Aufsätze

Risikomanagement - ein Wettbewerbsfaktor für institutionelle Investoren

CDO, REIT, Private Equity, Overlay, Derivate oder Hedgefonds: Die
Liste solcher Abkürzungen und Fachwörter ließe sich fast beliebig
fortsetzen. Nicht nur die Investmentbranche ist in den vergangenen
Jahren um zahlreiche Begriffe reicher geworden. Auch für Investoren
ist die Vielfalt der Anlageinstrumente erheblich gestiegen. Grundlage
für diese neue Investmentwelt bilden das seit 2004 gültige
Investmentrecht (InvModG) und die damit verbundene Derivate-Verordnung
(DerivateV). Durch sie sind institutionellen Investoren neue Chancen
entstanden, um ihre Kapitalanlagen gleich in mehrfacher Hinsicht
effizienter zu machen: höhere Renditen zu erwirtschaften, Risiken
besser zu erkennen und zu diversifizieren, sich unabhängiger von der
Marktentwicklung klassischer Anlageklassen wie Aktien oder Renten zu
machen und die Transaktionskosten zu reduzieren.
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Verhaltenes Wachstum bei alternativen Investments
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Doch was auf den ersten Blick so schön klingt, muss noch lange nicht
im Handumdrehen Wirklichkeit werden. Und in der Tat tut sich die
Branche - institutionelle Anleger, Kapitalanlagegesellschaften (KAG),
Depotbanken, aber auch die Aufsicht - bisweilen schwer mit den neuen
Möglichkeiten. Wurden beispielsweise Hedgefonds anfangs eine rosige
Zukunft auf kurze Sicht prophezeit, fällt das Urteil inzwischen
deutlich nüchterner aus. Statt der erhofften zweistelligen
Milliardensummen ist bisher ein eher bescheidenes Volumen für die
Produktanbieter zusammengekommen.
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Diesen Eindruck bestätigen auch Zahlen der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), etwa für die
Versicherungswirtschaft: Die deutschen Versicherer hatten im ersten
Quartal 2006 lediglich 0,2 Prozent ihrer Kapitalanlagen in der
Assetklasse Private Equity investiert und 5,5 Prozent in
strukturierten Produkten. Die Tendenz ist allerdings steigend, was
auch Zahlen der Universal-Investment belegen. Aktuell haben deren
Investoren bei Gesamtanlagen von 60 Milliarden Euro über 800 Millionen
Euro in alternativen Investments angelegt.
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Bis zum Jahresende ist mit einer Milliarde Euro zu rechnen. Ein
weiterer Trend kommt bei den alternativen Investments hinzu:
Institutionelle Investoren setzen bei ihrer Diversifikationsstrategie
nicht nur auf einzelne Assetklassen, sondern wollen in ihren
Spezialfonds ganz unterschiedliche alternative und strukturierte
Anlageformen bündeln.
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Kennzeichnend für die vergangenen zwei Jahre war somit ein Herantasten
an eine "terra incognita". Sowohl Investoren als auch KAGen mussten
sich erst mit den Chancen und Risiken der neuen Möglichkeiten -
technisch, inhaltlich, personell und prozedural - auseinander setzen,
ihre Bedeutung verstehen und Strukturen schaffen, diese Assetklassen
richtig einzusetzen und zu beherrschen. Wenn bisher beispielsweise in
Derivate investiert wurde, geschah dies eher in einfache Konstrukte
wie Zinsfutures zur Absicherung. Komplexere Vehikel wie Credit Default
Swaps oder Swaptions sind daher erst allmählich im Kommen.
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Komplexere Derivate im Kommen
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Dies wird auch durch ein Schlagwort untermauert, das die
institutionelle Branche derzeit elektrisiert: "Portable Alpha". Bei
einer solchen Strategie versucht ein Investor, die Marktentwicklung
über einen Börsenindex abzubilden (Beta-Performance) und die
Outperformance (Alpha) über den Einsatz von Derivaten zu erzielen. In
der Praxis ist dies allerdings nicht so einfach. Denn viele Spezial-
oder Masterfonds institutioneller Investoren sind nicht so aufgebaut,
dass sich eine Portable-Alpha-Strategie einfach so über das bestehende
Portfolio überstülpen ließe.
