Gespräch des Tages

Bankenabgabe I - Nichts als Rache

Der Vergleich ist widerlich, aber er passt: Die Anzahl der Hinrichtungen in dieser unserer Welt verändert sich nur wesentlich, wenn wieder irgendein Land die Todesstrafe abschafft. Dass die Mordlust und verwandte Bestialitäten in irgendeiner befriedigenden Weise damit korreliert, dass es Hinrichtungen gibt oder nicht, ist leider, leider nicht feststellbar. Die schlimmste aller Strafen wirkt nicht eigentlich abschreckend. Und ob ein angehobenes Strafmaß bei relativen Bagatellsachen wie einer Wirtschaftsprügelei oder einer Geschwindigkeitsüberschreitung das Sozialverhalten bessert, ist auch nicht immer gewiss. Man wird deshalb meistenteils davon ausgehen dürfen, dass das staatliche Gewaltmonopol nur bedingt der Prävention dient, unbedingt aber dem verbreiteten Bedürfnis des gewöhnlichen Zeitgenossen nach Rache.

Seitdem namhafte Elemente der so lange hochverehrten Kreditwirtschaft erstens Kollegen, zweitens Kunden und drittens Volkswirtschaften nachhaltig geschädigt haben, sind eben diese Rachegelüste gegenüber Banken wie Bankern außerordentlich hoch. Das Volk will "die Schuldigen" bestraft sehen, die Halunken und die Gierlinge, die Unglücksraben und die Fahrlässigen, die Strohdummen und die Superschlauen. Und weil die politische Führung des Landes wie der Länder sich von Zeit zu Zeit dem Volk verpflichtet fühlt, ist sie nun emsig damit beschäftigt, die populären Rachegelüste zu institutionalisieren. Das ist emotional sehr verständlich, rational aber ist es alles nicht. Gewiss, die vermehrten Einblicke der Bankenaufsicht werden solange manches zu stören wissen, wie nicht Spitzenkanzleien neue Vorhänge aufzuhängen wissen. Wohl, wohl, auch bei der Begrenzung von Gehältern und der Beschränkung von Provisionen wird es noch ein bisschen Zeit brauchen, bis die neuen Umgehungsstraßen gepflastert sind. Und dann die Bankenabgabe, die nationale wie die internationale: Sie ist nichts als eine populistische Zusatzsteuer, die eben künftig von den Betroffenen einzukalkulieren ist wie die erhöhte Tabaksteuer für die Nikotinfreunde.

Dass die Bankenabgabe einzelne Institute zur Verminderung ihrer Risiken veranlasst, kann niemand glauben wollen. Dass die Institute sich von nun an als Solidargemeinschaft fühlen werden, wenn einer wenigstens ein bisschen auf den anderen aufpasst, auch dies ist nicht zu erwarten. So etwas funktioniert ja noch nicht einmal in den Einlagensicherungssystemen der Bankengruppen freiwillig und damit ohne Gewalt. Die wahrscheinlich einzige Lösung des Dilemmas kennen dennoch alle unsere Entscheidungsträger, und versehentlich sprechen sie sie auch aus. Jochen Sanio hat auf einer Kreditpolitischen Tagung dieser Zeitschrift "vor der Krise" das Recht der Marktwirtschaft auf ordentliche Bankpleiten betont.

Peer Steinbrück hat (inzwischen) seiner HRE die geordnete Abwicklung empfohlen. Stattdessen wurde und wird der Popanz der "Systemrelevanz" aufgebaut und wie eine Vogelscheuche mit mancherlei Lumpen aufgepolstert. Solange diese Scheuche steht, solange also Banken (und Autobauer und Eurostaaten ...) sehr sicher damit rechnen können, dass ihre Schulden von Unschuldigen beglichen werden, solange werden sie sich weiter in Unmoral und Unanständigkeit suhlen wollen. Eine entschiedene Verminderung dessen, was "systemrelevant" sein soll, und was wohl doch nicht mehr richtige Bankpleiten also - würde die Suhlen wenigstens eine Zeitlang austrocknen. Unter welchen Bedingungen IKB, HRE, WestLB, Bayern-LB, LBBW endgültig geschlossen werden könnten, solche Überlegungen wären mehr edlen Schweißes würdig als ihre quälende Erhaltung. K. O.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X