtet werden. Als weiteren Grund für die Finanzagenturen der Länder, inflationsindexierte Produkte zu emittieren, lässt sich der sogenannte "Budget Smoothing-Effekt" nennen. Dieser Effekt beruht auf der Annahme, dass das Fiskaldefizit und die Inflationsrate negativ korreliert sind. Prinzipiell sollten hohe Wachstumsraten Phasen höherer Inflationsraten nach sich ziehen und vice versa.

Glättung der Budgetausgaben?

Geht man nun davon aus, dass das Fiskaldefizit in Zeiten guter Konjunktur generell eher niedriger ausfällt als in Phasen schwächeren Wachstums, sollten sich die Finanzierungsausgaben des Staates durch die Emission von inflationsgeschützten Anleihen in Phasen stärkeren Wachstums erhöhen und in schwächeren Konjunkturverläufen reduzieren. Dies könnte zu einer Glättung der Budgetausgaben beitragen. Zudem unterstützt ein Emittent inflationsgeschützter Produkte die Notenbank, indem er Vertrauen gegenüber der Geldwertstabilität signalisiert.

Inflationsgeschützte Anleihen erweitern das Anlageuniversum für Investoren. Die Vorzüge der Linker werden insbesondere bei Anstiegen der Inflationserwartungen und realisierten Inflationsraten offensichtlich. In einem solchen Szenario kann mit Linkern gegenüber herkömmlichen Anleihen eine Outperformance erzielt werden. Ferner können mit der Aufnahme inflationsgeschützter Anleihen ins Depot in der Regel Diversifikationsvorteile erreicht werden. Für Versicherungsunternehmen dürfte zudem der ALM-Gesichtspunkt für die Assetklasse der inflationsindexierten Anleihen sprechen. Aufgrund dessen sollte die Bedeutung inflationsindexierter Anleihen in der Zukunft weiter zunehmen.

* Brian Sack und Robert Elsasser: "Treasury Iflnation-Indexed Debt: A Review of the US-Experience".

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