PFANDBRIEFE UND COVERED BONDS

RATIONALITÄT STATT PANIK: PFANDBRIEFBANKEN, OFFENE IMMOBILIENFONDS UND DER BREXIT

Prof. Dr. Bernhard Funk, Foto: Bernhard Funk

Die nicht enden wollende Brexit-Saga treiben Gesellschaft und Wirtschaft nun seit fast drei Jahren um. Im folgenden Beitrag widmen sich die Autoren der Frage, wie deutsche Pfandbriefbanken und offene Immobilienfonds, für die Großbritannien seit jeher ein strategisch wichtiger Auslandsmarkt darstellt, auf die unsicheren Rahmenbedingungen reagiert haben. Ihr Fazit: Die Akteure scheinen ihre dortigen Aktivitäten eher nach den Grundsätzen langfristiger Marktüberlegungen auszurichten. Rationalität statt Panik lautet also die Devise. Zur Sicherheit beitragen sollen nicht zuletzt auch Anpassungen im Pfandbriefgesetz, die die Deckungsfähigkeit britischer Deckungswerte auch nach einem Brexit gewährleisten. Red.

Das Vereinigte Königreich möchte nach dem entsprechenden Referendum vom 23. Juni 2016 die Europäische Union (EU) verlassen. Wie genau dieser "Brexit" geschehen soll, ist auch fast drei Jahre nach dem Bürgervotum und sogar nach Ablauf der formalen Zweijahresfrist für das Austrittsverfahren immer noch offen.

Weitreichende rechtliche Implikationen

Was bedeutet dies für in Großbritannien1) aktive deutsche Immobilienfinanzierer und -investoren? Und wie haben sich diese in der letzten Zeit konkret am britischen Immobilienmarkt verhalten? Im Fokus stehen dabei die Pfandbriefbanken und die offenen Immobilienfonds, bei denen dieser Markt eine besondere Rolle spielt.

Das Beispiel der Pfandbriefbanken zeigt, welche rechtlichen Aspekte ein Verlassen der EU nach sich zieht. Das Vereinigte Königreich war bisher automatisch mit abgedeckt, wenn eine gesetzliche oder aufsichtliche Regelung von der EU sprach. Dies galt auch für das Pfandbriefgesetz (PfandBG) in seiner alten Fassung (a. F. gültig vor 29. März 2019): Zulässig als Darlehenssicherheiten waren nach PfandBG § 13 (1) a. F. insbesondere Objekte mit Belegenheit "in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union" ohne Aufzählung der konkreten EU-Mitgliedsstaaten. Weitere Länder wie die Schweiz und Japan wurden explizit aufgezählt.

Ohne Weiteres hätten mit britischen Objekten besicherte Darlehen ab dem Austrittszeitpunkt nicht mehr zur Deckung herangezogen, geschweige denn neue Kredite für britische Immobilien in das Deckungsregister eingetragen werden können. Eine bereits erfolgte Eintragung besteht zwar weiterhin fort, in der Deckungsrechnung nach PfandBG § 4 a.F. sind solche Werte jedoch auszuklammern. Das vom Bundestag am 17. Januar 2019 vorsorgliche beschlossene Brexit-Übergangsgesetz (Bre xitÜG)2) sieht in § 1 grundsätzlich vor, dass Großbritannien in der Übergangszeit gemäß verhandeltem Austrittsabkommen weiter als Mitgliedsstaat gilt. Dieses Gesetz tritt jedoch nur gleichzeitig mit einem Abkommen in Kraft - was nach der zwei fachen Verschiebung des Austrittsdatums offenbleibt.

Steuerbegleitgesetz schafft Planungssicherheit

Für einen Austritt ohne Abkommen wurde alternativ das Brexit-Steuerbegleitgesetz (Brexit-StBG)3) vorangetrieben. Der Regierungsentwurf sah nur einen Bestandsschutz für bereits eingetragene Darlehen vor: Diese dürfen als Deckung dienen und sollen auch nicht unter die 10-Prozent-Grenze nach PfandBG § 13 (1) Satz 2 Halbsatz 2 a.F. fallen. Die 10-Prozent-Grenze bezieht sich auf Länder, bei denen nicht sicher ist, ob der Sachwalter seine Vorrangrechte durchsetzen kann. Anderen Darlehen sollte die Indeckungnahme verwehrt bleiben.

