Gespräch des Tages

Algorithmischer Handel - An die Kandare!

Der automatisierte Handel im Millisekundentakt ist nicht per se etwas Schlechtes. Dennoch müssen dem immer noch weitgehend unreglementierten Bereich Grenzen gesetzt werden. Denn durch extrem schnelle Transaktionen und Herdeneffekte zwischen Hochfrequenzhändlern können vorhandene Kursverluste schnell ausgeweitet oder verstärkt werden. Diese Sorge teilt auch die Bundesbank (siehe auch Kreditwesen 18-2011 und jüngster Stabilitätsbericht). So hat sich gerade in der Vergangenheit mehrfach gezeigt, dass sich Aktien durch algorithmische Geschäfte deutlich von ihren vorherigen Werten entfernt haben, ohne dass diese Entwicklung durch neue Unternehmensnachrichten begründet war - der "Flash Crash" in den USA im Mai 2010 dürfte wohl das prominenteste Beispiel sein. In den meisten Fällen freilich haben sich die Papiere zwar innerhalb einiger Zeit wieder erholt. Dennoch können solche Entwicklungen erheblichen Schaden anrichten.

Auch das gewichtigste Argument für den Hochfrequenzhandel, der mittlerweile rund 40 Prozent des hiesigen und 70 Prozent des US-amerikanischen Handelsgeschehens ausmacht, gilt nicht pauschal: So haben die vergangenen Monate gezeigt, dass die zusätzlich zur Verfügung gestellte Liquidität in adversen Marktsituationen zusammen mit dem Interesse der Hochfrequenzhändler schnell wieder verloren geht - also genau dann, wenn sie am dringendsten gebraucht wird. Dass extrem schnelle Programme zur Marktmanipulation und zur unfairen Vorteilsnahme gegenüber langsameren Investoren missbraucht werden können, beschäftigt zudem die Aufsichtsbehörden - von den möglichen Auswirkungen von Programmfehlern einmal ganz zu schweigen.

Dass die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag zur Novelle der Marktorganisations-Richtlinie MiFID und zur Revision der Vorgaben im Kampf gegen Insiderhandel und Marktmanipulation auch auf die Entwicklungen Hochfrequenzhandel reagiert, ist also ein längst überfälliger Schritt. Sollte sich die Behörde mit ihrem Vorschlag durchsetzen, werden die Teilnehmer stärker auskunftspflichtig über ihre algorithmischen Strategien. Die Marktbetreiber müssen sich darüber hinaus für den Fall von Fehleingaben, Kapazitätsüberlastungen oder erratischen Preisschwankungen vorbereiten. Die vorgeschlagenen Transaktionslimits könnten hier den Schaden zumindest begrenzen. Nicht zuletzt müssen die Betreiber der Handelsplätze, wie auch die Kommission vorschlägt, Notbremsen einrichten (sogenannte Circuit Breakers), wenn es zu außergewöhnlichen Talfahrten oder Höhenflügen der Kurse kommt.

Ob die Maßnahmen wirklich greifen, wird sich allerdings erst im Nachhinein zeigen können. Denn wie sollen die Aufsichtsbehörden die in den Algorithmen verankerten Strategien - und deren Effekte auf die Märkte - nachempfinden beziehungsweise kontrollieren? Dazu fehlt ihnen schlichtweg die Technologie. Währenddessen hätte die Politik beabsichtigt oder nicht - einen anderen Weg gefunden, einem Ausufern des Hochfrequenzhandels Einhalt zu gebieten: Mit der Transaktionssteuer würden sich rund die Hälfte der entsprechenden Handelsorders nicht mehr lohnen, so wird weithin von den Anbietern geschätzt, da die Margen oft nur im Cent-Bereich liegen und erst die hohe Anzahl an Trades das Geschäft lohnenswert macht. Insbesondere in London, das reich mit sogenannten Algo-Boutiquen ausgestattet ist, wird man dieser Art der Regulierung aber auch in Zukunft nicht zustimmen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X