Wohnungswesen

Die Rolle der Banken beim benötigten Berliner Bauboom

Marc Wiese

Berlin ist in. Berlin wächst rapide. Diesem Trend muss Raum geschaffen werden. Im Folgenden wird der Fokus vor allem auf die Grundvoraussetzungen dieses notwendigen Wachstums innerhalb des Bausektors gelegt, nämlich die Initialzündung durch die Baufinanzierer. Problematisch ist hierbei, dass die für einen Kredit nötigen Bankgutachten auf einer Ausgangslage basieren, die realitätsfern und antiquiert ist. Ferner tun sich die Banken mit der neuen Art der Teil-Baufinanzierung, der sogenannten Spitzenfinanzierung, schwer. Der Autor fordert daher eine Überarbeitung der Grundeinstellung aus Bankensicht und eine Anpassung an die neue Realität, namentlich der Dynamik des Bausektors, auch hinsichtlich der Fondsfinanzierungen im Baugewerbe. Dazu und um langfristig den Bedarf an neuem Raum sicherstellen zu können, bedarf es eines Dreiklangs aus Politik, Bauträgern und -finanzierern. Red.

Die Hauptstadt boomt, jährliche Zuzüge von Neuberlinern und die Nachfrage nach Immobilien erreichen beständig neue Höchststände. Die Gründe für diese große Nachfrage sind inzwischen so bekannt wie anerkannt: Berlin überzeugt mit einem gesunden Mix aus attraktiven Freizeit- und Kulturangeboten, zudem verbessern sich die Einkommensmöglichkeiten ständig durch den Zuzug von neuen Unternehmen sowie Start-up-Gründungen und Firmenrepräsentanzen. Wissenschaftliche Studien gehen von einem zusätzlichen Bedarf an neuen Wohnungen im Bereich 15 000 bis 20 000 aus - und zwar jährlich.

Die Begrenzungen solch eines rapiden Wachstums sind teilweise geografischer Natur, freie Bauflächen im Berliner Innenstadtbereich sind schlicht nicht unendlich, außerdem ist die Anzahl der in Berlin tätigen seriösen Bauunternehmen und Generalunternehmen nicht unbegrenzt. Ein dritter Teilbereich umfasst die Akteure der Baufinanzierung und die Rolle der Banken bei der wachsenden Bautätigkeit in der Hauptstadt. Um diesen Aspekt soll es im Folgenden am Beispiel der Bautätigkeit der Sanus AG und ihren Gesprächen und Diskussionen mit finanzierenden Banken gehen. Dabei fällt auf, dass sich die Geldhäuser schwer tun, Marktentwicklungen zu folgen und moderne Produkte für neue Anforderungen zu entwickeln.

Bankgutachten - eine konservative Prüfung

Allgemein bekannt und soweit unumstritten ist die Tatsache, dass Banken für die Vergabe von Krediten Gutachten einholen, um Plausibilität und Wirtschaftlichkeit der jeweiligen Projekte zu prüfen. Im Mittelpunkt dieser Gutachten steht die Prüfung der Kalkulation des Bauträgers, also die zugrunde gelegten Baukosten für das angefragte Projekt. Diese Baukosten werden als Basis für die Beurteilung des Kredits benutzt. Zusätzlich zu den Erwerbskosten (des Grundstücks oder Bauprojekts) und den Nebenkosten, die fest kalkuliert werden, bilden die Baukosten den dritten Pfeiler jeder Baufinanzierung.

Laut Erfahrungswerten der Sanus AG ist aktuell zum Beispiel ein Altbau mit einem Sanierungsaufwand von etwa 1 500 Euro pro Quadratmeter exklusive Zusatzkosten zu kalkulieren. Als Zusatzkosten fallen zum Beispiel die Errichtung einer Tiefgarage oder bei problematischer Statik unterstützende Bodenarbeiten an. In diesem Beispiel werden also die allgemeinen 1 500 Euro pro Quadratmeter als Baukosten angesetzt, die entstehen, wenn ohne Zusatzkosten saniert wird.

Bankgutachten basieren jedoch auf anderen Erfahrungswerten und statistischen Daten. Es liegt in der Natur der konservativen Prüfung, dass eine möglichst große Datenmenge und möglichst mehrfach geprüfte Untersuchungen zugrunde gelegt werden, um mit verlässlichen Zahlen zu arbeiten.