Der Bundesrat mahnte genau dies in seiner Stellungnahme zum Erstentwurf an. Einzig die 10-Prozent-Grenze würde für nach dem Austritt in Deckung genommene britische Kredite greifen. Diese Regelung wurde schließlich angenommen und trat am 29. März 2019 in Kraft. Damit wird das Vereinigte Königreich nun in §§ 4, 13 und 20 explizit als gleichgestellt zu EU-Staaten aufgeführt, und hinsichtlich der 10-Prozent-Grenze besteht ein Bestandsschutz.

Ein wichtiger Auslandsmarkt

Für Pfandbriefbanken gehört Großbritannien schon längere Zeit zu den wichtigen Auslandsmärkten. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken e.V. (vdp) berichtet, dass bei seinen Mitgliedern per Ende 2017 ein Kreditvolumen über 22,5 Milliarden Euro besichert mit britischen Immobilien bestand; 4) hiervon wurde ein Drittel als Deckungswert für Pfandbriefe genutzt. Das Engagement schwankte über die letzten Jahre mit dem allgemeinen Marktzyklus: Es lohnt daher ein Blick auf die langfristigen Entwicklungen.

Bereits seit 2009 wächst die Volkswirtschaft des Vereinigten Königreichs nach Durchschreiten der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Schon zur Jahresmitte 2013 erreichte das Bruttoinlandsprodukt5) das Niveau vor der Krise. Dies bedeutet gegenwärtig einen Aufschwung von nahezu einer Dekade. Bereits ohne Brexit wäre somit eine Abkühlung erwartbar gewesen, auch wenn die niedrigen Notenbankzinsen einen gegenläufigen Sondereffekt darstellen. Doch handelt es sich noch um eine Abkühlung oder um einen Einbruch?

2018 wuchs die Volkswirtschaft des britischen Königreichs um 1,4 nach 1,8 Prozent im Vorjahr. Zum Vergleich: In Deutschland lag das reale BIP-Wachstum 2018 bei 1,5 nach 2,2 Prozent im Vorjahr, der Rückgang war also stärker. Ein reiner Brexit-induzierter Abschwung ist mit diesen Kennzahlen nicht identifizierbar. Beim britischen verarbeiteten Gewerbe ging in den drei Monaten bis Februar 2019 die Produktion um 0,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zwar zurück. Der die Erwartungen abbildende Einkaufsmanagerindex PMI zeigt seit 33 Monaten hingegen lediglich einen Trend: Expansion. Die Kennziffer vom März 2019 war sogar höher als alle Vergleichswerte seit Januar 2018. 6) Getrieben wird das Wachstum nach wie vor von den Dienstleistungen.

Konjunktur: Abkühlung oder Einbruch?

Die Fundamentaldaten des gewerblichen Immobilienmarktes in Großbritannien zeigen ein ähnliches Bild. Die großen Makler7) melden speziell für den Londoner Büromarkt eine ungebrochene Vermietungsleistung und tendenziell rückläufige Leerstände, die Bürovermietung entwickelte sich auch im ersten Quartal 2019 positiv. Zwar sind nach Erhebungen der RICS8) die landesweiten Transaktionsvolumina um zirka 5,3 Prozent von 2017 auf 2018 zurückgegangen. Dies wird dadurch relativiert, dass diese sich über Jahre auf einem sehr hohen Ausgangsniveau bewegt haben, insbesondere in London. Aktuell sind lediglich die Mieten für Retailobjekte im Rückgang begriffen, Büromieten bleiben bisher stabil.

Wesentlich für die Marktentwicklung im britischen Investmentmarkt sind internationale Investoren: Bei Londoner Büros machen internationale Investoren rund drei Viertel der Investmentnachfrage aus. Diese denken und handeln global, sodass eine Entwicklung wie der Brexit durchaus die Allokation beeinflussen kann. Über das kurzfristige Sentiment hinaus sind es jedoch - dem Anlagehorizont von Immobilien entsprechend - vor allem mittel- und langfristige Aspekte wie Marktzyklen und strukturelle Veränderungen (zum Beispiel AIFMD-Domicile-Erfordernis für Fondsvertrieb), die für Allokationsentscheidungen relevant sind.

Aktivitäten deutscher Immobilienfonds

Was hat davon in letzter Zeit überwogen? Eine wichtige Investorengruppe aus Deutschland sind die offenen Publikumsfonds und Immobilien-Spezialfonds. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Sachvermögenbestände dieser Investorengruppe im Vereinigten Königreich über die letzten zehn Jahre. Der höchste Bestandswert in dieser Dekade lag im Jahre 2010 bei rund 11,6 Milliarden Euro. Die letzte verfügbare Vergleichskennziffer lautet für März 2019 auf zirka 9,2 Milliarden Euro. Dies bedeutet einen Rückgang von knapp 21 Prozent in einem Zeitraum von gut acht Jahren.

