Bausparen und Bausparkassen 2017

Die rechtlichen Implikationen des Masterplans Bauen 4.0

Tino Beuthan, Rechtsanwalt, CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB, Berlin

Mit dem Ende Januar 2017 vorgestellten "Masterplan Bauen 4.0" soll der Einsatz der digitalen Planungsmethode Building Information Modeling (BIM) im deutschen Bauwesen vorangetrieben werden. Die Vision des zuständigen Bundesverkehrsministers Alexander Dobrindt ist groß: Ziel sei es, Innovationsführer beim digitalen Bauen zu werden. Ein ehrgeiziges Vorhaben, hinkt Deutschland im internationalen Vergleich beim Einsatz der Technologie doch weit hinterher. Was Baubeteiligte über den Masterplan wissen sollten, erläutert der Autor des folgenden Beitrags. Dabei geht er insbesondere auf Fragen zur künftigen Vertragsgestaltung bei Bauvorhaben ein. Ihm zufolge steht das deutsche Vertragsrecht der Etablierung von BIM grundsätzlich nicht im Wege. Wichtig für die involvierten Akteure sei es vor allem, die jeweiligen Verantwortlichkeiten vertraglich genau festzulegen. Red.

"Erst digital, dann real bauen": Mit dem von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt am 24. Januar 2017 vorgelegten "Masterplan Bauen 4.0" soll der Einsatz der digitalen Planungsmethode Building Information Modeling (BIM) als Kernelement der digitalen Transformation im deutschen Bauwesen weiter vorangetrieben werden.

International den Anschluss nicht verlieren

BIM beschreibt eine optimierte Methode zu kooperativen Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden unter Einsatz digitaler Werkzeuge. Kern bildet ein digitales Bauwerksmodell, welches eine für alle Beteiligten synchronisierte Datenbasis und -drehscheibe darstellt. Auf dieser Grundlage können mit BIM Störungen in der Bauausführung reduziert und damit Kosten und Zeit eingespart werden; auch Betrieb und Instandhaltung von Gebäuden lassen sich signifikant optimieren.

In Deutschland ist der Grad der Digitalisierung in der Wertschöpfungskette beim Planen und Bauen jedoch noch gering, im Gegensatz zum Ausland. In den USA, England und den skandinavischen Ländern wird BIM bereits regelmäßig eingesetzt. Standards für den Einsatz von BIM wurden im Ausland teilweise bereits 2008 festgelegt und weiterentwickelt. Seit April 2016 ist das Planen mit BIM in England sogar für sämtliche öffentlich finanzierte Projekte verpflichtend vorgeschrieben. Für deutsche Unternehmen könnte der Rückstand in der Nutzung von BIM Wettbewerbsnachteile begründen.

Der sehr kurz und abstrakt gehaltene Masterplan sieht daher vor, dass das BIM in 20 zusätzlichen Pilotprojekten des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) auf allen Verkehrsträgern von der Schiene bis zur Wasserstraße erprobt wird. Hierfür investiert das BMVI 30 Millionen Euro. Ferner wird der Einsatz von Drohnen zur Vermessung von Baufeldern pilotiert. Die im Vergleich zu bisherigen Methoden deutlich präziseren und kostengünstigeren Messdaten sollen direkt in das BIM-Modell transferiert werden und zum BIM-Standard werden.

Daneben ist unter anderem geplant, das entwickelte BIM-Know-how durch ein nationales Kompetenzzentrum zu bündeln. Wichtig zum Verständnis des Masterplans ist es, dass dieser zum Teil auf den Ende 2015 durch das BMVI eingeführten Stufenplan "Digitales Planen und Bauen" aufsetzt. Nach dem Stufenplan soll BIM nach Ablauf der bis 2017 dauern den Vorbereitungsphase und einer erweiterten Pilotphase ab dem Jahr 2020 bei neuen Projekten im Zuständigkeitsbereich des BMVI in der Regel eingesetzt werden.

Limitierter Wirkungsgrad

Mit dem Masterplan sowie dem Stufenplan wird das Ziel verfolgt, durch die positiven Erfahrungen in den Pilotprojekten und den entwickelten Standards einen breiten Marktprozess auszulösen, indem auch kleine und mittelständische Unternehmen ertüchtigt werden, den Schritt in Richtung Digitalisierung mitzugehen. Dieser Ansatz ist zunächst zu begrüßen - nicht zuletzt um im internationalen Wettbewerb aufzuschließen. Der Wirkungsgrad der Maßnahmen ist jedoch dadurch limitiert, dass das BIM nicht umfassender bei öffentlichen Bauvorhaben auf Bundes- und Länderebene erprobt und angewendet werden soll, sondern (bislang) nur im Zuständigkeitsbereich des BMVI.