Das Problem ist leider: Diese Praxis geht an der Realität vorbei. Zum einen wird mit langen Zahlenreihen vergangener Jahrgänge gearbeitet, um möglichst große Zeiträume und die darin enthaltenen Entwicklungen und Schwankungen abzubilden. Da zusätzlich die Erstellung und Auswertung langangelegter Studien einen gewissen zeitlichen Nachlauf erfordert, hinken die Daten und Werte der aktuellen Entwicklung hinterher. Konkret heißt das: Wenn am Markt längst Preissteigerungen realisiert sind und die Kosten für die Sanierung inzwischen die oben zitierten 1 500 Euro pro Quadratmeter erreicht haben, arbeiten manche Banken bei ihren Gutachten noch mit Kosten von 1 300 Euro pro Quadratmeter, weil dies der Stand vor einigen Jahren war.

Das andere Extrem ist leider auch zu beobachten. Da der Berliner Immobilienmarkt auch preisliche Ausreißer nach oben kennt, werden von Bankenseite mitunter Kosten von bis zu 2 000 Euro pro Quadratmeter für die Sanierung eines Altbaus zugrunde gelegt, was gravierende Folgen für die Bewertung der Baukostenkalkulation und eine entsprechende Auswirkung auf die Entscheidung über eine Kreditvergabe hat.

Es ist zu beobachten, dass Banken und Gutachter mit ihren Bewertungsgrundlagen also entweder aufgrund veralteter Statistiken in der Vergangenheit festhängen oder zu hohe Risikoaufschläge zugrunde legen. Daher der dringende Aufruf: Eine stärkere Orientierung an den tatsächlichen Marktrealitäten ist vonnöten, um zu passenden Bewertungen zu gelangen. Ein begleitendes Problem in dieser Hinsicht ist die mangelnde Marktkenntnis der Gutachter. Viele Banken haben hausinterne Gutachter, die ihren eigentlichen Sitz im Stammland der Bank haben. Reist dann ein Gutachter aus beispielsweise München oder Hamburg an, besteht zumindest die Gefahr einer Fehleinschätzung durch mangelnde Kenntnis der örtlichen Konditionen. Hier haben lokale Gutachter klare Vorteile. Glücklicherweise gehen viele Banken inzwischen dazu über, verstärkt lokale Gutachter zu beauftragen.

Der klassische Kredit zur Finanzierung eines Bauvorhabens ist weiterhin üblich und am Markt stark nachgefragt, wird aber zusehends flankiert von Kreditwünschen zur Deckung eines Teils der Bautätigkeit. Diese Teilfinanzierung, auch Spitzenfinanzierung genannt, dient dazu, während des Bauvorhabens einen Teil der Bautätigkeit zu finanzieren, nicht das gesamte Projekt.

Fehlende Parameter für Spitzenfinanzierung

Die Gründe für die Notwendigkeit solch einer Teilfinanzierung können vielfältig sein, etwa unerwartet aufkommende Instandsetzungskosten, die im Vorfeld nicht zu kalkulieren waren. Diese benötigten Teilfinanzierungen sind im Baugeschäft alltäglich und kein Sonderfall. Es kann jedoch beobachtet werden, dass sich Banken extrem schwer tun mit dieser Art der Teil-Baufinanzierung. Banken sind noch zu sehr verfangen in dem klassischen Kreditgeschäft und haben sich noch zu wenig auf die neue Situation eingestellt.

Zum einen besteht aus Sicht der Banken das Problem, die passenden Parameter für diese Art der Spitzenfinanzierung zu erheben und dafür ein passendes Geschäftsmodell zu entwickeln. Zum anderen gibt es seit der Subprime-Krise eine Überbetonung der Relevanz von Checklisten. Um die Richtlinien für Kreditvergabe zu erfüllen, müssen alle Kriterien dieser Checklisten geprüft und bestanden werden. Banken sind jedoch noch nicht in der Lage, die speziellen Anforderungen an Spitzenfinanzierungen zu meistern. Es handelt sich hierbei um ein marktrelevantes Phänomen, das viele Bauprojekte betrifft. Hier gilt es, ein ganz neues Marktsegment zu erschließen und zu bedienen.

Es ist aus Sicht der Baubranche erforderlich, dass sich Banken bewegen und Modelle entwickeln, um die Spitzen während der Bautätigkeit abzufangen und zu finanzieren. Die Notwendigkeit einer überbrückenden Spitzenfinanzierung ist weit verbreitet und kein Ausdruck etwa für eine falsche Kalkulation des gesamten Projektes. Was dafür fehlt, ist die Entwicklung von Spezial-Kredit-Produkten, die auf diese Realität angepasst sind.

