Markt- und Objektbewertung

Building Information Modeling - ein Informationspool für Immobilienbewerter?

Monika Preithner, MRICS, Geschäftsführerin, LB Immobilienbewertungsgesellschaft mbH, München

Quelle: MRICS

Quer durch die gesamte Immobilienbranche werden derzeit die Einsatzmöglichkeiten von Building Information Modeling (BIM) ausgelotet, schließlich erschöpfen sich die Potenziale der Technologie nicht in der digitalen Abbildung eines Gebäudes. Ob BIM auch für Immobilienbewerter einen Mehrwert bietet? Dieser spannenden Frage widmet sich die Autorin des folgenden Beitrags. Sie ist überzeugt, dass durch eine Erweiterung des BIM mit speziell für die Immobilienbewertung benötigten Informationen eine Optimierung im Hinblick auf die Qualität der Wertaussagen sowie Durchlaufzeiten gelingen kann. Gute Voraussetzungen also, damit die Technologie schon in naher Zukunft zu einem idealen Datenpool für Immobilienbewerter wird. Red.

Digitalisierung ist ein Megatrend. Klar erkennbar ist der Trend im Bereich Bau. Über Digitalisierung die Wertschöpfungskette zu verbessern ist das Ziel. Durch die BIM-Methode erhält man eine Datenbank mit einer Fülle von Informationen den Bau betreffend. Folgend wird beschrieben, wie die Methode funktioniert und ob die generierten Daten zukünftig bei der Immobilienbewertung eine Rolle spielen können.

Die Veränderung der Welt ist geprägt von technologischen Fortschritten. Nun dürfen wir Zeitzeugen des rasanten technologischen Sprungs Namens "Digitalisierung" sein. "Zentraler Rohstoff dieses digitalen Wandels sind Daten."1) Ein gerne in diesem Zusammenhang genannter Begriff ist "Big Data" - eine kurze Umschreibung für die enormen Datenmengen unserer Zeit. Der digitale Fortschritt eines Landes wird maßgeblich dessen Zukunftsfähigkeit sowie wirtschaftlichen Erfolg positiv beeinflussen. Mit der Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) "Digitale Strategie 2025" werden ausgehend vom aktuellen Stand wichtige Themenschwerpunkte dargestellt.

Wandel in Höchstgeschwindigkeit

Kernpunkt liegt im vernetzten Denken und Handeln sowie in einem sich kontinuierlich einstellenden und verbessernden digitalen Wandel, der geänderte Spielregeln für Wirtschaft und Gesellschaft einleitet - und das mit rasanter Geschwindigkeit. Themenschwerpunkte liegen dabei beispielsweise im Bereich:

- Gigabit-Glasfasernetze: Exorbitant ansteigendes Datenvolumen benötigt zukünftig hochleistungsfähige stabile Breitbandnetze als Basis. Dabei werden Geschwindigkeiten im mehrfachen Gigabit-pro-Sekunde-Bereich "symmetrisch sowohl im Downstream als auch im Upstream" benötigt, um hohe Qualität der echtzeitfähigen Datenübertragung zu gewährleisten.

- Neue Gründerzeit: Start-ups gilt es als Impulstreiber für neue Wege zu motivieren und zu unterstützen, da sie mit höchster Flexibilität im Denken und Handeln etablierte Unternehmen noch erfolgreicher machen können.

- Ordnungsrahmen: Digitalisierung erfordert ebenso eine enorme Disziplin im Themenkontext von regulatorischer Transparenz und Sicherheit.

- Intelligente Vernetzung: Das Wort "SMART" ist mittlerweile untrennbar verbunden mit "HOME", "TRAFFIC", "METER" und "CITY" und zeigt auf sehr einfache Weise deutlich den umfassenden Willen zur systematischen Nutzung von Digitalisierungspotenzialen.

"Die Schlüsselkompetenzen erfolgreicher Unternehmen werden auf lange Sicht in der Erfassung, Verarbeitung, Verknüpfung und dem Schutz von Daten liegen - und in der Ableitung konkreter Maßnahmen und Methoden".2) Als eine dieser Methoden kann das Building Information Modeling (BIM) verstanden werden.

BIM - verstehen wir alle das Gleiche?

Als reine Abkürzung "BIM" verwendet ist klar abzugrenzen, von was genau gesprochen wird: Building Information "Modeling" oder "Management"? Dabei wird unter Modeling im Allgemeinen "Gebäudedatenmodellierung" verstanden, also die Herstellung eines mehrdimensionalen digitalen Modells des Gebäudes nebst den jeweils definierten Informationen. Das Management hingegen beinhaltet unter anderem die Planung, Organisation und Kontrolle von Informationen des Objekts. Nachfolgend wird das "Building Information Modeling" beleuchtet.

