Schwerpunkt Private Baufinanzierung

Kundenzentrierung in der privaten Immobilienfinanzierung im digitalen Zeitalter

Benjamin Kratzer

Auch im Zeitalter der Digitalisierung und des damit verbundenen erhöhten Wettbewerbsdrucks durch Fintechs haben Finanzdienstleister reelle Chancen, ihr Geschäftsmodell zu behaupten und bestehende Kunden zu halten und neue zu gewinnen. Nötig ist, die Prozesse mit der Perspektive des Kunden zu verknüpfen und damit mehr Effizienz und eine höhere Kundenorientierung zu erreichen. Gerade Filialbanken haben Chancen, aus diesen Entwicklungen als Gewinner hervorzugehen, denn die persönliche Beratung vor Ort ist für Kunden weiterhin ein wichtiger Faktor. Wichtigstes Ziel der Digitalisierungsprojekte der Institute muss es sein, die hohe Beratungskompetenz vor Ort in digitale Service- und Vertriebskanäle zu übertragen und sich damit auf die Anforderungen jüngerer Kundengruppen auszurichten. Red.

Neue Marktteilnehmer wie Fintechs mit hochgradig kundenorientierten Prozessen erhöhen den Druck auf Banken und Sparkassen, sich mit der Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle zu beschäftigen. Aktuell ist ein Großteil der Fintechs in den Bereichen Payment und Geldanlage aktiv. Im Kreditgeschäft liegt der Fokus auf Kreditvermittlung und P2P-Lending, beide Segmente weisen hohe Wachstumswerte auf. Da diese Geschäftsfelder mit immer mehr und immer stärkeren Markteilnehmern besetzt sind, wird mit der Zeit auch das traditionelle Kreditgeschäft für Fintechs attraktiv werden.

Erste Signale hierzu kommen beispielsweise aus den USA: Ausgestattet mit 350 Millionen Dollar Kapital, will Paypal-Mitgründer Max Levchin mit seiner neuen Firma Affirm die Vergabe von Krediten neu denken und bisher kaum bediente Kundensegmente anpeilen. Affirm will dabei beispielsweise mit Vorabgebühren die üblichen Kreditzinsen komplett ablösen und die Bonitätsprüfung soll unter anderem Daten aus sozialen Netzwerken einbeziehen. Stand heute ist dies für deutsche Institute nur schwer vorstellbar, insbesondere die Marktentwicklung im Bereich Mobile Payment sollte hier aber ein warnendes Beispiel sein.

Denn in diesem Geschäft sind die klassischen Bankhäuser in Deutschland mittlerweile fast abgehängt worden von Fintechs, ohne für diese wichtige, von den Kunden bereits heute verstärkt nachgefragte Form des Bezahlens ausreichend ausgestattet zu sein. Für die etablierten Banken und Sparkassen stellt sich also die Frage, wie sie ihren Innovations- und Technologierückstand zeitnah aufholen und Kundengruppen weiterhin an sich binden können.

Von Prozess- zur Kundenorientierung

Fintechs punkten neben dem hohen Usability-Faktor und Serviceorientierung ihrer Lösungen mit Schnelligkeit und gefühlter Nähe zum Kunden - unter Umständen direkt auf dem eigenen Smartphone. Deshalb muss ein Wandel stattfinden, weg von der reinen Prozesszentrierung, hin zu einer unbedingten Kundenzentrierung, die effiziente, sichere und zeitgemäße Prozesslösungen nutzt. Andernfalls werden Fintechs immer weiter attraktive Lösungen für weitere Teile der Wertschöpfungskette entwickeln und sich zwischen Bank und Kunde drängen. Für die traditionellen Finanzdienstleister würde dann auf lange Sicht nur noch die Rolle als Abwicklungseinheit übrigbleiben.

Das GfK-Finanzmarktpanel 2014 bestätigt eindrücklich die Wichtigkeit von Service- und Beratungsexzellenz im Bankenwettbewerb. Es zeigt, dass die Bedeutung von Service-, Produkt- und Empfehlungsaspekten bei der Entscheidung für eine Immobilienfinanzierung in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind. Wie können also Kreditinstitute ihre Kundenorientierung im Informationsund Antragsprozess deutlich erhöhen, um den Kunden auch zukünftig für sich zu gewinnen und nicht an neue innovative Marktteilnehmer zu verlieren?

Optimierung der Vertriebsorganisation

Fachkompetenz und Vertrauen zum Berater zählen zu den wichtigsten Kriterien der Endkunden bei der weitreichenden Entscheidung für eine Immobilienfinanzierung. Gerade besserverdienende Kunden sind sehr gut auf Beratungsgespräche vorbereitet, informieren sich über Angebote von Wettbewerbern, kennen Fördermöglichkeiten und wollen individuell und auf Augenhöhe beraten werden. Dies bestätigt auch die Studie "Baufinanzierung bei Filialbanken 2015" des Institutes DISQ im Auftrag des Nachrichtensenders N-TV. Doch die Befragten äußerten sich vor allem und gerade zum Punkt "Individuelle Beratung und Bedarfsanalyse" kritisch, denen insgesamt zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet werde.