Deshalb sind auch Hochbauprojekte, die besondere Anforderungen gegenüber Infrastrukturprojekten aufweisen, in den Pilotprojekten bisher wenig repräsentiert. Eine gewisse Neubewertung erfährt diese Kritik mit Blick auf den (Bundes-) Hochbau. Denn am 16. Januar 2017 hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) eine Verfügung unter anderem an 16 Landesministerien erlassen. Hiernach soll ab sofort bei Neu- und Bestandsvorhaben ab einem Baukostenvolumen von fünf Millionen Euro stets geprüft werden, ob das BIM eingesetzt wird. Dies gilt für sämtliche Phasen von der Konzepterstellung bis hin zum Betrieb des Bauvorhabens. Der Erlass könnte signifikante Impulse geben, dass das BIM in Deutschland häufiger und umfassender eingesetzt wird. Bislang ist von der Verfügung des BMUB, die zeitlich nur kurze Zeit vor dem Masterplan erging, in der Öffentlichkeit wenig Notiz genommen worden.

Hinsichtlich des Masterplans ist weiter positiv zu bewerten, dass nunmehr auch der in der Praxis zunehmende Einsatz von Drohnen gefördert wird. Denn die Vermessung stellt neben der Vorabplanung einer der wichtigsten Prozesse vor und während eines Projekts dar. Um das volle Potenzial dieser Technologie abzurufen, wäre es aber sinnvoll, in den Pilotprojekten die unbemannten Flugsysteme auch zur Bauwerksanalyse einzusetzen. Denkbar wäre etwa die Messung des Baufortschritts im Rahmen der Bausauführung oder im Rahmen des Facility Managements, beispielsweise bei der effizienten Messung von Energieverlusten oder feinster Risse.

Das Vertragsrecht steht der bezweckten Verbreitung von BIM jedenfalls nicht entgegen. Allerdings stellen sich bei der Umstellung auf die BIM-Arbeitsweise zahlreiche praktische Herausforderungen, denen ein geeigneter Rahmen gegeben werden muss. Hinsichtlich der künftigen Vertragsgestaltung werden mehrere Themen relevant. So stellt bereits die Auswahl des Vertragsmodells eine zentrale Weichenstellung dar. Großes Potenzial bieten sogenannte Mehrparteienverträge, wie sie im angelsächsischen Ausland durchaus verbreitet sind.

Hier wird nur ein Vertrag für das Projekt abgeschlossen, den alle Beteiligten unterzeichnen. Durch die Koordination und Integration möglichst aller Projektbeteiligten zu einer sehr frühen Phase des Projekts ist dieser Vertrags typ konzeptionell besonders geeignet für das BIM. So werden bei Anwendung der BIM-Methode klassischerweise in späteren Leistungsphasen zu erbringende Leistungen mitunter in ein sehr frühes Stadium vorgezogen.

Aktuell größere Relevanz in Deutschland hat jedoch das Modell, in dem klassische Planer- und Bauverträge um BIM-spezifische Anhänge ergänzt werden. So können zum Beispiel die rechtlichen Aspekte bei der Anwendung von BIM - von der Haftung bis zum Urheberrecht - in einheitlichen besonderen Vertragsbedingungen (BIM-BVB) zusammengefasst werden. Die komplexen technischen und organisatorischen Anforderungen beim Arbeiten mit dem BIM werden in einem BIM-Pflichtenheft sowie einem BIM-Abwicklungsplan (BIM-BAP) hinterlegt. Die vernetzte Struktur der Verträge gewährleistet, dass das BIM in alle Einzelverträge einfließt.

Besonders wichtig für den Erfolg des Projekts sind in diesem Zusammenhang die sogenannten Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA), auf welche die genannten Anhänge aufsetzen. In den AIAs wird durch den Auftraggeber vorab genau festgelegt, welche Daten er wann benötigt, welche Software und Dateiformate zu nutzen sind und an welchen Übergabepunkten die Daten in das Gebäudemodell eingepflegt werden.

