Leitartikel

Wohnungsförderung als Kettenreaktion

Die so herzlich gefühlvolle Diskussion um Wohnungsverkäufe an "ausländische Investoren" zeigt es bis in die jüngsten Tage hinein: "Wohnen" ist in Deutschland kein alltäglicher Sachverhalt. Sondern an die "schöne Wohnung" und gar erst an das "Eigenheim" knüpfen sich in der Bundesrepublik ganz besondere Wertvorstellungen. Da findet sich zum Ersten und vor allem die verbreitete Auffassung, dass die "gute Wohnraumversorgung", die auch der zuständige Bundesminister den ihm obliegenden Verhältnissen bescheinigt, unbedingt zu den nationalen Staatsaufgaben gehört. Auch fünfzig Jahre nach den Kriegszerstörungen und Vertreibungen nährt noch ein großer Teil der Bevölkerung die Erinnerung an "die große Wohnungsnot", die von Staats wegen aufgearbeitet, gelindert, verwaltet werden muss.

Wohnungswesen also zum Zweiten nicht als ein Wirtschaftszweig wie etwa Einzelhandel, Maschinenbau oder Kreditwesen, sondern als ein bewirtschafteter Sektor - das ist es, was in den Köpfen der Deutschen schier untilgbar steckt. Wem die entsprechende Diktion nicht mehr so ganz geläufig ist, darf im vielgelobten gültigen "Wohnraumförderungsgesetz WoFG" des Jahres 2002 wunderschön auffrischen. Zum Beispiel: "Um tragbare Wohnkosten für Haushalte (mit niedrigem Einkommen) zu erreichen, können Wohnkostenentlastungen durch Bestimmung höchstzulässiger Mieten unterhalb von ortsüblichen Vergleichsmieten oder durch sonstige Maßnahmen vorgesehen werden. Dabei sind insbesondere die Leistungen nach dem Wohngeldgesetz, das örtliche Mietniveau und das Haushaltseinkommen des Mieters sowie deren Entwicklungen zu berücksichtigen." Deutscher kann so etwas niemand ausdrücken. Wohnraumförderung in diesem Stil für notwendig zu erachten zeigt unmissverständlich, dass man der Marktwirtschaft auf absehbare Zeit nicht zutraut, auch in noch unvollkommenen Märkten Angebot und Nachfrage "letztendlich" auszugleichen.

Würde "die Unterstützung von einkommensschwachen Haushalten bei der Versorgung mit angemessenem und familiengerechtem Wohnraum" jedoch nicht mehr "als wichtiger wohnungspolitischer Schwerpunkt" (Tiefensee) im Programm einer, jeder Bundesregierung stehen, würde sich zweifellos nicht nur die Opposition sondern eine Mehrheit der Wähler über "Sozialabbau" empören. Weil die objektnahe Wohnraumförderung im Sinne des Gesetzes aber nicht allein unter mäßigem Mittelfluss leidet, sondern viel Mühe und Sorgfalt der Kommunalbürokratie bindet, hat der fürsorgliche Sozialstaat bekanntlich das faszinierende System der Mietzuschüsse entwickelt, vom Wohngeld bis zur Stütze für Arbeitslose und/oder Sozialhilfeempfänger. Dass damit jeder so wohnen kann, wie er nur möchte, ist zwar verleumdend. Dass auf diese Weise der Staat jedoch mit Steuermitteln den freien(! ) Wohnungsmarkt stützt, weil seine Zuschüsse zu den Mieten eine nicht vorhandene Nachfrage zum gegebenen Mietniveau ausgleichen, ist schlicht "Volkswirtschaftstheorie, Kapitel 1".

Vornehmlich in den achtziger und neunziger Jahren hat die Eigenheimförderung den sozialen Wohnungsbau verblassen lassen. Ob dies bedarfsgemäß passierte, darf sehr bestritten werden. Auf jeden Fall aber ist jede Stützung der "eigenen vier Wände" dem Bundesdeutschen wunschgemäß. Und wer die Eigentumsquoten in den Nachbarländern rühmt, wird den Eigenheimdrang nicht einmal als deutsch-nationale Besonderheit belächeln können. Der Mensch als einigermaßen zivilisierter Bürger will es überall so. Das Kreuz der Eigenheimförderung vom legendären Paragrafen 7b EStG über den ausgedehnten 10e bis hin zur differenzierten Eigenheimzulage ist aber leider die unsaubere Zielführung.

Sowie die Förderung Zuschüsse leistet, verlangt die Vermeidung von puren Mitnahmeeffekten nach Kontrolle der persönlichen Lebensdaten. Sowie die Förderung aus Steuervorteilen besteht, jubeln vorzugsweise die Millionäre. Und denen gönnt der Neid nichts. Außerdem haben die Sonderabschreibungen Ost das ganze Instrument und dies hoffentlich für lange Zeit diskreditiert. Dass die immobile Riester-Vorsorge so lange auf sich warten lässt, hängt zweifellos mit den Nachteilen der früheren Förderwege zusammen, die man nun "gleich" vermeiden will: 35 immobilienbezogene Steuerrechtsänderungen hat es laut Gernot Mittler seit 1999 gegeben!

Ob die heutigen Förderprogramme zum Städtebau Ost und West, zur Energieeffizienz oder zur CO2-Reduzierung ein längeres Leben als die direkten Wohnungsbausubventionen haben, wird nicht zuletzt von den Förderinstitutionen und dabei vor allem den Förderbanken abhängen. Bei ihnen nämlich sollte nicht allein der Vertrieb via Hausbank die Hauptsache sein, sondern ihre Fähigkeiten müssten sie bitte zunehmend in die Rolle von Maklern hineinführen: Brüsseler Programme, KfW-Programme und Landesprogramme bedürfen dringend der Kombination - die L-Bank schreibt im Folgenden dazu. Dass Förderbanken Wettbewerbsgeschäft betreiben, um eigene Besonderheiten zu pflegen, dafür kann die Zeit eigentlich gar nicht mehr reichen. K. O.

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