PFANDBRIEFE UND COVERED BONDS

FRAGE AN PIET KOK: WELCHE EFFEKTE HAT DER MIETENDECKEL AUF IMMOBILIENMARKT UND -BEWERTUNG IN BERLIN?

Piet Kok, Foto: Jens Komossa

Am 30. Januar 2020 wurde das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin beschlossen, welches am 23. Februar 2020 in Kraft trat. Der Gesetzesentwurf zum Mietendeckel wurde innerhalb von wenigen Monaten vielfach geändert. Anfangs- und Endprodukt weichen stark voneinander ab und man muss sich fragen, ob die ursprüngliche politische Zielsetzung noch erreicht wurde. Anfängliche Überlegungen finden sich nicht mehr wieder - weder die Deckelung auf 30 Prozent des Haushaltseinkommens noch die Deckelung je nach Haushaltsgröße und Wohnung. Zudem wurden zuletzt viele Aktivitäten auf die Vermieter verlagert. Am Wichtigsten aber scheint der Verbotstatbestand, der besagt, dass keine zu hohe Miete eingenommen werden darf. Hier liegt eine neue Qualität von Regulierung vor, die natürlich Auswirkungen auf den Markt hat.

Kein gesellschaftlicher Konsens

Wenn wir zu unseren Nachbarn in den Niederlanden schauen, sehen wir, dass das Instrument des Mietendeckels schon lange eingesetzt wird. Im Internet kann jeder mit einigen Klicks anhand eines Punktesystems ermitteln, welche Miete für eine Wohnung zu zahlen ist. Dieser regulierte Bereich umfasst zirka 70 Prozent des Mietwohnungsbestandes. Dass der Mietendeckel dort allgemein anerkannt ist, liegt daran, dass Politik, Wirtschaft und Mietervertretung gemeinsam beraten, wie Mietpreisentwicklungen im unteren Segment im Konsens geregelt werden können. In Berlin war in 2019 wenig von einem Streben nach einem gesellschaftlichen Konsens spürbar. Und alle Marktparteien leben bis zur höchstrichterlichen Klärung mit der Unsicherheit, ob das Gesetz Bestand haben wird. Zusätzlich wird nun unter den Voraussetzungen des Mietendeckels keinerlei Anreiz für den Neubau von Wohnungen geschaffen. Auch für nachfragegerechte Modernisierungen oder energetische Sanierungen gibt es kaum noch Anreize, da Vermieter auf die höheren Mieteinnahmen angewiesen sind, um eben diese umzusetzen. Sie werden im aktuellen Umfeld sogar unrentabel. In der Folge hat das Vertrauen von professionellen Investoren in den Immobilienmarkt Berlin ab Mitte 2019 spürbar abgenommen.

Der Eingriff in die Mietverträge wirkt sich zweifelsohne auch auf die Bewertung von Immobilien aus. Sofern die vor dem Stichtag 18. Juni 2019 vereinbarte Miete über der maximal zulässigen Miete liegt und diese vor Jahresultimo 2020 herabgesenkt werden muss, reduzieren sich die Mieteinnahmen und somit der zur Verfügung stehende Reinertrag. Dies führt bei unveränderter Rendite zu einem geringeren Marktwert. Doch auch im Diskontierungsmechanismus und somit bei den Renditeerwartungen der Investoren kann es durch diesen Cashflow Rückgang zu Änderungen kommen, da Investoren ein erhöhtes Risiko im Standort Berlin sehen. Dies war zunächst begründet durch die Ankündigung des Mietendeckels in 2019 und besteht nun durch die Rechtsunsicherheit weiter. Renditen werden von Mietsteigerungserwartungen geprägt, welche mittelfristig entfallen. Somit wird der Marktwert der Immobilie sowohl von der Zähler- als auch Nennerseite beeinflusst, was in Summe den Marktwert schmälern kann.

Deckungsstöcke sind nicht gefährdet

Der Beleihungswert, der Grundlage für die Emission von Pfandbriefen und bei vielen Banken auch die Grundlage für die Eigenkapitalbemessung ist, muss anhand der deutschen und europäischen Gesetzgebung vorsichtig bewertet werden. In Phasen von starken Marktschwankungen zeigt sich, dass sich die Konzeption des Beleihungswertes bewährt hat. Aufgrund der deutlich vorsichtigeren Ermittlung von Immobilienwerten werden eben diese Schwankungen wenig Auswirkungen auf bestehende Beleihungswerte haben. Im vdp-Ausschuss für Bewertungsfragen werden solche möglichen Folgen des Mietendeckels mit anderen Banken diskutiert. Bis zur finalen gerichtlichen Klärung bleibt jeder Bewertungsansatz aber mit Unsicherheiten behaftet. Die Beleihungswerte werden wohl auch künftig in jedem Szenario Bestand haben, da hier Mindestkapitalisierungszinsen weit über Marktrenditen zugrunde gelegt werden und Mietsteigerungen nicht einfließen dürfen. Somit ist der Deckungsstock der Pfandbriefbanken durch den Mietendeckel nicht gefährdet. Auf etwaige Beleihungen von Neubauten hat der Mietendeckel ebenfalls Auswirkungen. Die Prüfung muss vorsichtiger durchgeführt werden, da keine zuverlässige Aussage über das künftig zulässige Mietniveau getroffen werden kann. Was nach Ablauf des Mietendeckels in fünf Jahren passiert, ist nicht bekannt. Der bis zum Inkrafttreten des Mietendeckels funktionierende Mietspiegel verliert seine Bedeutung, da die Marktgrundlage nicht gegeben ist. Damit fehlt anfänglich auch seine Daseinsberechtigung für die Zeit nach dem Mietendeckel. Zusätzlich ist das Megathema Nachhaltigkeit nicht zu vernachlässigen.

Insgesamt waren die Auswirkungen des Mietendeckels in Berlin bereits Ende 2019 durch die Ankündigungen spürbar. Der Markt hat sich zu diesem Zeitpunkt schon selbst reguliert. Große Käufe fanden im zweiten Halbjahr 2019 hauptsächlich durch städtische Gesellschaften statt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt. Berlin ist und bleibt aber ein attraktiver Lebensmittelpunkt und wird für weiteren Zuzug sorgen. Damit ist auch klar, dass sich langfristig die Berliner Wohnungsknappheit nur ausgleichen lässt, wenn mehr Wohnungen gebaut werden als neue Menschen nach Berlin ziehen. Aus diesem Grund ist es von großer Wichtigkeit, dass Anreize für den Neubau von bezahlbarem Wohnraum geschaffen werden. Zu guter Letzt gibt es aber auch einen Gewinner der aktuellen Situation: Der Speckgürtel von Berlin.

DER AUTOR PIET KOK Bereichsleiter Wertermittlung, Berlin Hyp AG, Berlin
Piet Kok , Bereichsleiter Wertermittlung, Berlin Hyp AG, Berlin
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