Durch das höchst präzise und detaillierte Erstellen des digitalen Modells soll über den gesamten Lebenszyklus des Objekts eine höchstmögliche Qualität und Transparenz der jeweils benötigten Daten und Informationen gewährleistet werden. Dabei werden bereits im Entwurfsstadium, der anschließenden Bauphase und nach Fertigstellung des Objekts im Facility Management (FM) Daten und Informationen effektiv nutzbar und teilbar. Im erweiterten BIM besteht die Möglichkeit, über das digitale Abbild des Gebäudes hinaus sämtliche relevanten Daten von Beginn an durchgehend von allen Beteiligten bereitstellen und pflegen zu lassen. Dies erhöht die Aktualität und Relevanz der zur Verfügung stehenden Informationen und Funktionalitäten. "Das erweiterte BIM ist somit auch als 'Enabler' für Datenanalysen im Sinne von Big Data zu sehen" 3) und kann "sich als 'Schlüsseltechnologie' für die Branche erweisen, in der alle einzelnen Themenbereiche zusammenfließen." 4)

BIM-Modelle zeigen das digitale Abbild eines Gebäudes in mehrdimensionaler Sicht. Neben der klassischen 3-D-Ansicht kommen beispielsweise noch die Dimensionen Kosten (4-D) und Zeit (5-D) hinzu. Ebenfalls darstellbar sind weitere Dimensionen wie zum Beispiel Folgekosten im Lebenszyklus. Ebenso sind am Markt bereits Erweiterungen des BIM-Systems verfügbar, um "offene Daten- und Kommunikationsschnittstellen für die unterschiedlichen Anbieter bereitzustellen." 5) Neben der konkreten Vernetzung aller an Entwurf, Planung, Bau und Betrieb beteiligten Partner liegt einer der größten Vorteile in allzeitiger Datenverfügbarkeit und arbeitsteiliger Prozessoptimierung sowie in der Möglichkeit Budgetüberschreitungen frühzeitigst zu erkennen.

In Deutschland und Europa auf dem Vormarsch

Noch gibt es in Deutschland keine verbindliche Vorschrift, BIM für jedes Bauvorhaben bei Neubau und Sanierung anzuwenden. Initiativen des Bundes sind deutlich erkennbar und machen klar, dass BIM als Chance für bessere Planbarkeit, Kostentransparenz und Produktionsgewinne der Zukunft verstanden wird. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und das BMWi fokussieren die Digitalisierung im Hochbau.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) legt mit dem "Masterplan Bauen 4.0" klare Regeln fest und definiert BIM als Standard von 2020 an für alle Infrastrukturprojekte im bereits veröffentlichten "Stufenplan Digitales Planen und Bauen", mit dem Ziel BIM bis 2020 bei allen neuen Verkehrsinfrastruktur- und Großprojekten des Bundes anzuwenden.6) Für Europa hat die EU bereits im Jahre 2014 eine entsprechende Richtlinie verabschiedet, demnach alle staatlichen Projekte ab dem Jahre 2020 gesetzlich bindend als Standard das BIM vorschreibt. Die EU hat mit der "BIM Task Group" 7) einen wichtigen Grundstein im paneuropäischen Verständnis geschaffen.

Grundsätzlich ist dank BIM bereits im sehr frühen Planungsstadium volle Transparenz möglich. Alle Beteiligten haben entsprechend dem hinterlegten Rollenmodell Zugriff auf Informationen als Entscheidungs- und Handlungsbasis. Dies führt im Idealfall dazu, dass durch Änderungen verursachte Kostenerhöhungen eingegrenzt beziehungsweise im Vorfeld schon entsprechend simuliert werden.

"Digitaler Zwilling" - ein Must-have für jedes Gebäude?

