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... Markus Ferber - Sieht das EU-Parlament Regelungsbedarf beim Hochfrequenzhandel?

Seit dem Inkrafttreten der MiFID-Richtlinie (Markets in Financial Instruments Directive - Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente) 2007 hat sich die europäische Marktinfrastruktur radikal verändert und die Regulierung hat sich als lückenhaft erwiesen. Neue Handelsplätze und neue Produkte sind entstanden. Durch die Veränderung des Marktumfeldes, aufgrund des technischen Fortschritts sowie neuen Marktteilnehmern und Produkten in den letzten fünf Jahren, muss die bestehende Richtlinie nun überarbeitet werden. Anders als bisher wird es mit der Überarbeitung der Richtlinie, die im Anschluss durch die nationalen Parlamente durch eigene Gesetze in nationales Recht umgesetzt werden muss, auch einen Verordnungsteil (MiFIR) geben. Diese Vorschriften sind dann unmittelbar nach Inkrafttreten in der ganzen EU gültig.

Gemeinsame, verbindliche Lösungen

Als Reaktion auf die Krise geht es darum, die Marktregulierung an die aktuellen Gegebenheiten und Marktsituation anzupassen. Das Ziel sind gemeinsame, verbindliche Lösungen auf dem europäischen Binnenmarkt zu schaffen, um auf den globalen Finanzmärkten weiter wettbewerbsfähig zu bleiben. Organisierter Handel soll auch an regulierten Handelsplätzen stattfinden, denn um die Stabilität der Finanzmärkte zu garantieren und Investoren ausreichend zu schützen, sollen keine Finanzinstitute und kein Finanzprodukt unreguliert bleiben. Die Kernpunkte der Überarbeitung von MiFID und MiFIR sind die Entschleunigung des Hochfrequenzhandels, die Eindämmung von massiver Spekulation auf Warenterminmärkten, mehr Transparenz beim Anlegerschutz durch neu definierte Anlageberatung und ein EU-TÜV für Finanzprodukte.

Der algorithmische, automatisch von Computern ausgeführte Handel eroberte in den letzten Jahren als hochtechnisierter Marktteilnehmer die Märkte und macht inzwischen einen Großteil des Handels aus. Die Vorschläge der Kommission zu der Richtlinie MiFID II enthalten gezielte Verpflichtungen für Personen, die algorithmischen Handel betreiben sowie eine Definition, was algorithmischer Handel ist. Algorithmischer Handel soll laut Kommission einer angemessenen Regulierung unterworfen werden.

Eine Unterform ist der Hochfrequenzhandel, bei dem innerhalb kürzester Zeit, quasi per Autopilot, ein Finanzinstrument ge- und verkauft wird. Hauptakteure sind heutzutage Computer, die mittels statistischer Algorithmen am Handel teilnehmen, ohne dass der Mensch, der sie programmiert hat, noch mitwirkt. Diese Marktteilnehmer verdienen ihr Geld damit, dass sie Informationen dank modernster Technik schneller in Anlageentscheidungen umsetzen als andere Marktteilnehmer. Die Dauer der Orderübermittlung wird inzwischen in Nanosekunden gemessen. Geschätzte 20 Milliarden US-Dollar werden mit diesem System jährlich umgesetzt.

Die Handelstechnologie hat Vorteile für den Markt und die Marktteilnehmer im Allgemeinen gebracht, etwa eine größere Beteiligung an den Märkten, erhöhte Liquidität, engere Spreads, verringerte kurzfristige Volatilität und die Mittel, mit denen die Ausführung von Kundenaufträgen verbessert werden. Doch diese Technologie birgt auch eine Reihe potenzieller Risiken, wie die erhöhte Gefahr der Überlastung der Systeme von Handelsplätzen infolge großer Mengen an Aufträgen oder das Risiko von doppelten oder irrtümlichen Aufträgen oder sonstigen Fehlleistungen. Während die Erträge des Hochfrequenzhandels offenbar beachtlich sind, ist ein volkswirtschaftlicher Nutzen jedoch nur sehr schwer zu erkennen. Damit stellt sich die Frage, ob wir algorithmischen Handel überhaupt brauchen, wenn kein ökonomischer Mehrwert daraus resultiert?