Mehr Freiräume für die Finanzierungsspezialisten im Vertrieb und eine Entlastung von Backoffice-Aufgaben können hier den Lösungsweg weisen. Zahlreiche Banken und Sparkassen haben in den letzten Jahren sehr positive Erfahrungen mit der Konzentration der Immobilienfinanzierungsberatung in spezialisierten Einheiten gemacht. Institute, die diesen Schritt noch nicht vollzogen haben, sollten diese Möglichkeit gerade im Hinblick auf die umzusetzende EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie und die daraus resultierenden Sachkundeanforderungen an den Berater in Betracht ziehen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit bei der Fachkompetenz dauerhaft zu sichern.

Schneller und kompetenter Kundenservice

Aufgrund der immer stärkeren Verschmelzung von Offline- und Online-Welt steigt die Erwartungshaltung nach schnellem und kompetenten Service, die die Fintech-Lösungen häufig schon bieten können. Eine im Auftrag der Allianz Deutschland gefertigten Studie des Marktforschungsinstitutes Yougov vermittelt einen Eindruck über die erwartete Reaktionszeit bei Kundenanfragen. Für diese erste branchenübergreifende Untersuchung der Serviceerwartungen im deutschsprachigen Social Web wurden Internetnutzer befragt, wie sie sich perfekten digitalen Service vorstellen.

Das Ergebnis: Bei einer digitalen Anfrage oder Beschwerde an eine Bank erwartet die Hälfte der Studienteilnehmer eine kompetente Rückmeldung innerhalb von zwei Stunden. Nach und nach wird sich diese Erwartungshaltung auf die reale Welt übertragen, sodass der Darlehensgeber eine nahezu "Real-Time-Response" geben können muss. Ziel muss es daher sein, dem Bedürfnis nach zeitnaher Reaktion gerecht zu werden.

Eine Maßnahme hierfür kann die Modularisierung des Vertriebsprozesses sein. Durch die Integration eines Kompetenzteams für Immobilienfinanzierung in das Kundendialogcenter einer Bank, kann diese gerade für Kunden in frühen Phasen ihres Vorhabens vor Vertragsabschluss kompetenten First-Level-Support bieten. Das Kompetenzteam fungiert dabei als erster kanalübergreifender Ansprechpartner und beantwortet zeitnah Kundenfragen über Telefon, Chatfunktion und soziale Netzwerke. Außerdem kann es den Kunden bei der Antragserfassung über Co-Browsing unterstützen.

Nutzerrelevante Informationen

Diese Modularisierung ermöglicht der Bank zusätzlich zur Kundenbindung und ausgeprägten Servicewahrnehmung eine effiziente Vertriebssteuerung, da beispielsweise nur Kunden an die Finanzierungsspezialisten übergeleitet werden könnten, die kurz vor dem Kauf einer Immobilie stehen. Dies ermöglicht als Folge eine effektivere Nutzung der Nettomarktzeit der Finanzierungsspezialisten. Das Internet spielt bereits heute als Informationsquelle für den Kunden eine wichtige Rolle. Gut aufbereitete Webauftritte der Banken werden als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, Stichwort Ropo-Effekt ("research online, purchase offline"). Der Online-Kanal bietet eine vergleichsweise einfache Möglichkeit, Informationen zu bündeln und nutzerfreundlich darzustellen sowie verschiedene Kontaktmöglichkeiten zum Berater anzubieten.

Digitalisierung zur Angebotseinholung

Diese Form der Kundenbindung durch Erreichbarkeit und nützliche, gut handhabbare Inhalte erhöht die Chance, vom Kunden als Finanzierungspartner gewählt zu vwerden.

Neben den heute klassischerweise enthaltenen Informationen über die anfallenden Kosten im Rahmen des Immobilienerwerbs, können zum Beispiel Regionalbanken einen Mehrwert durch regionale Informationen liefern, indem sie beispielsweise Informationen über lokale Fördermöglichkeiten, bestehende und geplante Baugebiete und Bauträger sowie Immobilienpreisinformationen in ihren Internetauftritt einbinden.

Die umfangreiche Erfassung von Daten zum Erhalt eines Finanzierungsangebotes empfinden viele Kunden als lästig. Gerade online führt dies noch zu einer hohen Anzahl von Abbrüchen durch den Kunden, der während der Erfassung das Interesse verliert und so nicht zur Bank finden wird. Heute versuchen Finanzdienstleister, dieses Problem mit einer stark vereinfachten und verkürzten Erfassung von lediglich rudimentären Angaben durch den Kunden im Internet zu umgehen.

