Gorillas, Flink & Co: Lieferdienste mischen Immobilienmärkte auf

Helge Scheunemann, Foto: JLL

Ob es einem gefällt oder nicht, sie sind inzwischen fester Bestandteil deutscher (Groß-)Stadtbilder: E-Bike-Fahrer, die Lebensmittel innerhalb kürzester Zeit zu den Konsumenten bringen. Dieser sogenannte Quick Commerce drückt nun zunehmend auch den Immobilienmärkten seinen Stempel auf, wie JLL heute berichtet.  

Demnach mieteten entsprechende Unternehmen in den ersten neun Monaten 2021 in Deutschland mehr als 17 500 Quadratmeter Ladenfläche an und erzielten so 5 Prozent des gesamten Vermietungsumsatzes. Das sei mehr als beispielsweise auf die Branchen Schmuck, Elektronik oder Telekommunikation entfiel. Noch deutlicher werde die Dynamik, wenn der Fokus allein auf das Segment Lebensmittel gerichtet wird. Hier gelingt es dem Quick Commerce laut JLL aus dem Stand heraus, einen Anteil von mehr als einem Viertel am Vermietungsvolumen und sogar 42 Prozent bei der Anzahl aller Anmietungen zu generieren.

„Die Zahlen spiegeln die rasante Entwicklung der vergangenen Monate. Seit Beginn der Pandemie und verstärkt in den jeweiligen Lockdown-Phasen sind die Lebensmittellieferdienste in den Fokus von Händler und Verbrauchern gerückt. Etablierte Ketten konnten die Nachfrage aber kaum bedienen. In diese Lücke stoßen nun Lieferdienste des so genannten Q-Commerce“, beobachtet Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany.

Neben den etablierten Firmen Gorillas und Flink drängten auch immer mehr Lieferdienste aus dem Ausland nach Deutschland, darunter Getir, Knuspr, Wuplo und zuletzt der US-Lieferdienst Doordash, der mit der Übernahme des finnischen Konkurrenten Wolt (bereits aktiv in 23 europäischen und asiatischen Ländern) den deutschen Markt betreten hat. Weitere Anbieter und Konkurrenz erwachse neuerdings auch durch die etablierten Restaurant-Lieferdienste wie Delivery Hero oder dem Getränkelieferanten Flaschenpost.

Doch auch klassische Lebensmittelanbieter blieben nicht untätig und rüsteten ihre Lieferangebote auf. „Dabei setzen sie verstärkt auf Kooperationen – wie z.B. Rewe mit Flink, oder der Biosupermarkt Alnatura setzt auf eine Vielzahl von Kooperationen mit Online-Supermärkten, um so seine Produkte über diese Kanäle an die Kunden zu bringen. Auch Edeka hat sich mit Picnic einen Partner fürs Onlinegeschäft ins Boot geholt und schließlich hat sich Kaufland mit der Übernahme von Real-Märkten auch deren Online-Präsenz gesichert“, fasst Scheunemann zusammen.

Doch wie viel Wachstumspotenzial bietet der Markt wirklich? Der Blick auf den deutschen Einzelhandelsumsatz zeigt laut JLL, dass vor Corona (2019) der Anteil des Online-Lebensmittelhandels bei knapp einem Prozent lag. Im Jahr 2020 hat sich der Umsatz auf zwei Prozent verdoppelt und in Berlin, Düsseldorf und München soll der Anteil nach einer Untersuchung von Ernst &Young sogar 7 bis 8 Prozent des lokal generierten Umsatzes betragen. Kein anderes Handels-Segment könne derzeit solch hohe Wachstumsraten vermelden.

Zwar sei eine gewisse Konsolidierung der Branche zu erwarten, doch sei davon auszugehen, dass die Anmietungsaktivitäten sich auch im nächsten Jahr fortsetzen werden. Nicht nur die Pandemie, sondern auch die Digitalisierung des Alltags würde das Einkaufsverhalten der Konsumenten weiter verändern. Auch die zunehmenden Quartiersentwicklungen in den Großstädten und Stadtstrukturen im Sinne der „15-Minuten-Stadt“ würden den Lieferdiensten weitere Optionen bieten.

Einen Aspekt gilt es laut JLL aber genau im Auge zu behalten: Angesichts aktuell stark steigender Preise auch für Lebensmittel reagierten die Konsumenten gegebenenfalls sensibel auf Zusatzkosten wie Liefergebühren. Je länger die inflationären Treiber wirkten, desto stärker werde dieser Effekt auf Lieferdienste durchschlagen.

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