Die genaue zeitliche Entwicklung lässt erkennen, dass es sich hierbei um keinen reinen Brexit-Effekt handelt. Die Rückgänge stellen sich im Wesentlichen schon vor dem Referendum ein. Umgekehrt kann seit Ende 2017 sogar ein Anstieg der Vermögensanlagen im Vereinigten Königreich beobachtet werden. Währungseffekte spielen bei solchen Kenngrößen und Euro einen gewissen Faktor: 2015 notierte das britische Pfund noch unter 0,75 Euro, um dann kurzfristig 2017 einmal die Marke von 0,90 Euro deutlich zu übersteigen. Im Jahr 2018 war die Volatilität der Währung allerdings geringer. Der Anstieg der Bestände der offenen Immobilienfonds im Jahr 2018 gemessen in Euro kann somit nicht lediglich mit Währungseffekten erklärt werden.

Realisieren von Bewertungsgewinnen

Vor dem Hintergrund der fundamentalen Markterholung ergibt sich die Logik aus marktstrategischer Perspektive, gestiegene Bewertungen im Transaktionsmarkt auch zu realisieren. Beispielsweise lag im Büromarkt Westend der Rückgang der Anfangsrenditen im Zyklus bei über 150 Basispunkten. Fondsmanager werden nicht eine unendliche Aufwärtsphase erwarten, sondern zumindest teilweise Gewinne realisieren, wenn Objekte marktstrategisch in der Hochphase des Zyklus verkauft werden können.

Werden die Daten großer, einzelner offener Immobilienpublikumsfonds in den letzten drei Jahren untersucht, liegen die Rückgänge bei der relativen Allokation auf Großbritannien typischerweise zwischen drei und fünf Prozentpunkten.9) Eine Verkaufswelle ist somit keineswegs zu beobachten, vielmehr ein geordnetes Realisieren von Aufwertungen im Bestandsportfolio durch Veräußerung.

Deutlich gestiegene Ankaufsvolumina im Jahr 2018

Für ein Beibehalten der Länderposition spricht auch der Diversifikationseffekt. So war beispielsweise in den letzten 15 Jahren die Korrelation der Investmentrenditen zwischen dem Londoner und dem Münchener Büromarkt leicht negativ.10) Eher scheinen deutsche Investoren einen Wiederaufbau von Positionen im Londoner Markt umzusetzen. Beispielsweise taxieren Gewerbemakler die Ankaufsvolumina in London durch deutsche Investoren für das Gesamtjahr 2018 auf den dreifachen Wert der Vergleichsjahre vor dem Brexit-Votum.11)

Für Neuinvestments bestand bis zum Referendum die Gefahr eines Einkaufs auf einem Marktplateau. Seit dem Referendum kann in Brexit-Erwartung eine verbesserte Verhandlungsposition entstehen. Das Risiko aus dem Mietcashflow dürfte angesichts der in Großbritannien relativ langen Mietvertragszeiten beherrschbar sein, soweit die Mieterbonität an sich nicht infrage gestellt ist und die Mietausläufe guten Marktstandards entsprechen. Die Bandbreite des britischen Immobilienanteils bei offenen Publikumsfonds liegt zwischen 6 und 20 Prozent, typischerweise beträgt sie rund 10 Prozent.12)

Ähnliches Bild bei den Pfandbriefbanken

Bei den Pfandbriefbanken ergibt sich gemäß den Transparenzangaben nach §28 PfandBG ein sehr ähnliches Bild zu den Trends bei den Immobilienfonds, und es dürften daher die gleichen grundsätzlichen Überlegungen greifen. Der Anteil von mit britischen Immobilien besicherten Darlehen an allen Immobilienkrediten der Deckungsmasse betrug in den vergangenen zehn Jahren zwischen zirka drei und fünf Prozent, wie Abbildung 2 zeigt.

