Gespräch des Tages

Bankenaufsicht - Fatale Signale vermeiden

Es klang noch ein wenig akademisch, als Elke König Ende Mai bei der Jahrespressekonferenz der BaFin mit Blick auf den Stresstest und die Bilanzprüfung der Institute unter EZB-Aufsicht noch einmal auf die Unterschiede zwischen einem Top-down- und einem Bottom-up-Ansatz hinwies. Inzwischen sieht man klarer, weshalb sich die BaFin-Präsidentin so vehement für eine größtmögliche Annäherung an das Bottom-up-Prinzip ausgesprochen hat und den von der EZB vorgesehenen hybriden Ansatz nur so weit verfolgt sehen will, als das unbedingt notwendig ist.

Zu Recht hat die BaFin den Anspruch, durch das aufwendige und mit hohen Kosten für die Institute verbundene Procedere aus AQR und Stresstest einer richtigen Einschätzung der Risikotragfähigkeit und Widerstandsfähigkeit der einzelnen Institute möglichst nahezukommen. Im Zweifel will sie bei Einstufung der Institute nicht einfach oder zumindest deutlich weniger als das der EZB vorschwebt mit wie auch immer ermittelten pauschalen Annahmen für ein europäisches Durchschnittsinstitut oder allgemeine Markttendenzen in Europa operieren. Vielmehr will sie den Banken, die in den vergangenen Monaten im AQR ein enormes Pensum absolvieren mussten, um die abgefragten Datenmassen einzubringen, ein objektives Verfahren abliefern. Sie sollen in klar definiertem Rahmen unter belastbaren Maßstäben nachvollziehen können, wie sie sich im aufsichtsrechtlichen europäischen Bankenranking einordnen dürfen. An diesem Anspruch gemessen wird klar, weshalb seitens der deutschen Aufsicht immer wieder der Grundsatz Sorgfalt vor Schnelligkeit betont wurde. Und es wird auch deutlich, dass mit Einbeziehung der Banken in die Ergebnisse des AQR das Problem der Ad-hoc-Publizität von Anfang an einen so großen Stellenwert hatte.

Gleicht hingegen die EZB die Stresstestergebnisse der Banken teilweise mit Hilfe pauschaler Annahmen zu deren AQR-Ergebnissen ab, ohne die betroffenen Banken vor Veröffentlichung der Gesamtergebnisse in aller Tiefe über den AQR zu informieren, ist das Problem der Publizitätspflicht in der Tat entschärft. Gefährdet ist aber die Glaubwürdigkeit. Denn es kann Institute geben, die es angesichts der Pauschalisierung schaffen, aber anhand der originären AQR-Daten durchgefallen wären. Und umgekehrt könnten Banken den originären Daten nach positiv, nach der Anwendung von pauschalisierten Annahmen aber negativ abschneiden. Der Umgang mit diesen kritischen Fällen, in denen quasi die Pauschalisierung über Bestehen oder Durchfallen entscheidet, dürfte im Wesentlichen die Ursache für den sicherlich unglücklichen öffentlichen Disput sein.

Besonders diese Grenzfälle stellen die EZB und die nationalen Aufseher jedenfalls vor ein Dilemma. Hinter den 4. November als Starttermin der europäischen Aufsicht kann eigentlich niemand mehr zurück. Aber wenn es aus Zeitgründen nun nicht mehr möglich ist oder seitens der EZB von Anfang gar nicht geplant war, dem Bottom-up-Ansatz vorrangige Relevanz einzuräumen, droht der europäischen Aufsicht nun ein Glaubwürdigkeitsproblem, wie man es nach den schlechten Erfahrungen mit dem EBA-Stresstest eigentlich vermeiden wollte. Wie soll man etwa einer der 24 involvierten deutschen Banken klarmachen, dass sie den Stresstest nicht bestanden hat, weil für das Ausfallrisiko von Mittelstandskrediten oder privaten Wohnungsbaukrediten mit Blick auf eine ausgewogene Behandlung der gesamten Eurozone schlechtere Quoten angesetzt werden als sie unter Einbeziehung des AQR den tatsächlichen Ausfallraten in den vergangenen Jahren entsprechen?

Daniéle Nouy, die neue Vorsitzende des Aufsichtsgremiums des SSM, persönlich hat kürzlich auf dem diesjährigen Bundesbank Symposium "Bankenaufsicht im Dialog" dem vielfach direkt mit den Dingen beschäftigten Fachpublikum versprochen, den Banken vor Veröffentlichung der Gesamtergebnisse Einblick in die wesentlichen Eckdaten ihrer AQR-Beurteilung zu geben und noch im Vorfeld der Veröffentlichung der Gesamtergebnisse eine bilaterale Konsultation aufzunehmen. Genau dieses kritische Zeitfenster ist ebenso spannend wie unkalkulierbar. Schon bei der Veröffentlichung des EBA-Stresstestes haben einige Institute prüfen lassen, bei welchen Rechtsinstanzen man gegen die Einstufung klagen kann. Sollte die EZB - so hat auf derselben Veranstaltung auch Gerhard Hofmann als Vertreter der Deutschen Kreditwirtschaft anklingen lassen - mit der Veröffentlichung der Ergebnisse von AQR und Stresstest den ein oder anderen Rechtsstreit mit betroffenen Instituten auslösen, wäre das für den Start einer von der Sache her sinnvollen gemeinsamen europäischen Bankenaufsicht fatal.

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