Schwerpunkt Bausparen und Bausparkassen

Swaptions zur Absicherung von Tail-Risiken bei Bausparkassen

Bausparverträge enthalten zahlreiche Wahlrechte für den Kunden. Diese reichen von dem Recht auf ein zinsgünstiges Bauspardarlehen bis zu Kündigungsmöglichkeiten in der Spar- und Darlehensphase. In der jüngeren Vergangenheit hat dies, in Verbindung mit relativ niedrigen Marktzinsen zu einem Druck auf die Zinsspanne für die Bausparkas -sen geführt. Zukünftig könnte, zum Beispiel bei einer durch eine expansive Geldpolitik angeheizten Inflation, eine starke Inanspruchnahme der aktuell niedrigen Darlehenszinsen zunehmenden Druck auf die Margen ausüben sowie Liquiditäts- und Zuteilungsengpässe vergleichbar der Situation in den achtziger Jahren bewirken.

Um diesen möglichen Folgen zu begegnen, verpflichtet der deutsche Gesetzgeber die Bausparkassen zur Bildung eines Fonds zur bauspartechnischen Absicherung (FbtA).1) Allerdings ist der FbtA in seiner derzeitigen rechtlichen Ausgestaltung nicht dazu geeignet hier vollumfänglich Abhilfe zu schaffen.2) Vielmehr stellt sich die Frage, ob die Nutzung von Swaptions für Bausparkassen ein kapitaleffizientes Instrument darstellt, die in den Bausparverträgen eingebettete Optionalität sinnvoll abzusichern. Bei optimaler Auswahl geeigneter Swaptions können die Risiken, zu deren Absicherung der FbtA derzeit vorgehalten werden muss, reduziert werden.

Ökonomisch betrachtet stellen die Wahlmöglichkeiten der Bausparkunden "Short Options"-Positionen aus Sicht der Bausparkasse dar. Eine kapitalmarktorientierte Bewertung dieser Positionen ist aufwendig und erfordert zum Beispiel Monte-Carlo-Simulationen basierend auf marktkonsistenten Zinsmodellen.3) Eine wesentliche Stellgröße der Bewertung sind dabei die Verhaltensweisen der Kunden, die nur teilweise finanzrational sind. Hierzu sind geeignete Annahmen aufgrund historischer Beobachtungen zu treffen und regelmäßig zu überprüfen.

Die kapitalmarktorientierte Bewertung ist gleichzeitig ein wesentlicher Bestandteil einer barwertigen Steuerung einer Bausparkasse. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass sich die aktiv- und passivseitigen Marktwertveränderungen nicht in dem selben Ausmaß im jeweiligen Jahresabschluss einer Bausparkasse widerspiegeln. Stattdessen werden aus gutem Grund unter HGB, aber auch unter IFRS, nicht die barwertigen Veränderungen der Optionen eines Bausparvertrages erfasst, sondern es wird lediglich über die Auswirkung einer Aus- oder Nichtausübung auf Ertrag und Liquidität im jeweiligen Jahresabschluss berichtet. Dies und die Komplexität der Optionalität lässt eine vollständige Immunisierung der Risiken von Bausparverträgen weder zielführend noch zweckmäßig erscheinen.

Vielmehr stellt sich die Frage, welche dieser barwertigen Risiken die Bausparkasse durch einen ausgewogenen Produktmix und eine geeignete Kapitalanlagestrategie absichern kann und welche darüber hinausgehenden Risiken besser durch Optionen abzusichern wären.4) Typische Risiken dieser Art sind sogenannte Tail-Risiken: Darunter werden Risiken verstanden, deren Eintritt zwar a priori relativ unwahrscheinlich erscheint, deren Auswirkung a posteriori jedoch das Geschäftsmodell von Bausparkassen erheblich erodieren könnte. Anschaulich gesprochen liegen diese Risiken beispielsweise in anhaltend sehr niedrigen oder plötzlich sehr hohen Zinssätzen. Solche Risiken sind aber in einer Situation einer längeren Rezession in der Eurozone und/ oder eines Quantitative Easing der EZB durchaus real. Im Folgenden sollen die Fragen der Determinierung solcher Tail-Hedges sowie mögliche Veränderungen für die Prozesse des Risikomanagements näher betrachtet werden.

Konvexität des Kollektives

Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Absicherung des Kundengeschäfts einer Bausparkasse, hier insbesondere des Bausparkollektives, gegen Zinsänderungen. Die Zielgröße sind Zinssensitivitäten, das heißt das barwertige Zinsänderungsrisiko für Zinsänderungen in bestimmten Laufzeitenbereichen.

Die Abbildung 1 veranschaulicht die Barwertänderung des Kollektivs und des festverzinslichen Portfolios in Abhängigkeit des Zinsniveaus. Es wird deutlich, dass der Barwert des festverzinslichen Portfolios nahezu linear vom Zinsniveau abhängt, während der Barwert des Kollektivs eine stärkere Konvexität besitzt. Die Zinssensitivitäten (Abbildung 2) sind ein Maß für die Veränderung des Barwerts der Positionen bei einer kleinen Veränderung des Zinsniveaus (plus ein Basispunkt). Sie lassen sich als Steigung der Barwertkurve darstellen.

