Alles im Eimer

Realkredite: Konditionen Ende August 2015 Quelle: Dr. Klein & Co. AG

Noch Ende Juli 2015 sah es danach aus, als würde in Europa mit Aktien viel mehr Geld als mit Anleihen zu verdienen sein. Während Investoren im Jahresverlauf mit europäischen Aktien per Ende Juli knapp 18 Prozent Performance verbuchen konnten, reichte es bei der zehnjährigen Bundesanleihe nur zu einem mickrigen Plus von 0,2 Prozent. Bei dieser Entwicklung der Bonds spielt natürlich der "Monster-Crash" eine Rolle, der bei der zehnjährigen Staatsanleihe zwischen Ende April und Mitte Juni zu einer Verzehnfachung der Rendite führte.

Aber davon hat sich der deutsche Bondmarkt wieder gut erholt und die deutschen Titel profitieren wie gewohnt von ihrem Status als sicherer Hafen in stürmischen Zeiten.

Die Rahmenbedingungen für die Anleihen sind also tendenziell wieder besser geworden. Dagegen pfeift den internationalen Aktienmärkten nun ein heftiger Sturm um die Ohren, der von dem gewaltigen chinesischen Orkan ausgelöst wurde. Für Bonds spricht auch, dass das weltweite Wirtschaftswachstum schon vor den Turbulenzen in China eher mau war und sich kurzfristig nicht zum Besseren entwickeln wird. Eher ist mit dem Gegenteil zu rechnen. Damit sind Inflationssorgen unbegründet, dies gerade vor dem Hintergrund der schwachen Öl- und Rohstoffpreise. Ohne Inflationssorgen wird aber auch die US-Notenbank keine aggressiven Zinserhöhungsschritte ergreifen. In Europa kommt stabilisierend dazu, dass das Griechenland-Problem zwar nicht gelöst, aber wieder Mal ein paar Monate Zeit gewonnen wurden, bevor man sich wieder über die Schuldentragfähigkeit der Hellenen die Köpfe heiß diskutiert. Darüber hinaus profitieren die europäischen Anleihemärkte weiterhin von den massiven Käufen der Zentralbanken. Allerdings ist auf den Bondmärkten natürlich nicht alles so stabil wie die deutsche Bundesanleihe. Gerade Bonds aus dem High-Yield-Segment, vor allem Energiewerte, haben eingebüßt.

Für die Bondmärkte ist es jedenfalls gut, dass sie sich von den Kursverlusten vor der Sommerpause erholen konnten. Damit ist Zeit gewonnen, sich dem Thema der fehlenden Liquidität und der strukturellen Veränderungen in den Anleihemärkten intensiv zu widmen. Sollte sich eines Tages die Überzeugung durchsetzen, dass die Zinsen weltweit steigen werden, dann bleibt die große Frage, wer eigentlich die Bonds der abgabewilligen Investoren aufnimmt. Wöchentlich finden Konferenzen statt, werden akademische Papiere oder Research-Berichte abgeliefert, die sich diesem Thema widmen. Wie kaum anders zu erwarten, sind überzeugende Vorschläge und Maßnahmen rar. Leider! Klar ist, dass sich die Rahmenbedingungen für den internationalen Rentenhandel für die beteiligten Banken geändert haben. Da Bestände das knappe Gut Eigenkapital belasten, ist die Bereitschaft von Händlern, Ware einzukaufen, massiv geschwunden.

Des Weiteren gibt es auf der Angebotsund Nachfrageseite der europäischen Bondmärkte enorme Verschiebungen. Während sich ausländische Anleger bisher als Käufer zeigten und die Zentralbanken kräftig Anleihen erwarben, haben sich die lokalen (domestic) Investoren überraschenderweise teilweise sehr massiv von Anleihen verabschiedet. Die Analysten von Citi Research rechnen in der zweiten Jahreshälfte 2015 mit Käufen von europäischen Anleihen seitens ausländischer Anleger in Höhe von rund 150 Milliarden Euro. Von den europäischen Zentralbanken erwarten sie eine Nachfrage von 360 Milliarden Euro.

Angenommen, die Neuemissionen liegen im zweiten Halbjahr wie im Vorjahr um 30 Prozent unter dem Volumen der ersten Jahreshälfte, dann kommt es nach Schätzungen der Citi Analysten zu einem Rückgang des Volumens ausstehender europäischer Anleihen um mehr als 400 Milliarden Euro. Die gute Nachricht: Geringe Neuemissionen und das Schrumpfen des Marktes dürften in den nächsten Monaten eine starke technische Unterstützung darstellen und die Zinsen niedrig halten. Die weiterhin fehlende Liquidität, die Verkäufe der lokalen Investoren und das geringe Netto-Angebot von neuen Anleihen verschärfen dagegen die strukturellen Probleme mittelfristig weiter. Salopp gesagt - kurzfristig alles in Ordnung, langfristig alles im Eimer. ber

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