Wechselt man die Blickrichtung und nimmt die Position des Stakeholders Bank ein, ergeben sich ebenfalls positive Ansätze, die aus BIM entstehen können, wie Bankenvertreter schon heute durchblicken lassen: "Aus der Finanzierung von Immobilien auf Basis BIM wollen wir mögliche Vorteile erkennen für die Kooperation mit unseren Kunden, wie zum Beispiel bei der Einholung und Aktualisierung von Unterlagen und Daten sowie der Risikoanalyse und im Monitoring. Auch wollen wir mögliche positive Auswirkungen einer durchgängig medienbruchfreien Digitalisierung auf Planung, Bau, Kostensicherheit und Betrieb konkret erfassen und beziffern können. Darüber hinaus erwarten wir Geschäftsansätze aus disruptiv neuen beziehungsweise veränderten Geschäftsmodellen entlang der Wertschöpfungskette Bau und Immobilien sowie angrenzender Branchen." 8)

Obgleich sich die IT-Werkzeuge und -Systeme in den letzten Jahren stark weiterentwickelt haben und eine hohe Anwenderfreundlichkeit aufweisen, wurden die Optimierungspotenziale bei den Organisationsprozessen und -strukturen rund um den Gebäudebetrieb noch nicht vollständig gehoben. Das Ergebnis: Die Betriebsprozesse von Gebäuden haben derzeit einen unzureichenden digitalen Anteil und entsprechen nicht durchgängig dem wünschenswerten Reifegrad.

Dies führt zu Schwierigkeiten und Mehraufwänden in der Praxis der Gebäudebewirtschaftung und zu einer "gläsernen Decke", was die Verbesserung der Leistungsqualität betrifft. Unnötiger Aufwand steckt zum Beispiel in der Suche von relevanten Betriebsdaten. So werden in vielen Objekten täglich Dokumente wie Gebäudepläne, Anlagenübersichten, Zählerdaten et cetera gebraucht und nicht immer systematisch gefunden.

Beim Betrieb durch externe Dienstleister übernimmt der Auftraggeber sogar bei jedem Wechsel einen kostspieligen Mehraufwand, weil jeder Dienstleister seine eigene Ablagen und Dateien erstellt und diese nicht immer vom Folgedienstleister übernommen werden können. Gründe sind unter anderem schlechte oder verschiedene Ablagesysteme, fehlende Standards in der Dokumentation und im schlechtesten Fall fehlende beziehungsweise unvollständige Unterlagen. Der Auftraggeber muss hierdurch mit einem gravierenden Wissensverlust rechnen, welcher mit vermeidbaren Risiken bei der Bewirtschaftung einer Immobilie einhergeht.

Der Tagesbetrieb aber auch mittel- und langfristige Betrachtungsebenen bezüglich Betreiberverantwortung könnten effizienter und effektiver organisiert werden, wenn konventionelle Pfade verlassen und die Vorteile der Digitalisierung sinnvoll genutzt würden. Zurückgespiegelt auf die Praxis ergeben sich hieraus unter anderem Probleme, wie fehlende Transparenz, mehrfache Datenhaltung, unpraktische Abläufe, schlechte und redundante Datenqualität oder unklare Verantwortlichkeiten.

Ein zentraler Knotenpunkt

Eine mögliche Lösung liefern zum Beispiel Software-Managementsysteme wie CAFM oder ERP-Systeme. Der Haken hierbei ist, dass die vorhandenen Meldungen, Dokumente und Stammdaten meist nur von ein paar Beteiligten beziehungsweise Abteilungen im Lebenszyklus einer Immobilie genutzt werden. Diese Tatsache liegt an der historischen Entwicklung, da die verschiedenen Bereiche meist unterschiedliche federführende Systeme verwenden.

An dieser Stelle kommt der "Digitale Zwilling" 9) mit einem BIM2FM-Organisationsdesign, entwickelt durch die Bayern Facility Management GmbH, als gemeinsamer Nenner ins Spiel. Dieser dient als zentraler Ausgangsknotenpunkt und ist im Gegensatz zu kritischen Aussagen weit mehr als nur eine optische Spielerei. Durch die Anreicherung der Punktwolke mit Informationen, wie Raumbuch, Anlagenübersicht und Absprungpunkten (Schnittstellen) zu anderen Managementsystemen gewinnt das Datenmodell an "Intelligenz". Weiterhin kann es hierdurch gewerksübergreifend verwendet werden. Konkrete Anwendungsfälle sind zum Beispiel:

- Navigationshilfe für Kunden, Gäste, Mitarbeiter, Fachpersonal oder Feuerwehr durch das Gebäude,

- Unterstützung bei einer Gebäudeevakuierung,

- Crowdsourcing (vergleichbar Google Local Guide) oder

- Prädiktive Instandhaltung, durch Sammlung, Auswertung sowie Simulation von Sensordaten.