Um diese Daten zu ermitteln, wird die Berechnung sowohl für die Ausgangszinskurve als auch für "gestresste" Zinskurven durchgeführt. Unter gestressten Zinskurven sind in dem genannten Beispiel Zinskurven zu verstehen, die parallel um beispielsweise plus/minus ein Prozent verschoben werden. Letzteres bedeutet, dass nicht nur die aktuellen Zinssensitivitäten ermittelt werden sollen, sondern auch deren Veränderung in Abhängigkeit vom Zinsniveau.

Eine typische Situation: Die Zinssensitivitäten zeigen, dass ein Zinsanstieg von einem Basispunkt den Barwert aus dem kollektiven und außerkollektiven Kundengeschäft verbessert, den der aktivseitig gehaltenen festverzinslichen Wertpapiere aber verschlechtert. In Summe kann von einer Verbesserung des Barwerts des Unternehmens ausgegangen werden. Hauptreiber ist dabei der Passivvorlauf durch die sogenannten Sparer, das heißt Bausparverträge, die sich noch in der Sparphase befinden und noch nicht zugeteilt sind. Das freizügige Einbetten weiterer Optionen in die Sparphase erhöht die Konvexität: Bonuszinsen erhöhen beispielsweise das Verlustpotenzial der Bausparkasse bei niedrigen Zinsraten und verstärken die positive Sensitivität.

Die Sensitivitäten der festverzinslichen Wertpapiere variieren aufgrund der fast linearen Barwertkurve bei verschiedenen Zinsniveaus nur gering. Hingegen können sich bei verschiedenen Zinsniveaus die Sensitivitäten für das Kundengeschäft erheblich verändern: Niedrigere Zinsen erhöhen die Zinssensitivität insbesondere am langen Ende, während steigende Zinsen hier sogar zu einer Umkehr der Sensitivitäten führen können.

Diese Veränderung ist auf den Anspruch der Bausparer auf ein Bauspardarlehen zurückzuführen: Höhere Zinsen machen eine Ausübung dieses Anspruches wahrscheinlicher. Damit erhöht sich aus Sicht der Bausparkasse der wahrscheinlichkeitsgewichtete Bestand an Darlehen, in denen die Bausparkasse fixe Raten empfängt und die daher eine vergleichbare Sensitivität wie festverzinsliche Wertpapiere ausweisen. Niedrigere Zinsen reduzieren eben diese Wahrscheinlichkeit und lassen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit das Bausparprodukt zu einem "reinen" Sparprodukt werden.

Um zu erkennen, in welchen Laufzeitbereichen das barwertige Risiko einer Zinsänderung am größten ist, werden die Zinssensitivitäten auch getrennt nach Laufzeitenbuckets dargestellt. Dabei ist zu beobachten, dass die Schwankung der Sensitivität typischerweise mit der Laufzeit ansteigt. Dieser Anstieg wird allerdings durch Volumenseffekte (absolut) gedämpft. In der Konsequenz bedeutet dies, dass typischerweise die Sensitivitäten der Laufzeitenbereiche etwa fünf bis zehn Jahre mit linearen Instrumenten bevorzugt abgesichert werden können. Die Konvexität, das heißt die Veränderung der Sensitivitäten bei unterschiedlichen Zinsniveaus, für die längeren Laufzeitbereiche sollten jedoch vermehrt auch durch Optionen (zum Beispiel Swaptions) abgesichert werden.

Die Auswahl der geeigneten Optionen

Das Vorgehen zur Herleitung der geeigneten Absicherungsportfolios orientiert sich an Verfahren zur Herleitung sogenannter Replikationsportfolios. Es besteht im Kern aus einer Optimierung der Gewichte eines Anlageuniversums, mit dem Ziel, die Abweichung der Sensitivitäten der ausgewählten Instrumente zu den Sensitivitäten des Zielportfolios zu minimieren.

Eine wesentliche Frage für die Auswahl beginnt mit der Definition der Gesamtheit aller in Betracht zu ziehenden Absicherungsinstrumente, das heißt diejenigen Derivate (European Swaptions oder Bermudan Swaptions, Swaps, Forwardstarting Swaps), die im Rahmen der Absicherung eingesetzt werden können. Die Überlegungen dazu sollten einerseits die ökonomischen Vorgaben beachten, das heißt das berechnete Profil der Sensitivitäten sowie deren Veränderungen, und andererseits auch im Sinne des Bausparkassengesetzes sowie einer HGB- und IFRS-Bilanz "investierbar" sein. Ein beispielhaftes Universum von Derivaten zur Absicherung findet sich in Abbildung 3.

Aufsichtsrechtlich ist davon auszugehen, dass Bausparkassen nur solche Kapitalmarktinstrumente als sogenannte Hilfsgeschäfte einsetzen dürfen, die einen Bezug zum Kundengeschäft haben (zum Beispiel Anlage von Kollektivüberschüssen) und die Risiken aus dem Kundengeschäft reduzieren. Dies sollte im vorliegenden Fall aber gewährleistet sein, da über die Minimierung selbst der entsprechende Zusammenhang hergestellt wird.

