Leitartikel

Bankenregulierung: Wie dicht?

Auf den ersten Blick kann man nach den Erfahrungen der vielschichtigen Krise ja froh sein, dass die internationalen Bankenaufseher ebenso wie die für die Umsetzung zuständigen politischen Instanzen seit nunmehr drei Jahren wirklich unentwegt an der bestmöglichen Regulierung der Branche arbeiten. Aber bei näherem Hinsehen hat die momentane Intensität, mit der die Bankenregulierung auf allen Ebenen als Daueraufgabe verinnerlicht ist, auch etwas Bedrohliches. Denn wenn eine Beschluss-, Beratungs- und Konsultationsphase die andere jagt, Fristen verschoben werden und sich all diese Dinge auf der Ebene der Regulatoren wie auf diversen nationalen und übernationalen politischen Schienen noch ständig überlappen, besteht nicht nur die Gefahr, dass selbst ausgewiesene Experten ein wenig den Überblick über die wirkliche Lage verlieren. Sondern man muss die Frage nach der Wirksamkeit der bereits beschlossenen Elemente wie des angestrebten Gesamtpaketes stellen. Eines lässt sich schon sagen: In der Hartnäckigkeit, mit der auf allen Ebenen Einzelinteressen und Standortvorteile verteidigt werden, ist die Schaffung eines vielbeschworenen Level Playing Field nahezu illusorisch.

Wenn aber dieses wichtige Ziel einer wettbewerbsneutralen Regulierung bei der heutigen Vernetzung der Finanzmärkte nicht wirklich erreicht werden kann, muss man sich ernsthaft Gedanken über den sinnvollen Grad an Regulierung machen. Könnte es nicht sein, dass ein Weniger an Regulierung - sprich die Beschränkung auf das wirklich international Machbare - letztlich nicht ein Mehr an Wirkung bedeutet? Denn mögliche Ausweichreaktionen für internationale Kapitalströme in nennenswertem Ausmaß können ihrerseits die Ursache für weitere Verwerfungen bilden. Vermeiden lässt sich die nächste Krise allenfalls an der Stelle, an der die vermeintlichen Lücken gestopft werden. Dass kommende Verwerfungen an ganz anderen Brennpunkten auftreten, ist damit längst nicht ausgeschlossen. Ein gutes Beispiel für die unterschiedlichen Interessenlagen liefert auf regulatorischer Ebene gerade die Impactstudie QIS 6. Deren Ergebnisse wurden von den nationalen Aufsehern von Februar bis April dieses Jahres erhoben, dann ausgewertet und dieser Tage auf der Sitzung des Baseler Ausschusses beraten. Auch wenn die deutsche Seite schon Anfang Juli auf dem traditionellen Bundesbanksymposium "Bankenaufsicht im Dialog" ein wenig beruhigt hat, dass die Ergebnisse für die deutsche Kreditwirtschaft im Rahmen der Erwartungen geblieben sind, stehen bis zu dem angepeilten Inkrafttreten der Neuregelungen Ende 2012 noch umfangreiche Diskussionen im weltweiten politischen Umsetzungsprozess ins Haus. Zu Recht hat Franz-Christoph Zeitler in diesem Zusammenhang auf das generelle Spannungsverhältnis zwischen mittelfristiger Systemstabilität und kurzfristigen Auswirkungen auf die Realwirtschaft verwiesen. Aber wie will man diesen Konflikt bei der Umsetzung verantwortlich handhaben? Was für deutsche Verhältnisse richtig terminiert ist, kommt für andere europäische Länder und/oder die amerikanische Wirtschaft möglicherweise zu früh. Und in den massiv an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnenden Schwellenländern herrschen ohnehin ganz andere Bedingungen, die den richtigen Zeitpunkt für das Inkrafttreten in den Hintergrund rücken.

Abseits von der richtigen Terminierung sowie möglichen Übergangsfristen zur vertraglichen Implementierung in unterschiedlichen Konjunkturlagen hat die deutsche Seite schon im Vorfeld der Abschlusserörterung der ursprünglichen Baseler Vorschläge von Mitte Juli 2009 (insbesondere zum Handelsbuch) und vom Dezember 2009 (Widerstandskraft des Finanzsektors und Liquidität) die Betonung auf das Gesamtpaket gelegt. Als besonders wichtig hat Erich Loeper fünf Themenbereiche genannt: zusätzlicher Kapitalpuffer, Leverage Ratio, künftige Eigenkapitaldefinition, Abgrenzung von systemrelevanten Banken sowie Liquiditätspuffer. Ausdrücklich betont hat der Zentralbereichsleiter Banken und Finanzaufsicht bei der Deutschen Bundesbank dabei freilich die Wechselwirkung zwischen all den Einzelmaßnahmen des Gesamtpaketes. Und diese tangiert neben den speziellen Bedingungen der deutschen Bankenstruktur mit den beiden Verbundgruppen als wesentlichen Bestandteilen der hiesigen Branche auch die wichtige Frage der Akzeptanz auf Institutsebene.

Gerade an dieser Stelle erheben die Bankpraktiker auch bei der Umsetzung der neuen Vorgaben einen altbekannten Vorwurf. Im Prinzip muss es den Bankern jedweder Institutsgruppe ein ureigenes Anliegen sein, ihre diversen Risiken im Griff zu halten und auch gegenüber neuen Herausforderungen möglichst gewappnet zu sein. Insofern hat nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre auch niemand ernsthaft gefordert, auf eine regulatorische Neujustierung ganz zu verzichten. Würde es freilich besser gelingen, die regulatorischen Meldepflichten und Vorgaben mehr auf den betriebswirtschaftlichen Steuerungsmechanismen für die diversen Risikopositionen aufzusetzen, die bankintern ohnehin turnusmäßig erhoben werden, würde das die Akzeptanz für die regulatorischen Ansinnen an die Kreditwirtschaft deutlich steigern.

Doch dieser Anspruch ist im internationalen Maßstab der Regulierungsusancen vielleicht zu anspruchsvoll. So sehr der Dialog zwischen Banken und Aufsicht in Deutschland auch gegeben ist und nachhaltig gepflegt wird, kann man dieses Modell nicht auf die internationale Bühne übertragen. Dort ist die hiesige Kreditwirtschaft darauf angewiesen, dass die deutsche Delegation ihre speziellen Probleme kennt und berechtigte (Sonder-)Interessen mit gebotener Hartnäckigkeit vertritt, ohne dabei sinnvolle Fortschritte im Ganzen zu torpedieren. Wichtige Phasen sind dabei nun die Übergangszeit in Richtung des Seoul-Gipfels im November zur politischen Billigung durch G20 sowie die parallel verlaufenden Beratungen zur Brüsseler Umsetzung. Die Ausgestaltung der Bankenaufsicht in wichtigen Detailfragen behält auf absehbare Sicht hohe Dringlichkeit.

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