Volatilitäten

Der Hochfrequenzhandel steht im Verdacht starke Preisbewegungen zu verursachen und die Märkte instabil zu machen. Daneben besteht das Risiko, dass algorithmische Handelssysteme auf andere Marktereignisse überreagieren, was die Volatilität verschärfen kann, wenn es schon vorher ein Marktproblem gegeben hat. Das zeigte der sogenannte "flash crash" im Mai 2010 in den USA, bei dem einige Wertpapiere in kurzer Zeit über 90 Prozent an Wert verloren haben. Schließlich können durch den algorithmischen oder den Hochfrequenzhandel bestimmte Formen von missbräuchlichem Verhalten entstehen, so zum Beispiel scheinbare Nachfrage in den Orderbüchern.

Bislang ist dieser Bereich absolut unzureichend reguliert, deswegen müssen die Gefahren im computergestützten Handel durch gezielte Regulierung eingeschränkt werden. Es bedarf mehr Kontrolle und Transparenz sowie Eingriffsbefugnissen der Aufsicht. Dazu reichen jedoch die Vorschläge der Kommission bei Weitem nicht aus. Ziel ist es durch regulatorische Eingriffe die Vorteile von Hochfrequenzhandel zu erhalten und die Risiken dabei zu reduzieren.

Die Kommission schlägt zusätzliche Anforderungen für algorithmischen Handel vor, jedoch fehlt eine differenzierte Herangehensweise für den Hochfrequenzhandel. An dieser Stelle muss der Kommissionsvorschlag durch eine explizite Definition von Hochfrequenzhandel und einer Hochfrequenzhandelsstrategie nachgebessert werden.

Mindesthaltefrist und Gebühr

In Anlehnung an die Empfehlung von Scott D. O'Malia der US CFTC (Commodities Futures Trading Commission) erscheinen sechs Elemente für eine Definition von Hochfrequenzhandel sinnvoll: Die Nutzung von Co-location, ein täglicher Portfolioumsatz von mindestens 50 Prozent, Verhältnis Auftrag-Geschäft ist größer als 4:1, der Anteil an stornierten Aufträgen liegt bei über 20 Prozent, die Mehrheit von Ordern werden am selben Tag noch storniert und über 50 Prozent der Aufträge werden an Handelsplätzen ausgeführt, die Rabatte für Aufträge anbieten, die Liquidität zur Verfügung stellen.

Eine Besonderheit des Hochfrequenzhandels ist die hohe Order-Transaktions-Relation. Es wird geschätzt, dass 90 Prozent der Orders eines HF Traders nach kurzer Zeit wieder storniert werden, da dieser extrem schnell auf Marktveränderungen reagiert. Indem etwa eine große Zahl an Verkaufsorders zu unterschiedlichen Preisen in den Markt gestellt und sofort wieder gelöscht werden, bevor noch jemand darauf reagieren kann, besteht die Möglichkeiten, die Preise zu manipulieren. Es gibt in diesem Bereich also sehr wenig Interesse an realen Geschäften. Oft wird an dieser Stelle argumentiert, dass so in konstanter Weise selbst auf geringe Marktänderungen reagiert werden muss. Damit wird aber ebenso für andere Marktteilnehmer der Eindruck einer substanziellen Nachfrage erweckt. Stornierungen aufgrund veränderter Risikoeinschätzung des Marktes sind grundsätzlich legitim. Um jedoch künftige Risiken für das Finanzsystem aufgrund der neuen technologischen Entwicklungen auszuschließen, brauchen wir eine "Entschleunigung" des Hochfrequenzhandels durch eine vorgeschriebene Mindesthaltefrist für Orders und Gebühren für einzelne Handelsaktivitäten. Damit soll das permanente Platzieren und Zurückziehen von Orders, ohne dass wirkliche Transaktionen stattfinden, drastisch reduziert werden.