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Die Gründe für die bisher zögerliche Haltung sind vielfältig: Häufig
werden von der Investmentbranche die regulatorischen Bedingungen
moniert. So unterliegen beispielsweise Versorgungswerke,
Versicherungen und Bausparkassen restriktiveren Anlagevorschriften als
Unternehmen. In Anlageklassen wie spekulativen Derivatestrategien
dürfen sie entweder gar nicht oder nur in einem sehr eingeschränkten
Maße investieren. Versicherungen verzichten sogar freiwillig in ihren
Spezialfonds darauf, Hebelpapiere einzusetzen. Investitionen in
Hedgefonds dürfen wiederum nur bis zu zehn Prozent eines
Sondervermögens ausmachen. Rohstoffinvestments via Spezialfonds waren
bis vor kurzem gänzlich tabu. Erst im Mai 2006 öffnete die BaFin diese
Klasse für institutionelle Investoren. Nunmehr sind wenigstens
Fondsinvestments in gängige Rohstoffindizes möglich.
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Interne Anlagevorschriften
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Doch die Zurückhaltung ist nicht nur auf externe Restriktionen
zurückzuführen. Zusätzlich beruht die Enthaltsamkeit auch auf den
internen Anlagevorschriften der Investoren, die deren Gremien erst
allmählich anpassen. Schon haben große Versorgungswerke wie der BVV,
die Pensionseinrichtung des privaten Bankgewerbes oder die Bayerische
Versorgungskammer angekündigt, nach den ersten Erfahrungen mit
alternativen Investments die Quoten für Hedgefonds, Private Equity &
Co. sukzessive zu erhöhen. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand. So
legen Studien des Investmentberaters Watson Wyatt offen, dass die
Pensionsverbindlichkeiten weltweit schneller steigen als die
Pensionsvermögen. Und für Versicherer wird der Erfolg ihrer
Kapitalanlagen sogar zur strategischen Wettbewerbskomponente im Kampf
um die Kundschaft - angesichts gesunkener Garantiezinsen und
verschlechterter steuerlicher Rahmenbedingungen für
Kapitallebensversicherungen.
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Diese Entwicklungen und die Schwäche der Kapitalmärkte zwingen
institutionelle Investoren dazu, höhere Renditen zu erzielen. Hierfür
eignen sich insbesondere Derivate. Ein Mehr an "Alpha" ist aber
gleichbedeutend mit dem bewussten Eingehen zusätzlicher Marktrisiken.
Daher verlangen Gesetzgeber und Aufsicht von institutionellen Anlegern
und ihren KAGen verstärkte Anstrengungen im Management dieser Risiken.
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Fortgeschrittene Techniken des Risikomanagements erwünscht
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Für die KAGen hat die Aufsicht die Ausgestaltung des Risikomanagements
beim Einsatz von derivativen und strukturierten Produkten in der
DerivateV detailliert beschrieben. Demnach muss eine KAG für
Sondervermögen, die sie verwaltet und in denen Derivate enthalten
sind, über ein Risikomanagement-System verfügen. Die Risiken des
Sondervermögens müssen dabei mittels hinreichend fortgeschrittener
Risikomanagement-Techniken fortlaufend erfasst, gemessen und gesteuert
werden. Zu beachten sind dabei sowohl die Risikoprofile, vor allem das
Markt- und Kreditrisiko (Emittenten-/Kontrahentenrisiko) der einzelnen
Vermögensgegenstände, als auch das vollständige Risikoprofil des
gesamten Sondervermögens.
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Ende 2005 präzisierte die BaFin diese Regelungen nochmals und
veröffentlichte die "Mindestanforderungen an das Risikomanagement" für
Kreditinstitute - und damit auch für die KAGen relevant. Die Aufsicht
sieht demnach ihre neuerlichen Vorgaben als "einen flexiblen und
praxisnahen Rahmen für die Ausgestaltung des Risikomanagements in den
Kreditinstituten" auf der Grundlage des Kreditwesengesetzes. Das
Risikomanagement umfasst entsprechend "die Festlegung angemessener
Strategien sowie die Einrichtung angemessener interner
Kontrollverfahren", die "aus dem internen Kontrollsystem und der
Internen Revision" bestehen. Das interne Kontrollsystem beinhaltet
"insbesondere Regelungen zur Aufbau- und Ablauforganisation und
Prozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung, Überwachung
sowie Kommunikation der Risiken (Risikosteuerungs- und
Controlling-Prozesse)".
