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Wachstum und Schuldenabbau - wie passt das zusammen?

Bis zur weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 standen alle Zeichen bei IVG auf Expansion, insbesondere beim Ausbau des Bestandsportfolios durch großvolumige Portfolioerwerbe im deutschen Gewerbeimmobilienmarkt und durch eine signifikante Vergrößerung der Entwicklungsprojek-te-Pipeline in Europa.

Diese pro-zyklische Investitionsstrategie führte durch das Volumen der Ankäufe und Projekte sowie deren Fremdfinanzierung alleine im Jahr 2007 zu einer Verdopplung der Finanzverbindlichkeiten der IVG auf weit über vier Milliarden Euro (und entsprechender Erhöhung des Verschuldungsgrades, Loan-to-Value), welche in Teilen nur durch eine kurzfristige Laufzeit gedeckt waren.

Die signifikante Eintrübung des wirtschaftlichen Umfelds zusammen mit einer in der jüngeren Vergangenheit nicht bekannt gewesenen Unsicherheit im Finanzierungssektor erforderten daher im Jahr 2009 tiefgreifende Maßnahmen zur Sicherung des Fortbestands des Unternehmens. Eine der ersten Entscheidungen des neuen Managements war daher die Zusammenfassung diverser kurz- und mittelfristig auslaufender Bankverbindlichkeiten in einen syndizierten Kredit mit neuer mittelfristiger Laufzeit, der aufseiten der Verbindlichkeiten die finanzielle Stabilität für den Start des Restrukturierungsprogramms bot.

Das neue Geschäftsmodell

Weitaus wichtiger jedoch war die strategische Entscheidung, das Geschäftsmodell der IVG zu ändern: weg von einem Unternehmen, welches als "trader and developer" unter anderem das Ziel verfolgte, durch Ausnutzung von Immobilienmarktzyklen im Bereich der Projektentwicklung einen planerisch hohen Profit für seine Investoren zu erzielen und somit die Gesamtrendite der insgesamt fünf in einer Silostruktur arbeitenden Geschäftsbereiche (Real Estate, Development, Caverns, Institutional Funds, Private Funds) zu erhöhen.

Das neue Geschäftsmodell der IVG als integrierte Investmentplattform für Immobilien- und Infrastrukturprodukte zielt vielmehr auf Risikoreduktion und Verstetigung von Cash-Flows ab. Dies bedeutet auch den Abschied vom volatilen Immobilien-Projektentwicklungsgeschäft, welches aus der Erfahrung der letzten Jahre die planerische Rendite nur in wenigen Einzelfällen erreichen konnte, insbesondere aufgrund der negativen Effekte auf Mieteinnahmen und Exit-Multiples durch sich stetig verkürzende Immobilienmarktzyklen. Der Kapitalmarkt ist auch nicht bereit, Aktivitäten in diesem Bereich aufgrund der externen Ungewissheit über das jeweilige Risiko-Rendite-Profil im Sinne des Unternehmens zu bewerten, wenn diese aufgrund des Projektvolumens einen signifikanten Anteil an den Gesamtaktivitäten eines Unternehmens ausmachen.

Für Immobilienaktieninvestoren bedeutet diese Maßnahme auf den ersten Blick das Gegenteil von Wachstum. Durch den Verkauf fertiggestellter Projekte werden zukünftige Miet-Cash-Flows nicht mehr der IVG zufließen und somit keine Umsatzsteigerungen generiert. Jedoch bedeutet dies im vorliegenden Fall gleichzeitig eine Entlastung für das eigene Immobilienportfolio, da aus dem eigenen Bestand aufgrund unplanmäßig aufgetretener Kostenüberschreitungen im Bereich der Projektentwicklungen liquiditätsgetriebene Verkäufe stattfinden mussten. Diese alternativlose Strategie führte daher übergangsweise sogar zu einer erhöhten Eigenkapitalallokation in dem Bereich, der strategisch abgebaut werden soll.

Auf den zweiten Blick jedoch bedeutet jeder erfolgreiche Verkauf einer fertiggestellten Projektentwicklung die Rückführung von Bankverbindlichkeiten sowie die "Befreiung" des investierten Eigenkapitals, welches für die Dauer der Projektentwicklung keine für die Immobilienaktieninvestoren sichtbare Rendite produziert hat.

Die somit eingesparten Zinskosten und eine sinnvolle Re-Investition des freien Eigenkapitals in weniger volatile Geschäftsbereiche (beispielsweise in den sehr profitablen Bereich Kavernen/Infrastruktur, in dem die IVG seit nunmehr 40 Jahren aktiv ist) führen daher unter dem Strich zu nachhaltigem Wachstum für die Aktionäre.

Ein wichtiger zweiter Bestandteil des neuen Geschäftsmodells ist die Verzahnung von On-Balance- und Off-Balan-ce-Geschäft - in anderen Worten die Mischung aus Eigenbestand und Verwaltung für Dritte und somit die "integrierte" Plattform der IVG. Als Co-Investor beteiligt sich die IVG selektiv mit fünf bis 20 Prozent an Fondskonstruktionen, insbesondere im institutionellen Spezialfondsbereich, zusammen mit seinen Kunden, also namhaften Versicherungen und Pensionsfonds.