Aufträge sollen an allen Handelsplätzen bevor sie wieder storniert werden können mit einer Mindesthaltefrist aufrechterhalten werden. Damit soll die Praxis eingeschränkt werden, dass innerhalb weniger Millisekunden Orders platziert und wieder zurückgezogen werden. Denn das dient lediglich dazu, künstlich Angebot oder Nachfrage zu generieren, um die Preisbildung zu beeinflussen.

Im Allgemeinen ist eine Überarbeitung der Gebührenstruktur an Handelsplätzen nötig. Gebühren müssen transparent, gerecht und diskriminierungsfrei sein. Wer übermäßig viele Orders storniert, bevor sie zur Ausführung gelangen, soll künftig zusätzliche Gebühren zahlen. Das ist kein Teufelszeug, sondern ein marktübliches Instrument, das einige Börsen bereits erfolgreich anwenden. Dies sollte nun europaweit einheitlich eingeführt werden. Grundsätzlich sollte für eine stornierte Order eine höhere Gebühr fällig werden als für eine durchgeführte Order. Außerdem sollte ein Schwellenwert für die maximal mögliche Anzahl von stornierten Ordern eingeführt werden und wird diese Obergrenze überschritten, muss ebenso eine höhere Gebühr fällig werden.

Auch der Praxis des direkten elektronischen Zugangs soll ein Ende gesetzt werden, um der Gefahr vorzubeugen, dass Firmen mit unzureichenden Kontrollen Marktstörungen verursachen, um sicherzustellen, dass Marktteilnehmer identifiziert werden und für die von ihnen verursachten Marktstörungen verantwortlich gemacht werden können. Die Definition der Kommission von direktem elektronischem Zugang ist sehr breit gefasst, deswegen ist an dieser Stelle dringend eine Nachjustierung nötig, weil es in erster Linie darum gehen soll, Sponsored Market Access (oder Naked Market Access) zu verbieten und nicht Direct Market Access, wenn entsprechende Kontrollmechanismen vorhanden sind.

Automatische Handelsunterbrechung und Kontrolle

Maßstab für die EU-weite Regulierung können die hohen technischen Anforderungen sein, die an vielen europäischen Börsen bereits Standard sind, wie zum Beispiel auch die automatischen Handelsunterbrechungen (Circuit Breaker) bei starken Kursschwankungen. Sowohl Firmen als auch Handelsplätze sollten dafür sorgen, dass mit soliden Vorkehrungen verhindert wird, dass der Hochfrequenz- und automatisierte Handel zu

Störungen auf den Märkten führt und zu missbräuchlichen Zwecken genutzt werden kann. Handelsplätze sollten außerdem sicherstellen, dass ihre Handelssysteme widersfätahnigd s und korrekt getestet sind, um erhöhtem Atakurouamfgsmen oder Marktbelastungen standzuhalten und dass es Notfallsicherungen gibt, um den Handel vorübergehend zu stoppen, wenn es zu plötzlichen, unerwarteten Preisbewegungen kommt.

Diese potenziellen Risiken aus dem erhöhten Einsatz von Technologie werden am besten dadurch eingedämmt, dass spezielle Risikokontrollen, die auf Firmen ausgerichtet sind, die im algorithmischen oder Hochfrequenzhandel tätig sind, kombiniert werden mit sonstigen Maßnahmen, die Betreibern aller Handelsplätze gelten, auf die sich solche Firmen begeben. Es ist erstrebenswert, dass alle Hochfrequenzhandelsfirmen zugelassen sein müssen, wenn sie ein direktes Mitglied eines Handelsplatzes sind. Dadurch dürfte gewährleistet sein, dass sie den organisatorischen Anforderungen der Richtlinie unterliegen und ordnungsgemäß beaufsichtigt werden.

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