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So weit die aufsichtsrechtlichen Vorgaben: Ein professionelles
Risikomanagement beginnt allerdings schon früher und ist weiter
gefasst. Zunächst setzt Risikomanagement die Definition voraus, was
ein Investor als das für ihn maximale Verlustpotenzial erachtet. Im
Anschluss daran sollten sich der Investor und seine KAG dann bei der
Mandatsauflage darüber klar sein, welche strategischen Risikofaktoren
in das Portfolio gehören.
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Neben den grundsätzlichen Markt-, Kredit- und operationellen Risiken
birgt der Einsatz von Derivaten weitere Risiken: Neue Unsicherheiten,
wie am Beispiel der Rohstoffe als eigener Assetklasse deutlich wird,
oder Risiken, die den Derivaten immanent sind, wie der Totalverlust
oder - im Extremfall - sogar noch darüber hinausgehend. Erst danach
beginnt die Allokation über verschiedene Assetklassen hinweg
einschließlich der Auswahl der taktischen Mittel zur feineren
Risikosteuerung wie Overlay-Management beziehungsweise
Wertsicherungskonzepte.
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Risikobudgets im Blickfeld
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Neben diesen Faktoren kommen noch weitere Elemente hinzu, die Einfluss
auf das Risikomanagement in einer immer komplexeren Anlagewelt nehmen.
Dazu zählen Asset-Liability-Studien (Abgleich der
Kapitalverpflichtungen mit den Erträgen der Kapitalanlagen) sowie
Risikobudgets, die Investoren ihren KAGen vorgeben. Bisher spielten
diese Budgets nur eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund stand in
erster Linie die bloße Kapitalvergabe an den Asset Manager. Mit einem
professionellen Risikomanagement rückt jedoch das Risikobudget, aus
dem der Asset Manager schöpfen kann, stärker ins Blickfeld.
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Dieser Umstand löst auch das eher traditionelle Verständnis der
Investoren ab, wie sie Risiken streuen. Derzeit reduzieren
institutionelle Investoren ihre Risiken noch sehr stark über
Mischungsrestriktionen. So darf zum Beispiel ein Spezialfonds nur fünf
Prozent seiner Mittel in Papieren eines Emittenten, etwa Aktien von
Daimler-Chrysler, halten. Oder es bestehen Restriktionen für bestimmte
Anlageklassen, etwa bei Versicherungen die Investitionsquote von
maximal zehn Prozent in Hedgefonds. Womit deutlich wird: Nicht die
Risiken im eigentlichen Sinne werden miteinander in Bezug gesetzt,
sondern lediglich die verschiedenen Assetklassen gemischt, um das
Risiko zu streuen.
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Mit dem Einsatz von Derivaten ändert sich jedoch diese
Verhaltensweise. Denn Investoren werden dazu übergehen, stärker mit
Risikokennziffern wie "Value-at-Risk" (VaR) zu arbeiten. Dahinter
verbirgt sich ein vorwärts gerichtetes Risikomaß (VaR 99/10), das
angibt, zu welchem Prozentsatz (99 Prozent) der Verlust in den
nächsten zehn Tagen den angegebenen VaR-Wert nicht überschreiten wird.
Anhand dieser Kennzahl lässt sich das Risikobudget effizienter steuern
als bisher. Diese zukunftsgerichtete VaR-Variante setzt sich nicht nur
wegen der DerivateV immer stärker durch. Bisher maß VaR lediglich das
Risiko auf Basis historischer Spezialfondspreise (ex-post), was aber
keine dynamische Szenariorechnung erlaubte. Mittels einer
Ex-ante-Betrachtung entsteht nun eine Managementkennzahl für die
taktische, risikoadjustierte Allokation der Kapitalanlagen. Diese kann
wiederum über den Einsatz von Derivaten gesteuert werden.
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Stresstests und Szenario-Analysen als Bedingung
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Um diese Services anzubieten, haben viele KAGen ihre
Risikomanagement-Systeme technisch und personell entweder schon massiv
ausgebaut oder beschäftigen sich gerade damit. So arbeitet etwa
Universal-Investment mit dem System von Risk-Metrics zusammen, das
beispielsweise Investmentbanken schon seit längerem nutzen. Die
bereitgestellten Daten und Preismodelle ermöglichen eine tägliche
Berechnung verschiedenster Risikokennzahlen (VaR 99/10, Sensitivitäten
und Szenario-Analysen) auf Positionsebene, sowohl für allgemeine als
auch spezifische Marktrisikofaktoren. Damit werden alle Anforderungen
der DerivateV an den so genannten qualifizierten Ansatz erfüllt -
einschließlich der Stresstests und der Simulation von Marktbewegungen.