Genaue Festlegung der Pflichten empfehlenswert

Aktuell zeigen sich zum Beispiel noch Probleme bei der Beschreibung der AIA durch den Auftraggeber und insbesondere beim Austausch der Modelle zwischen den Beteiligten auf Grundlage des Industry Foundation Classes (IFC)-Formats, die jedoch gelöst werden können. Aufgrund des kollaborativen Ansatzes von BIM sollten ferner die Koordinierungs- und Integrationsaufgaben an dem gemeinsamen Modellinhalt der Projektbeteiligten vertraglich genau abgebildet werden. So ist zum Beispiel genau festzulegen, welcher Fachplaner das BIM-Modell und in welcher Detaillierungstiefe (Level of Detail (LOD)) schuldet. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu klären, welcher Akteur das BIM-Management übernimmt und wie das konkrete Leistungssoll ausgestaltet ist.

Das BIM-Management koordiniert grundsätzlich übergeordnet die Einhaltung des BIM-BAP und die zeit- und formatgerechte Datenlieferung. Der zuständige Akteur muss Schnittstellenkonflikte unter Anleitung der Betroffenen auflösen und wird teilweise auch mit sogenannten Clash-Detections beauftragt. Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) steht dem Einsatz von BIM nicht entgegen. Die HOAI ist reines Preisrecht und daher methodenneutral. Allerdings ist hinsichtlich der Vergütung genau zu prüfen, welche BIM-relevanten Leistungen dem zwingenden Preisrecht der HOAI unterliegen und welche als sogenannte besondere Leistungen frei verhandelbar sind. Besondere Leistungen wäre zum Beispiel die Verknüpfung einzelner Bauteile mit Kosten- und Termininformationen, sofern sie insgesamt zu einer über die Grundleistung hinausgehenden Kosten- und Terminkontrolle führt.

Ferner führt das kooperative Arbeiten beim BIM grundsätzlich nicht dazu, dass Haftungsgrenzen verschwimmen. Auch beim Arbeiten mit dem BIM gelten die herkömmlichen Grundsätze: Jeder Beteiligte haftet für sein eigenes Verschulden im Rahmen seines Leistungssolls. Entscheidend ist, dass die jeweiligen Verantwortlichkeiten vertraglich genau festgelegt und die tatsächlichen Projektabläufe dokumentiert werden. Auch die sonstigen potenziellen Haftungskonstellationen bei der Nutzung digitaler Methoden lassen sich durch eine hin reichende Vertragsgestaltung interessensgerecht abbilden, zum Beispiel hinsichtlich etwaiger Übertragungsfehler oder Datenverlusten oder bei Fehlern in der Nutzung der BIM-Clash-Detections.

Gängige Grundsätze bleiben erhalten

Besondere Aufmerksamkeit erfordern in der Vertragsgestaltung schließlich urheberechtliche Fragen, die Einräumung von Nutzungsrechten oder der Datenschutz. Digitale Daten können erheblich einfacher weitergegeben werden. Ferner hat eine Vielzahl von Beteiligten Zugriff auf die hinterlegten BIM-Daten. Schließlich enthalten BIM-Modelldaten sehr viel weitergehende Informationen als CAD-Daten. Aus diesem Grund sind umfassende vertragliche und technische Schutzmaßnahmen festzuschreiben und zugleich die Zugriffs- und Nutzungsrechte mit Augenmaß zu definieren.

Das BMVI geht mit dem Masterplan weiter einen richtigen Weg - und das mit durchaus hohem Engagement, auch wenn es etwas spät gestartet war. Eine deutliche neue Qualität erfährt die Förderung des BIM durch den Runderlass des BMBU: Jetzt treten zwei Bauherren auf Bundesebene auf, um den in Deutschland notwendigen Kulturwandel bei der Digitalisierung des Planen und Bauens voranzutreiben.

Das deutsche Vertragsrecht steht der Etablierung des BIM jedenfalls nicht im Wege. Sämtliche Fragen können durch eine umsichtige Vertragsgestaltung zufriedenstellend gelöst werden. Zugleich trägt der kooperative Charakter des BIM das besondere Potenzial in sich, die häufig konfrontativen Strukturen zwischen den Projektbeteiligten aufzulösen und partnerschaftliche Vertragsphilosophien am Bau zu forcieren.

Der Autor Tino Beuthan, Rechtsanwalt, CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB, Berlin
Noch keine Bewertungen vorhanden


X