Plattform für Co-Investments

Die Attraktivität aus Kundensicht ist hier die Interessensgleichheit des Vermögensverwalters IVG (Agent) mit den Eigenkapitalgebern (Principal), durch den eigenen Einsatz von Eigenkapital des Vermögensverwalters. Ein Co-Investment wird immer dann in Erwägung gezogen, wenn das Fondsprodukt vom Rendite-Risiko-Profil sowie der geografischen Allokation zur generellen Anlagestrategie für den IVG-Eigenbestand passt.

Diese Konstruktion eröffnet diverse ergebniswirksame Einnahmequellen, die von der IVG als Investment-Plattform generiert werden. Hierzu zählen unter anderen die regelmäßige Ausschüttung auf das eingesetzte Eigenkapital (Fondsausschüttung auf die Minderheitsbeteiligung), die jährlich anfallenden Fondssowie Asset-Management-Gebühren und nicht zuletzt bei einer über der Erwartung liegenden Entwicklung des Fonds auch eine Performance Fee.

Zusammenfassend bedeutet dies eine - im Vergleich zum direkten Investment beispielsweise in eine Immobilie - deutlich erhöhte Rendite bei nur begrenztem Einsatz von Eigenkapital.

Weitere Effekte durch Schuldenabbau

Durch den Abverkauf nicht strategiekonformer kleinerer Immobilien aus dem derzeitigen Eigenbestand plant die IVG daher, weiterhin als Co-Investor aufzutreten. Der Nebeneffekt dieser Strategie ist auch, dass durch den Verkauf von Immobilien mit einem höheren LTV und Re-Investition der freien Mittel in Fondsprodukte mit durchschnittlich nur 50 Prozent LTV eine schrittweise Entschuldung aktiv unterstützt wird. Ein gutes Beispiel für diese strategische Stoßrichtung war der Erwerb des "Silberturms" in Frankfurt am Main im Rahmen einer Club-Deal-Struktur unter Führung der IVG.

Ein weiterer Aspekt der Risikoreduktion und Erhöhung des nachhaltigen Cash-Flows ist der kontinuierliche Schuldenabbau. Durch die bereits beschriebene primär kreditfinanzierte Expansionspolitik der Vorjahre, Verluste im Projektentwicklungsgeschäft, primär aufgrund fehlkalkulierter Projekte sowie generell leicht negativer Entwicklung der durchschnittlichen Gewerbeimmobilienpreise in den letzten drei Jahren erhöhte sich der LTV der IVG in der Spitze bis auf rund 73 Prozent. Dies vergleicht sich global mit einer durchschnittlichen Bandbreite von 50 bis 60 Prozent bei Immobilienaktiengesellschaften.

Wenn es auch vereinzelt Geschäftsmodelle mit strategisch höherem Verschuldungsgrad gibt sowie Kapitalmarktzyklen, in denen niedrige Zinsniveaus eine höhere Verschuldungsquote aufgrund von anfänglich profitablen sogenannten "Spread Play" (Mietrendite minus Zinskosten) verlangen, plant die IVG, sich mittelfristig der internationalen Bandbreite anzunähern. Diese Bandbreite hat sich in Märkten etabliert, welche über jahrzehntelange Erfahrung mit börsennotierten Immobiliengesellschaften in verschiedenen Zyklen verfügt. Weiterhin erhöht ein limitierter Verschuldungsgrad ohne Zweifel die finanzielle Flexibilität eines Unternehmens in Krisensituationen.

Skepsis der Aktionäre

Wie groß die Skepsis der Aktieninvestoren derzeit bezüglich des Banken-Finanzierungsmarkts ist, konnte die IVG selber Ende 2011 erleben. Alleine durch die Vermeldung der erfolgreichen Verlängerungen von Krediten in Höhe von insgesamt 2,6 Milliarden Euro verbuchte die IVG-Aktie mit rund 30 Prozent den größten Kurssprung in ihrer Historie. Dies zeigt gleichzeitig eine vor der Verkündung sehr kritische Einstellung des Marktes zur Verfügbarkeit von Fremdkapital in Zeiten von erhöhter Bankenregulierung und Volatiltitäten an den Finanz- und Kreditmärkten.

Dies ist sicherlich vor allem ein Problem für höher verschuldete Unternehmen als für Unternehmen, denen vom Kapitalmarkt ein niedriges Risikoprofil zugestanden wird. Des Weiteren bestätigen diverse Analystenreports die Abhängigkeit der höher verschuldeten Immobilienaktien von der Entwicklung europäischer Bankaktien - eine "Sippenhaft", die gerade in volatilen Börsenzeiten die Kommunikation mit potenziellen Aktieninvestoren in Bezug auf das reine Immobilien- und Infrastrukturgeschäft erschwert.

Auch für höher verschuldete Unternehmen müssen sich Schuldenabbau und Wachstum nicht ausschließen. Die Kernfrage ist, wie Wachstum definiert ist bei der IVG bedeutet dies nicht unbedingt "Top line"-Umsatzwachstum, sondern am Ende des Tages "Bottom line"-Wachstum der nachhaltigen Cash-Flows (Funds from operations), welche zukünftig - nach erfolgreicher Finalisierung der Restrukturierung - die Basis einer raeugseslcmhäüßtitgueng Dividenden darstellen werden. Eine erfolgreiche Risikoreduktion und Allokation von Eigenkapital in Geschäftsbereiche mit überzeugendem Risiko-/Renditeprofil werden sich daher auch mittelfristig in einer höheren Kapitalmarktbewertung widerspiegeln.

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