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Denn zusätzlich verpflichtet die DerivateV eine KAG, für jedes
Sondervermögen eines institutionellen Kunden geeignete Stresstests zu
definieren und mindestens monatlich durchzuführen. Sinn und Zweck ist
es, zusätzliche potenzielle Risiken kontinuierlich zu beobachten, die
das eingesetzte Risikomodell nicht berücksichtigen kann. Mit Hilfe von
Stresstests kann der potenzielle Verlust eines Sondervermögens im
Falle extremer Marktsituationen oder -veränderungen berechnet werden.
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Eingeschränkte eigene Ressourcen
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Aber ein umfassendes Risikomanagement-System sollte über eine allein
fondsbezogene Betrachtung hinausgehen. Verfügt die KAG über eine
moderne IT-Infrastruktur mit umfangreichem Data Warehouse, kann sie
auch die Direktanlagen eines institutionellen Anlegers in die Messung
und Steuerung der Asset-Management-Risiken einbeziehen. Direktanlagen
wie Aktien, Private Equity, Derivate, Rohstoffe oder Immobilien werden
dabei als "virtuelle Fonds" in die tägliche Berechnung von VaR,
Sensitivitäten und Szenarioanalysen integriert. Entsprechend sollte
sich auch das Reporting nicht nur auf die Spezialfonds eines
institutionellen Investors beschränken, sondern alle Assetklassen
inklusive der Direktanlagen einbeziehen und sie in Korrelation zu den
anderen Assetklassen setzen.
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Die Zusammenarbeit mit einer Master-KAG kann Kunden weitere wertvolle
Dienstleistungen im Zusammenhang mit Derivaten ermöglichen. Dazu
gehören Wertsicherungskonzepte beziehungsweise ein
Over-lay-Management. Gerade ein Master- beziehungsweise Segmentfonds
bietet sich beispielsweise als Grundlage für
Overlay-Wertsicherungsstrategien an. Die Gesamtrisikoposition kann
damit zentral gesteuert werden. Bei der Aggregation der Risiken wird
die Korrelation zwischen den Assets berücksichtigt.
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Zudem ist jederzeit die Adjustierung der Risikoparameter möglich. Die
einzelnen Asset Manager werden nicht in ihrem In-vestment-Ansatz
beeinflusst, so dass eine eindeutige Performance-Attribution möglich
ist. Das Wertsicherungs-Overlay kann als statische Wertsicherung mit
Futures beziehungsweise Optionen oder als dynamische Variante mittels
Constant Proportion Portfolio Insurance (CPPI), Time Invariant
Portfolio Protection (TIPP) beziehungsweise Value-at-Risk umgesetzt
werden.
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Mit CPPI wird der Grad der Investition in Anlageobjekten wie Aktien
dynamisch so gesteuert, dass beim Eintreten des größten anzunehmenden
VaR, der mit einem vorgegebenen Konfidenzniveau nicht überschritten
wird, der Wert des Portfolios am Ende des Absicherungszeitraums noch
oberhalb der vom Investor vorgegebenen Mindestgrenze liegt. Das
TIPP-Modell ist wiederum eine Gewinn sichernde Erweiterung des
CPPI-Ansatzes.
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Vielen institutionellen Anlegern stehen aber oft nur eingeschränkte
eigene Ressourcen zur Verfügung, um ein qualifiziertes
Risikomanagement zu etablieren. Insbesondere durch den Einsatz von
Derivaten und alternativen Investments wird dieses Manko offenbar. Die
Kooperation mit einer Master-KAG hilft nicht nur, diese offene Flanke
zu schließen. Sie bietet Mehrwerte - technisch wie personell: "Seek
experience: Risk is measured and managed by people, not mathematical
models!" - wie eine der "Neun Goldenen Regeln" von Risk-Metrics für
eine erfolgreiche Risikostrategie besagt. So gerüstet, kann der
Einsatz der neuen Anlagemöglichkeiten zur Erfolgsgeschichte für
institutionelle Investoren werden.

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