Wohnungspolitik 2011

Gezielte Förderung statt Gießkanne

Bereits seit vielen Jahren werden Diskussionen über den richtigen Weg zur Förderung des Wohnungsbaus in Deutschland geführt. Die Debatte ist damit zwar nicht neu, aber sie ist aktueller denn je, denn schon seit geraumer Zeit hinkt der Wohnungsneubau in Deutschland dem Bedarf hinterher. Die Nachfrage nach Wohnungen und Wohnfläche steigt, weil die Zahl der Haushalte wächst. Hier macht sich, trotz schrumpfender Bevölkerung, der Trend zu kleinen Einheiten mit höherem Wohnkomfort bemerkbar, vor allem bei Single-Haushalten. In gewisser Weise ist das Wohnungsproblem also auch ein Luxusphänomen.

Bedarf und Bedürfnisse

Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung geht davon aus, dass in den nächsten fünfzehn Jahren der jährliche Neubedarf bei mindestens 183000 Wohneinheiten liegen wird. Tatsächlich gebaut wurden im Jahr 2009 aber nur 140166 Wohnungen - so wenige wie seit 24 Jahren nicht mehr. Bis zum Ende des Jahres 2010 könnte erstmals seit vielen Jahren wieder mehr gebaut worden sein. Zumindest zeichnete sich bis August ein leichter Anstieg der Neubautätigkeit ab. Dennoch wird der Wohnungsneubau weit hinter dem Bedarf zurückbleiben. Und sollte aktuell die Differenz zwischen Wohnungsbedarf und Wohnungsneubau nur gering ausfallen: Eine Wende zum Besseren erleben wir noch lange nicht. Schon seit mehr als zehn Jahren wird in Deutschland zu wenig gebaut. Auf dem derzeitigen Niveau reicht die Neubautätigkeit nicht aus, den Rückstau aufzulösen und den weiter wachsenden Bedarf zu befriedigen.

Neben dem Mangel an neuen Wohnungen gibt es zudem ein Altersproblem bei der bestehenden Bausubstanz: Drei Viertel der deutschen Eigenheime sind schon jetzt älter als 25 Jahre. Und das Durchschnittsalter des Wohnungsbestandes nimmt rasch zu, da der Anteil der jährlich neu gebauten Wohnungen am Gesamtbestand derzeit nicht einmal mehr 0,4 Prozent beträgt. Ein nicht unwesentlicher Teil der in den fünfziger und sechziger Jahren errichteten Wohnungen wird von Fachleuten nicht nur unter energetischen Gesichtspunkten als nicht "sanierungswürdig" eingeschätzt und müsste ersetzt werden. Dieser Ersatzbedarf ist in der aktuellen Wohnungsmarktprognose überhaupt nicht enthalten.

Zugleich ändern sich die Anforderungen, die an den Wohnraum gestellt werden. Denn während die Zahl der Kinder und Jugendlichen stetig sinkt und der Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung zurückgeht, wächst die Zahl der Älteren. Heute ist etwa ein Viertel unserer Gesellschaft älter als 60 Jahre. In 20 Jahren wird es schon mehr als ein Drittel sein. Diese wachsende Generation hat vielfältige Wohnbedürfnisse, die sich immer weniger mit dem vorhandenen Wohnraumangebot decken dürften. Denn traditionelle institutionalisierte Wohnformen wie Alten- oder Pflegeheime, zumal in Randlagen, werden immer weniger gefragt sein. Mehr denn je legen ältere Menschen heute Wert auf eine selbstbestimmte, individuelle und partizipative Lebensführung.

Quantitatives und qualitatives Wohnungsproblem

Der Befund ist also eindeutig: Wir haben ein quantitatives und ein qualitatives Wohnungsproblem. Wir benötigen nicht nur mehr, sondern teils auch anderen Wohnraum. Doch wie soll eine adäquate Antwort der Wohnungsbaupolitik auf den sich abzeichnenden und vielerorts schon vorhandenen Mangel an geeignetem Wohnraum aussehen?

Eine naheliegende Antwort lautet, die Fördermittel wieder zu erhöhen. Allein von 2007 bis heute ist die öffentliche Förderung um fast 40 Prozent gesunken. Maßgeblichen Anteil am Rückgang hat vor allem der Abbau der Eigenheimzulage. 2007 kostete sie den Staat insgesamt noch 5,1 Milliarden Euro. In diesem Jahr wird es nur noch die Hälfte sein. Der neu geschaffene "Wohn-Riester" kann die sich auftuende Förderlücke von rund 2,5 Milliarden Euro bei Weitem nicht füllen.

Wenn die Wohnungsbauförderung um 40 Prozent gekürzt wird und zugleich das wertmäßige Neubauvolumen um 18 Prozent zurückgeht, dann ist ein ursächlicher Zusammenhang nicht von der Hand zu weisen. Es spricht tatsächlich manches dafür, dass den immer spärlicher fließenden Fördergeldern zumindest eine Teilschuld an der Neubaumisere zukommt. Aus dieser Bestandsaufnahme ergibt sich im Umkehrschluss: Eine höhere finanzielle Förderung hilft, den Wohnungsneubau zu forcieren.