Damit ist aber eine erste qualitative Einschätzung durch die Bank vorab nicht mehr möglich und ein wesentlicher Anteil der Daten muss später im Beratungsgespräch erfassen.

Die Kombination und Integration verschiedener technischer Hilfsmittel zur Antragserfassung über offene Schnittstellen (Open APIs) kann hierbei Abhilfe schaffen. Selbst kleineren Anbietern, wie den zahlreichen Fintech-Start-ups, ist es durch Open APIs möglich, ihre Produkte und Dienstleistungen im Internet anzubieten und Kooperationspartner einzubinden beziehungsweise selbst von diesen eingebunden zu werden.

80 Prozent der Daten automatisiert erfassen

Warum sollten dann nicht auch Banken diese Kooperationsmöglichkeiten aktiv für sich nutzen, wenn dies im Online-Erfassungsprozess eine deutliche Vereinfachung für den Kunden bei höherer Antragsqualität für die Bank mit sich bringt?

Ziel aus Servicegesichtspunkten sollte es sein, dass zirka 80 Prozent der benötigten Daten weitestgehend automatisiert erfasst werden, bei gleichzeitig minimalem zeitlichem Aufwand für den Kunden. Im Beratungsgespräch kann sich der Berater dann intensiver um die individuellen Fragestellungen des Kunden kümmern.

Zukünftig könnte der Datenerfassungsprozess für ein Finanzierungsangebot so aussehen:

- Der Kunde erfasst in einem Formular auf der Website der Bank seinen Namen und seine E-Mail-Adresse und bekommt einen geräteunabhängig nutzbaren Webzugang zum "Angebots-Cockpit" der Bank, die alle relevanten Informationen für den Kunden enthält.

- Er fotografiert die Gehaltsabrechnung mit seinem Smartphone und lädt dieses zum "Angebots-Cockpit" hoch. Die dort integrierte semantische Dokumentenerkennungssoftware ermöglicht die automatische Übertragung der relevanten Informationen direkt in den Finanzierungsantrag (zum Beispiel Adressdaten, Einkommen, Arbeitgeberdaten, Bankverbindung et cetera ).

- Eine Vervollständigung der persönlichen Daten erfolgt durch den automatisch angestoßenen Abruf von Auskunfteidaten im Hintergrund nach Freigabe durch den Kunden.

- Da ein Großteil der Immobilien über Suchportale wie Immobilienscout24 digital verfügbar ist, werden die notwendigen Objektdaten über eine Verlinkung des Exposés ebenfalls über eine semantische Dokumentenerkennung in die Selbstauskunft übertragen.

- Eine Anreicherung der Objektdaten kann optional über Schnittstellen zu Geodatenanbietern erfolgen. Neben der Validierung des Objektwertes schafft die Bank einen Mehrwert für den Kunden, wenn sie ihm diese Informationen im Rahmen des späteren Beratungsgesprächs zur Verfügung stellt.

- Nach der Vervollständigung und Überprüfung der Daten durch den Kunden ermöglicht die Videolegitimation über einen von der BaFin zertifizierten Dienstleister den rechtssicheren Abschluss einer komplett medienbruchfreien Angebotsanfrage, die der Kunde als einfach, bequem und serviceorientiert wahrnimmt.

Mehr Effizienz und eine höhere Kundenorientierung

Einige der beschriebenen Aspekte und Maßnahmen haben Banken bereits im Rahmen von Prozessoptimierungen für die Umsetzung vorgesehen oder zumindest in Betracht gezogen. Wenn sie diese mit der Perspektive des Kunden fest verknüpfen, dann gewinnen sie in doppelter Hinsicht: mehr Effizienz und eine höhere Kundenorientierung, die sich heute und in Zukunft immer stärker in der digitalen Welt abspielt. Nur dann, wenn diese beiden Themen generisch miteinander verbunden werden, haben Finanzdienstleister im Zeitalter der Digitalisierung die Chance, ihr Geschäftsmodell zu behaupten, Kunden zu halten und zu gewinnen.

Gerade Filialbanken können aus dieser Entwicklung als Gewinner hervorgehen: Denn alle Studien und Kundenbefragungen zeigen, dass die persönliche Beratung vor Ort auch weiterhin ein wichtiger Faktor bleiben wird; mit ihrer regionalen Präsenz verfügen sie daher über einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber reinen Direktbanken und Fintechs.

Oberstes Ziel aller Digitalisierungsprojekte der Institute muss es daher sein, die traditionell hohe Beratungskompetenz vor Ort in digitale Service- und Vertriebskanäle zu übertragen und damit auf die Bedürfnisse jüngerer und zukünftiger Kundengruppen auszurichten.

Der Autor

Benjamin Kratzer - Senior Sales Manager Business Development & CRM, Hypotheken Management GmbH, Mannheim

Noch keine Bewertungen vorhanden


X