Fondsfinanzierungen im Baugewerbe

Der dritte Aspekt der Baufinanzierung, der zunehmend an Umfang und damit an Bedeutung gewinnt, ist das Engagement von Immobilienfonds. Vor allem am boomenden Standort Berlin ist dieses Phänomen zu beobachten und in sich eine schlüssige Reaktion des Marktes auf die Entwicklung. Immobilien haben in den vergangenen Jahren eine steigende Beliebtheit als Investitionsobjekte erfahren, Grund dafür sind die kontinuierlich niedrigen Zinsen und die Unsicherheit, die Aktieninvestments mit sich bringen.

Das vielzitierte Betongold besitzt daher in den Augen vieler Anleger eine besonders hohe Attraktivität und somit wächst der Wunsch, in Immobilien zu investieren. Die stetig wachsende Nachfrage nach Berliner Immobilien im Inund Ausland sowie die nachvollziehbaren und soliden Daten, die dieser Entwicklung zugrunde liegen, unterstützen diesen Trend zusätzlich.

Diese hohe Nachfrage gerade nach Berliner Immobilien ist einerseits Grund für die mittlerweile deutlich gestiegenen Preise, andererseits für das begrenzte Angebot. Anleger wünschen daher zunehmend, von Beginn der Bautätigkeit an Immobilien zu partizipieren, und entsprechende Fonds sammeln nun Anlegergelder und treten als Investor und Darlehensgeber für Bauträger auf.

Banken sind gefordert

Die Bereitschaft der Banken, diese Beteiligungen zu besichern, stellt sich jedoch eher schwierig dar. Die Tatsache an sich, dass Bauträger Mezzaninedarlehen nehmen und diese mit entsprechenden Grundbucheinträgen absichern, ist in der Baubranche alltäglich. Die oben beschriebenen Zunahmen an Investoren, die über Fonds auf den Immobilienmarkt drängen, und das begrenzte Angebot an Immobilien (plus die aktuellen Konditionen) haben zu einer starken Zunahme an Beteiligungen von Fonds bei Bauprojekten geführt. Natürlich müssen hier die gleichen Kriterien für eine Beteiligung erfüllt werden wie bei jedem Bankkredit. Hier sind Banken gefordert, neue Lösungen zu entwickeln und sich auf neue Realitäten am Immobilienmarkt einzustellen.

Die Immobilienfonds stehen bereit zu investieren, und Bauträger sind angewiesen auf dieses finanzielle Engagement, um die (auch politisch) gewünschte Bautätigkeit zu leisten. Da dieses Thema praktisch alle betrifft, die kein Interkredit-Agreement abgeschlossen haben (was lediglich eine Handvoll vorweisen kann), sind Banken aufgefordert, neue Lösungen zu entwickeln, um die neuen Gegebenheiten zu handhaben.

Der neue Bürgermeister wird ein Baumeister

Die Wichtigkeit der Bautätigkeit für den Berliner Standort ist längst erkannt und wird zukünftig nur noch steigen. Es ist in diesem Zusammenhang sicherlich hilfreich und kein bloßer Zufall, dass der designierte nächste Bürgermeister der Stadt der amtierende Bausenator Michael Müller werden wird. Die Schaffung von Wohnraum ist eine zentrale Aufgabe für die Zukunft der Stadt und bedarf neben politischem Willen auch konkreter Schritte der anderen Beteiligten - der privaten Bauträger und der Finanzierungsbranche, die diese Bauvorhaben ermöglichen. Banken sind dabei aufgefordert, ihre Rolle als Facilitator von Bauvorhaben zu erfüllen und sich der Dynamik des Bausektors zu stellen.

Es ist ein großes Hindernis der Bautätigkeit, wenn aufgrund von verwendeten alten Zahlen oder fehlenden neuen Finanzierungsmodellen Bauvorhaben zeitlich geschoben werden müssen. Die Situation am Berliner Immobilienmarkt fordert eine konzertierte Aktion von Politik, (privaten) Bauträgern und der Finanzierungsbranche. Nur dieser Dreiklang wird die benötigten neuen Bauprojekte ermöglichen und somit sicherstellen, dass Berlin sich weiter so dynamisch entwickeln kann wie in der Vergangenheit. Und dies sollte das Ziel aller drei Gruppen sein.

Der Autor

Marc Wiese Vorstand, SANUS BETEILIGUNGS AG, Berlin

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