Darüber hinaus wird man zeigen können, dass sich der (barwertige) Value at Risk (VaR) durch die Absicherung reduziert. Für die Zulässigkeit ist außerdem nachzuweisen, dass (auch auf einzelnen Laufzeitbändern) kein Über-Hedge entsteht. Die Frage der tatsächlichen Investierbarkeit im Sinne der Rechnungslegung wird zunächst auf einen nachgeordneten Schritt verlagert, da diese sich sehr speziell an der aktuellen Situation und den Planungen eines Unternehmens orientieren sollte.

Ergebnisse der Optimierung

Die Ergebnisse der Optimierung weisen typischerweise ein sehr hohes Nominal an Swaptions auf. Die Optionen sind - wenn der Fokus der Optimierung auf der Reduzierung der Tail-Risiken liegt - aus dem Geld und können sowohl Payer als auch Receiver-Swaptions sein. Dies unterstreicht, dass das (erfolgreiche) Geschäftsmodell der Bausparkassen einen erheblichen Teil seiner Profitabilität aus dem Verkauf von Optionalität generiert.

Obgleich ökonomisch sinnvoll, ist ein solches Portfolio im aktuellen Bilanzkontext in seiner einfachsten Implementierungsform nicht darstellbar. Daher muss die Berechnung dahingehend modifiziert werden, dass weitere Restriktionen in die Optimierung einfließen. Diese ergeben sich im Wesentlichen aufgrund von weiterführenden Steuerungsüberlegungen bezüglich des (Zins-)Ergebnisses, der jeweiligen Risikolimite sowie operationeller Vorgaben.

Konkret könnten diese Überlegungen zu einer Beschränkung der Optionsnominale oder -prämien oder einem reduzierten Universum an Hedge-Instrumenten führen: Jede Beschränkung wird aber die Qualität des Ergebnisses beeinflussen. Daher bietet sich in der Praxis ein iteratives Vorgehen an, indem die Ergebnisse der Optimierung immer wieder vor dem Hintergrund des Risikobudgets überprüft werden und entsprechende Anpassungen vorgenommen werden.

Die Zielgröße der Steuerung ist das barwertige Zinsänderungsrisiko, das heißt der VaR und die Barwertänderungen auf Basis von Stresstests. Andere Aspekte der Gesamtbanksteuerung (Ertragssteuerung nach HGB/IFRS, Liquiditätssteuerung, Adressrisikosteuerung) sind nicht Zielgrößen der Optimierung - sind jedoch in der operativen Zinsbuchsteuerung als Nebenbedingung respektive über eine Beschränkung des Instrumentenuniversums zu berücksichtigen. Zum Nachweis der risikoreduzierenden Wirksamkeit von Instrumenten beziehungsweise Maßnahmen dienen somit in erster Linie die Ergebnisse aus der barwertigen Zinsänderungsrisikomessung.

Swaptions können Bausparkassen dabei unterstützen, die in den Bausparverträgen eingebettete Optionalität sinnvoll abzusichern. Daneben sind sie kapitaleffiziente Instrumente zur Absicherung von Tail-Risiken. Bei optimaler Auswahl können kollektive Risiken weitgehend abgesichert werden. Die Notwendigkeit einer zusätzlichen Dotierung wie derzeit beim FbtA wäre damit nicht mehr gegeben oder würde sich deutlich reduzieren. Darüber hinaus hilft die beschriebene Methodik, die barwertigen Risiken des Bauspargeschäfts zu identifizieren und zu quantifizieren. Dies kann in einen systematischen Steuerungsprozess überführt werden, der einerseits eine gezielte Absicherung unerwünschter Geschäftsrisiken ermöglicht und andererseits die Auswirkungen auf die Volatilität der Jahresüberschüsse minimiert.

Fußnoten

1) Siehe dazu § 8 BausparkV.

2) Siehe dazu auch Steffan, Jürgen: Schutz für Bausparkassen um geeignete Instrumente ergänzen, in: Bankmagazin, Heft 2010/04, S. 36-38 beziehungsweise Steffan, Jürgen; Schürle, Josef; Püntmann, Christoph: Überlegungen zur Absicherung von Zinsänderungsrisiken, in: Immobilien & Finanzierung, 14-2009, S. 460-462.

3) Siehe dazu zum Beispiel Zagode, Miha: Bewertung der Optionalität in Bausparverträgen, Diplomarbeit am Institut für Mathematik an der LMU München, 2007.

4) Siehe dazu wiederum Steffan, Jürgen: Schutz für Bausparkassen um geeignete Instrumente ergänzen, in: Bankmagazin, Heft 2010/04, S. 36-38 beziehungsweise Steffan, Jürgen; Schürle, Josef; Püntmann, Christoph: Überlegungen zur Absicherung von Zinsänderungsrisiken, in: Immobilien & Finanzierung, 14-2009, S. 460-462.

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