Während aktuell britische Immobilienkredite über zirka 9,7 Milliarden Euro in den entsprechenden Registern der vdp-Mitglieder eingetragen sind, waren es Ende 2012 noch knapp 13,3 Milliarden. Im Jahr danach sank das Gesamtvolumen in Folge größerer Außerdeckungnahmen bei der Frankfurter Hypothekenbank (ehemals Eurohypo) zwischenzeitlich unter acht Milliarden Euro. Die Basisdaten wurden daher um diesen Sondereffekt bereinigt sowie in die Landeswährung umgerechnet. Das so ermittelte nominale britische Realkreditvolumen hat sich in den vergangenen zehn Jahren wie in Abbildung 3 dargestellt entwickelt. Dem ist nach gleicher Systematik das Volumen von deutschen und US-amerikanischen Deckungswerten gegenübergestellt; die USA sind mit Deckungswerten über zirka acht Milliarden Euro von ähnlicher Bedeutung wie Großbritannien. Die Entwicklungen wurden auf das Ende des zweiten Quartals 2016 normiert, also direkt nach dem Referendum.

Kein erkennbarer Effekt durch Regierungsentwurf

Die deutschen Realkredite zeigen eine stabil leicht positive Entwicklung. Für das Vereinigte Königreich ist ein deutlich dynamischer Anstieg bis Ende 2012 zu beobachten, während das USA-Geschäft rückläufig war. Bis zum Referendum erfolgte eher die Außerdeckungnahme von britischen Positionen, während seit 2017 wieder ein Zuwachs zu verzeichnen war. Der Anstieg des nominalen Realkreditvolumens vom Referendum bis Ende 2018 war insbesondere für Großbritannien und die USA nahezu identisch. Ein Effekt aus dem Regierungsentwurf des Brexit-StBG, wegen dem sich eine Indeckungnahme von vorhandenen Realkrediten noch vor dem Austrittstermin lohnen würde, ist nicht zu erkennen.

Diese Analysen betrachteten die kombinierte vdp-Deckungsmasse. Nur zehn Mitgliedsinstitute jedoch hatten Ende des wwwwwersten Quartals 2019 britische Darlehen im Deckungsregister eingetragen. Für drei Banken liegt der Anteil an der Deckungsmasse bei über zehn Prozent (maximal 18 Prozent), drei weitere weisen Anteile zwischen fünf und zehn Prozent auf, bei den restlichen vier liegt der britische Anteil unter drei Prozent.

Langfristige Marktüberlegungen dominieren

Im Ergebnis wird deutlich: Pfandbriefbanken und offene Immobilienfonds fahren ihr Großbritannien-Exposure eher nach langfristigen Marktüberlegungen als nach kurzfristigen Effekten. Der Brexit bedeutet eine Änderung des Pfandbriefgesetzes, vernünftigerweise wird das Vereinigte Königreich jedoch fast wie bisher behandelt. Ebenso rational und chancenorientiert statt in Panik agieren die betrachteten Investoren und Finanzierer weiterhin.

Fußnoten

1) "Großbritannien" und "britisch" meint jeweils auch alle weiteren Teile des Vereinigten Königsreichs von Großbritannien und Nordirland.

2) Gesetz für den Übergangszeitraum nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union.

3) Gesetz über steuerliche und weitere Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union.

4) Quelle: vdp-Stellungnahme zu Artikel 4 des Referenten-Entwurfes zum Brexit-Steuerbegleitgesetz (Brexit-StBG) vom 24. Oktober 2018.

5) Quellen für BIP-Werte: Office for National Statistics für das Vereinige Königreich, Statistisches Bundesamt für Deutschland.

6) Quelle: House of Commons Library, Economic Indicators, Number 05206, 1st May 2019.

7) Vgl. stellvertretend Büromarktberichte von BNP Paribas Q4/2018, JLL Q4/2018, Savills West End Office Market Watch, 30th April 2019.

8) Quelle: RICS UK Economy and Property Market Chart Book, Q1 2019.

9) Quelle: Rechenschaftsberichte deutscher offener Publikumsfonds.

10) Quelle: MSCI SFIX Ergebnisse Q4 2017, Frankfurt am Main, Februar 2018.

11) Quelle: "London bleibt bei deutschen Investoren beliebt", in: Immobilien Zeitung, 14. März 2019.

12) Quelle: Auswertung Rechenschaftsberichte deutscher offener Publikumsfonds.

DER AUTOR PROF. DR. LEO CREMER Lehrstuhl Mathematische Methoden in der Bau- und Immobilienwirtschaft, Hochschule RheinMain, Wiesbaden
DER AUTOR PROF. DR. BERNHARD FUNK Lehrstuhl Immobilienmanagement, Hochschule RheinMain, Wiesbaden
Prof. Dr. Leo Cremer , Professur für Mathematische Methoden in der Bau- und Immobilienwirtschaft, Hochschule RheinMain, Wiesbaden
Prof. Dr. Bernhard Funk , Fachbereich WI , THM - Technische Hochschule Mittelhessen, Friedberg

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