Wohnungspolitik 2011

Wohnbau-Förderung braucht regionale Differenzierung

Angesichts der rückläufigen Baufertigstellungszahlen und zunehmender Wohnungsknappheit in einigen Metropolregionen Deutschlands wird der Ruf nach staatlicher Neubauförderung wieder lauter. Die meisten Immobilienverbände fordern die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung. Es gibt jedoch auch Stimmen, die sich dezidiert gegen solche Förderungen aussprechen, da man in Deutschland insgesamt nicht von einer Wohnungsknappheit sprechen könne.

Neue Förderinstrumente nötig

In Anbetracht einer immer stärkeren Differenzierung der Wohnungsmärkte sind die Förderinstrumente der Vergangenheit den heutigen Problemen nicht mehr angemessen und es wäre wirklich sinnvoll und notwendig, neue Instrumente zu entwickeln. Die Leerstandsquote in München liegt beispielsweise bei nur 1,1 Prozent, was einen Wohnraummangel signalisiert. Dagegen gibt es in strukturschwachen Regionen und in den neuen Bundesländern nach wie vor Standorte mit erheblichen Wohnungsleerständen. Eine allgemeine Maßnahme wie die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung würde in dieser Situation nicht die gewünschten Effekte erzielen.

In Städten mit großer Wohnungsknappheit wie München, Hamburg oder Köln wäre eine degressive Abschreibung von anfänglich vier Prozent, wie sie vorgeschlagen wurde, ein zu geringer Anreiz. Für strukturschwache Regionen, in denen hohe Leerstände herrschen, wäre eine steuerliche Neubauförderung dagegen überflüssig und falsch. Die Gefahr von Fehlallokationen - wie seinerzeit durch das Fördergebietsgesetz mit der Sonderabschreibung für die neuen Bundesländer - wäre groß. In Zeiten angespannter Haushalte und leerer Kassen müssen zudem die Ressourcen geschont werden. Es macht wenig Sinn, Wohnungsbau mit steuerlichen Anreizen nach dem "Gießkannenprinzip" auch in Regionen zu fördern, in denen es gar keine Wohnungsknappheit, sondern ein strukturelles Überangebot gibt. Gleichzeitig hat die Entwicklung der vergangenen Jahre jedoch gezeigt, dass der Mietwohnungsneubau auch in den Regionen mit Knappheit weit hinter dem Bedarf zurückbleibt. Zwar wird in Regionen mit Wohnungsmangel naturgemäß mehr gebaut als in solchen mit einem Angebotsüberhang, aber auch in den Städten mit Nachfrageüberhang ist die Neubautätigkeit zu gering und bleibt weit hinter dem Bedarf zurück.

Regionaler Wohnraummangel

In München beispielsweise werden jährlich etwa 9200 neue Wohnungen benötigt. Tatsächlich werden aber nur 5600 neue Einheiten gebaut. Ein ähnliches Bild gibt es auch in Hamburg, wo die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung den Bedarf an Wohnungen auf 5000 bis 6000 Einheiten pro Jahr beziffert. Im Durchschnitt wurden in den vergangenen Jahren jedoch nur 3000 Wohnungen fertiggestellt. Die Reihe ließe sich noch fortführen. Fest steht, dass sich die Wohnungsknappheit in vielen deutschen Wirtschaftszentren zunehmend verschärft, während beispielsweise in Schwerin derzeit rund 15 Prozent der Wohnungen leer stehen.

Bedarfsindikatoren für die Wohnungsbauförderung

Die Lösung des aus diesen Unterschieden resultierenden Dilemmas kann nur darin liegen, dass der Gesetzgeber eine differenzierte Förderung des Neubaus beschließt. Sie darf nur in jenen Regionen greifen, wo tatsächlich ein Förderbedarf besteht. Freilich bedarf es dazu der Entwicklung objektivierter Kriterien, mit denen eine regionale Differenzierung vorgenommen und der Bedarf gemessen werden kann. Dafür könnte ein Bündel von Indikatoren herangezogen werden, die einen Bedarf an Neubauförderung belegen.

Beispielsweise gibt es inzwischen gute Daten zur Entwicklung der Leerstandsquoten in Deutschland, etwa durch den Techem-Empirica-Leerstandsindex. Wenn eine gewisse Leerstandsquote unterschritten wird, könnte dies ein Indikator für die Notwendigkeit von Förderungen sein. Zudem gibt es heute wissenschaftlich gut abgesicherte Prognosen über die demografische Entwicklung in den kommenden fünfzehn Jahren, die auch die Binnenwanderung bis hinab auf die Ebene der Landkreise erfassen.

Prognosen

Für den Zeitraum bis 2025 prognostiziert beispielsweise das bayerische Landesamt für Statistik, dass die Bevölkerung in München und in den Landkreisen Erding, Freising, Landsberg am Lech und Landshut um mehr als zehn Prozent wachsen wird. In den nördlichen und östlichen Landkreisen Bayerns geht die Bevölkerung bis 2025 dagegen um durchschnittlich fünf Prozent zurück. Eine langfristig ausgerichtete Politik sollte die oft erheblichen Differenzen in der demografischen Entwicklung berücksichtigen und Wohnungsneubau nur in Regionen mit positiver demografischer Perspektive fördern. Denn es ist unsinnig, Wohnungsbau dort zu fördern, wo eine negative demografische Entwicklung zu erwarten ist.

Möglicherweise könnten auch weitere Indikatoren herangezogen werden. Die Entwicklung von Mieten und Kaufpreisen von Neubauwohnungen etwa ist ein Indiz für das Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt und könnte damit ein weiterer Indikator sein, der einen Bedarf an Neubauförderung anzeigt. Denn in Gebieten mit großen Nachfrageüberhängen steigen die Mieten und Preise in der Regel schneller als im Bundesdurchschnitt.

Es sollte also kein Problem sein, eine Reihe von objektiven Indikatoren zu entwickeln, anhand derer entschieden werden kann, ob eine Förderung des Neubaus notwendig ist oder nicht. Es gibt heute bereits im Rahmen verschiedener Programme staatliche Förderungen für den Abriss von Wohnungen in Gebieten mit strukturellem Angebotsüberhang.

Stadtumbau Ost

Beispielhaft ist das Programm "Stadtumbau Ost", bei dem der Bund den Abbruch nicht mehr benötigten Wohnraumes mit 30 Euro pro Quadratmeter fördert und das jeweilige Bundesland noch einmal den gleichen Betrag beisteuert. Auf diese Weise sollen insgesamt 350000 Wohnungen vom Markt genommen werden. Hiervon profitieren die kommunalen Wohnungsunternehmen, da ein Abriss in vielen Fällen betriebswirtschaftlich dringend erforderlich ist.

Spiegelbildlich ist es ebenso gerechtfertigt, regional differenziert auch den Neubau zu fördern, sodass das Bauvolumen in den Gebieten mit starken Nachfrageüberhängen gesteigert und das Wohnungsangebot an den Bedarf angepasst werden kann. Sinnvoll wäre es, dies mit einer Investitionszulage zu tun, da diese unabhängig von der steuerlichen Situation des Empfängers einer Förderung ist.

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