Gespräch des Tages

Bankenaufsicht - Wohlkalkulierte Bilanzierung

War es bloßes Kalkül und damit eine Warnung an alle Befürworter der Bankenaufsicht im Hause Deutsche Bundesbank? Oder war es schon ein (kleines bisschen) sentimentaler Rückblick und eine (stolze) Bilanz des Geleisteten? Jochen Sanio, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, hat anlässlich des Neujahrsempfangs seiner Behörde jedenfalls so sehr wie nie zuvor die vielfältigen und vielschichtigen Zusammenhänge zwischen Banken und Versicherungen und damit auch zwischen Banken- und Versicherungsaufsicht hervorgehoben.

Zum Beispiel: Durch den kommenden Baseler Eigenkapitalstandard sind auch die Versicherungen betroffen. Nach diesem werden nämlich Hybridkapitalinstrumente an Bedeutung verlieren. Und gerade mit diesen Instrumenten konnten Versicherer in jüngerer Vergangenheit mit nur leicht höheren Risiko eine spürbar bessere Rendite erzielen - was gerade in Niedrigzinsphasen mitunter wichtig sein kann. Dann: Wie wirken sich steigende Zinsen aus? Nicht gut für die Versicherer, denn diese hätten sicherlich Schwierigkeiten, im Wettbewerb mit Banken zu bestehen, die wesentlich schneller reagieren und höhere Zinsen anbieten könnten. Oder: Wie geht man bilanziell mit Ratingverschlechterungen um. Das trifft Banken wie Versicherer, und die Probleme der Banken sind leidlich bekannt. Doch auch die Versicherungswirtschaft habe, so Sanio, "auf diese Frage leider nicht immer eine einheitliche Antwort gefunden".

Natürlich, die anhaltenden Diskussionen um die BaFin schmerzen den Präsidenten, dem eine gewisse Resignation durchaus anzumerken ist. Und natürlich steht er hinter dem Konstrukt einer integrierten Allfinanzaufsicht, hat er diese inzwischen längst bewährte Institution doch 2001 selbst mitbegründet. Ein Übernahme durch die Bundesbank lässt sich aber auch mit all diesen Argumenten sicherlich nicht verhindern - die Frage ist nur noch, wie umfassend diese sein wird. Eine Trennung von Banken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsicht wäre zwar denkbar, aber sicherlich nicht die beste aller Optionen, auch mit Blick auf Frankreich, wo gerade die Überwachung von Banken und Versicherungen zusammengelegt wurde in der Notenbank.

Während der Präsident hier also eher zur Eile und zu schneller Entscheidung drängt, wohl auch aus eigenem Interesse, denn Hängepartien sind seine Sache nicht, so mahnt er an anderer Stelle zur Besonnenheit - und zwar in Sachen Eigenkapitalstandard. "Je nachdem, wie hart die neuen Regeln ausfallen werden, und je nach der dann herrschenden wirtschaftlichen Situation muss man wahrscheinlich an bis zu fünf Jahre denken", so Sanio. Einerseits, um den Aufschwung nicht abzuwürgen, andererseits wegen der prozyklischen Wirkung der bestehenden Regelungen, die man kaum neutralisieren kann, ohne schädliche Nebenwirkungen für das Finanzsystem zu riskieren. Ein Ausweg könnten aus seiner Sicht neue Bilanzierungsregeln sein, nämlich der Expected-Loss-Ansatz, der Wertberichtigungen nicht erst beim Eintritt von Verlusten vorschreibt, würden stattdessen diese Jahr für Jahr kontinuierlich anfallen. Zu ermitteln seien diese Werte nach Ansicht des BaFin-Präsidenten ohne großen Mehraufwand aus den Vorgaben zu Basel II, vor allem der Erwartung von unexpected losses.

Doch selbst das löst noch nicht eines der größten Probleme der Finanzmarktaufseher, das der SIFIs (systemically important financial institutions). Für diese will Sanio weder ein too big, ... noch ein too connected, ... noch ein was auch immer ..., to fail gelten lassen. Vielmehr müssten auch solche Institute für Fehlverhalten bestraft werden können und vom Markt verschwinden. Allerdings geordnet und überwacht von einem extra dafür zu schaffenden, mit umfassenden Rechten ausgestatteten und außerhalb des gewöhnlichen Insolvenzrahmens agierenden Bestattungsinstitut, das die Auswirkungen für das System an sich in Grenzen hält. All das zeigt, wie viel derzeit in Bewegung ist, wie viel zu regeln und zu beachten ist, um die Finanzwelt ein kleines bisschen sicherer zu machen. Dass hierbei Deutschlands mächtiger Aufseher keine bedeutende Rolle mehr spielen möchte und kann, ist schade - für die BaFin selbst aber auch und vor allem für das System.

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