Forderungen, die Eigenheimzulage neu aufzulegen, die degressive AfA wieder einzuführen, Schuldzinsen auch bei selbst genutztem Wohneigentum abzugsfähig zu machen, die Grunderwerbssteuer und die Grundsteuer zu reduzieren oder abzuschaffen, sind daher vielleicht verständlich - angesichts der Sparzwänge und Sparbemühungen bei den öffentlichen Haushalten (Stichwort: Schuldenbremse) sind sie aber auch wenig realistisch.

Regional differenzierte Förderung

Wenn also die Diagnose lautet: Eigentlich notwendige stärkere staatliche Förderung des Bauens wird auf längere Sicht nicht möglich sein, so lautet mein Therapievorschlag: die vorhandenen knappen Mittel gezielter einsetzen. Dazu bedarf es keines kompletten Umbaus der existierenden Förderinstrumente und Förderprogramme. Mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) verfügt der Bund über eine effiziente und kompetente Förderbank. Die Zusammenarbeit zwischen ihr und den Banken vor Ort könnte problemloser nicht sein. Die KfW-Programme - von der Förderung des Wohnungseigentums über die Förderung energetischer Sanierungen bis zur finanziellen Unterstützung beim altersgerechten Umbau - gehen alle in die richtige Richtung.

Zwischen Flensburg und Garmisch, zwischen Aachen und Frankfurt/Oder entwickelt sich der Wohnraumbedarf jedoch höchst unterschiedlich. Während in ländlichen oder strukturschwachen Gebieten Leerstandsquoten von zehn oder mehr Prozent schon jetzt keine Seltenheit sind, droht in anderen Regionen, insbesondere in den Großstädten, akuter Wohnungsmangel.

Diesem Umstand sollten die Förderprogramme Rechnung tragen. Die verbliebenen Fördermittel sollten daher regional differenziert und am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet werden. Neubau- und Sanierungssubventionen könnten auf Gebiete mit bereits vorhandener oder sich abzeichnender Wohnraumknappheit konzentriert werden. In ländlichen Gebieten, in denen es schon heute Leerstände gibt, sollte sich die finanzielle Förderung auf jene Fälle beschränken, bei denen alter Wohnraum energetisch saniert oder abgerissen und durch neuen ersetzt wird.

Gute Prognoseinstrumente

Die nötigen Instrumente, um den regionalen Wohnraumbedarf korrekt vorherzusagen und zu messen, sind schon vorhanden. Migrationsstudien sagen detailliert voraus, in welchen Gebieten aufgrund von Wanderungsbewegungen mit einem Bevölkerungsrückgang und in welchen Gebieten mit einer steigenden Bevölkerungszahl zu rechnen ist. Die Förderung von Wohneigentum sollte deshalb gezielt auf jene Zuzugsgebiete konzentriert werden, in denen sich ein Wohnraummangel abzeichnet oder bereits festzustellen ist.

Dies ist etwa am Stammsitz der Frankfurter Volksbank der Fall. Während 1999 in Frankfurt am Main noch 24000 Wohnungen fertiggestellt wurden, waren es im Jahr 2008 nur noch 11500, also weniger als die Hälfte. Gleichzeitig stieg in der Region die Zahl der Haushalte um 4,8 Prozent, die Bevölkerung wuchs um 3,3 Prozent. Das korrespondiert mit unseren eigenen Beobachtungen: Die Immobiliengesellschaft der Frankfurter Volksbank, spezialisiert auf die Vermittlung von Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäusern, verzeichnet schon seit langem eine stetig steigende Nachfrage insbesondere nach Einfamilienhäusern und Wohnungen. Es sind vor allem junge Familien, die auf der Suche nach Wohnungen und Häusern sind. Setzt sich dieser Trend fort, dann wird in Frankfurt am Main die Nachfrage nach Wohnraum künftig nur sehr schwer und zu steigenden Preisen zu befriedigen sein.

Zurück in die Städte

Die wirtschaftsstarken Zentren, für die Frankfurt hier nur als Beispiel genannt sein soll, üben aber nicht nur auf junge Familien eine starke Anziehungskraft aus. Auch die ältere Generation zieht es wieder in die Metropolen oder doch wenigstens in ihre Nähe. Auch sie bevorzugen einen gut erreichbaren Wohnstandort mit einem möglichst anregenden und unterstützenden Umfeld. Sie schätzen eine gute Infrastruktur, wo der Arzt oder Supermarkt, wo kulturelle Angebote oder Begegnungsmöglichkeiten problemlos zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Die Bereitstellung altersgerechter beziehungsweise barrierefreier Wohnimmobilien kann allerdings nicht allein durch Umbauten und Modernisierungen bewerkstelligt werden. Die staatliche Förderung sollte auch auf den Neubau ausgedehnt werden.

Besondere Berücksichtigung verdienen dabei Wohnformen, die das Zusammenleben von Alt und Jung zum beiderseitigen Nutzen fördern. Mehrgenerationenhäuser und generationenübergreifende Wohnbezirke können helfen, da sie Hilfe zur Selbsthilfe bieten. In der Förderung entsprechender Wohnformen wären die eingesparten Mittel daher gut angelegt.

Zugegeben: Der skizzierte Umbau der Wohnraumförderung wird nicht über Nacht gelingen. Werden aber die knappen Fördermittel nicht mehr nach dem Prinzip der Gießkanne, sondern gezielt und bedarfsgerecht eingesetzt, dann besteht die Chance, den Wohnungsneubau in Deutschland nachhaltig anzuregen und dem drohenden Wohnraummangel wirksam in den prosperierenden Regionen zu begegnen.

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