Grundvoraussetzung ist eine strukturierte Vorgehensweise bei der Integration, sowohl in der Vertikalen als auch in der Horizontalen. Dazu gehört eine Abschaffung von Informations- und Datenbrüchen, eine Definition relevanter Daten mittels Datenmodell und eine Herstellung steuerungsrelevanter Inhalte. Das Organisationsdesign liefert und definiert hierzu notwendige Prozesse und Informationen.

Die oben gestellte Frage "Digitaler Zwilling - künftig ein Must-have für jedes Gebäude?" sollte demnach mit einem Ja beantwortet werden, da ansonsten Synergieeffekte verschenkt und Ressourcen verschwendet werden. Des Weiteren zeigen die skandinavischen Länder als europäische Vorreiter, dass es sich nicht nur um eine theoretische Idee handelt, sondern um eine zukünftige mehrwertgenerierende Möglichkeit für den Gebäudebetrieb und eine moderne Gebäudenutzung."10)

Eindeutige Vorteile

Durch eine Erweiterung des BIM mit speziell für die Immobilienbewertung benötigten Informationen kann eine Optimierung im Hinblick auf Qualität der Wertaussagen sowie Durchlaufzeiten erfolgen. Welche Informationen werden bei der Immobilienbewertung benötigt und können über BIM zur Verfügung gestellt werden? Beispielsweise ist ein "eigener", auf den Nutzer "Immobilienbewerter" zugeschnittener Standard vorstellbar, der die Erfordernisse genau definiert und im erweiterten BIM passgenau zur Verfügung stellt. Benötigte Informationen sind etwa Grundbuchdaten, Lageinformationen des Gebäudes auf dem Grundstück, Informationen über durchgeführte beziehungsweise geplante Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen, Vertragsunterlagen, Mieterübersichten, Due Diligences oder Green-Building-Zertifikate.

Daraus ergeben sich eindeutige Vorteile wie Zeitersparnis bei Unterlagen- und Informationsbeschaffung sowie eine Steigerung der Qualität aufgrund Echtheit und Zuverlässigkeit der Daten. Ferner kann das digitale Modell die bei der Objektbesichtigung gewonnenen Erkenntnisse und Eindrücke des Immobiliengutachters festigen sowie bei Unklarheiten unterstützend zur zügigen Aufklärung der jeweiligen Thematik mitwirken. Eine hundertprozentige Daten- und Informationsbereitstellung sowie deren absolute Aktualität und Validität bereits bei Auftragserteilung erhöht die Qualität des Wertgutachtens und senkt die zur Erstellung benötigte Zeit erheblich. Sowohl bautechnische und rechtliche als auch aufsichtsrechtliche Anforderungen könnten in vollstem Umfang abgebildet werden. BIM kann also in Zukunft ein idealer Datenpool für Immobilienbewerter sein.

Zweifelsfrei sind Daten für die gesamte Immobilienwirtschaft und deren Wertschöpfung von größter Bedeutung. Die BIM-Methode nimmt nicht nur bei Neubau- sondern auch bei Bestandsobjekten Fahrt auf. Eine Reihe von Referenzobjekten tragen zur Verbreitung der Methode und Akzeptanz bei und "jedem ist inzwischen klar, dass BIM die Zukunft darstellt". 11)

Fußnoten

1) Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Broschüre DE.DIGITAL, Digitale Strategie 2025

2) Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Broschüre DE.DIGITAL, Digitale Strategie 2025

3) InWIS-Studie "Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft" Chancen und Risiken, im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID), Kapitel 6.6.5. Big Data S. 90

4) InWIS-Studie "Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft" Chancen und Risiken, im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID), Kapitel 6.6.5. Big Data S. 90

5) Mittelpunkt - Das Maganzin der BayernLB 03.17, Nemetschek Group "In der fünften Dimension", S. 16

6) Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur "Umsetzung des Stufenplans Digitales Planen und Bauen"

7) www.eubim.eu

8) Beitrag: BayernLB, Kort Schlieper, Business Development / Branchen Know-how & Zukunftsmärkte

9) Ein digitaler Zwilling ist ein computergestützter virtueller Klon eines Objekts

10) Beitrag: BayernFM, Roswitha Schalk, Dipl.-Betriebswirt (FH), Referentin für Beratung & Vertrieb, Bayern Facility Management GmbH

11) Helmut Bramann vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie in seinem Artikel über den Stand beim digitalen Planen und Bauen, DK Nr. 231 vom 7./8. Oktober 2017

Die Autorin Monika Preithner, MRICS, Geschäftsführerin, LB Immobilienbewertungsgesellschaft mbH, München

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