Grundpfandrechte in der Verwertung

"Runder Tisch" für kantige Anliegen - neue Wege bei der Verwertung realgesicherter Kredite

Die Verwertung dinglich gesicherter Forderungen verlangt die Bewältigung komplexer Arbeitsabläufe und diametral unterschiedlicher Verwertungsansätze in einem unproduktiven Bereich der Wertschöpfungskette. Herkömmlich wird dieser Herausforderung von kreditgebenden Instituten durch Schaffung eigener Kapazitäten mit gut ausgebildeten Spezialmitarbeitern begegnet. Begründet wird dieser Ansatz mit Kontrollverlust, Rücksichtnahme auf Kunden sowie mit Datenschutzgesichtspunkten, nicht zuletzt mit angeblich höheren Verwertungserfolgen. Diese Position gerät nicht nur aus Kostengesichtspunkten zusehends unter Druck. Der Einsatz moderner IT schafft transparente Arbeitsräume, die den herkömmlichen Arbeitsprozess als aufwendig, ineffizient und letztlich unproduktiv erscheinen lassen. Die Entwicklung zur Bearbeitung dieser Prozesse durch Dritte, die im Ausland "quasi Standard" ist1), wird nunmehr auch in Deutschland durch am Markt verfügbare Angebote hochspezialisierter Dienstleister unterstützt. Der vorliegende Beitrag stellt diesen Arbeitsansatz am Beispiel der IT-gestützten Arbeitsplattform einer Anwaltskanzlei vor und vergleicht ihn mit Abläufen, Kosten und Ergebnissen einer traditionellen In-house-Lösung.

Die Verwertung von notleidenden Krediten gilt als komplexe Materie, deren konventionelle Arbeitsabläufe den Einsatz externer Dienstleister so gut wie ausgeschlossen erscheinen ließ. Doch ein virtueller "runder Tisch" rationalisiert und beschleunigt jetzt den Arbeitsprozess mit einem Dienstleister und bietet eine "Alles-aus-einer-Hand-Lösung".

Virtueller "runder Tisch"

Die Anzahl notleidender Kredite wuchs im Jahr 2011 gegenüber 2009 bis 2010 um zirka 20 Prozent auf ein Kreditvolumen von rund 250 Milliarden Euro, schätzt eine aktuelle Studie der Ernst & Young GmbH.2) Entsprechend äußern sich auch Studien anderer Marktbeobachter.3) Die elektronische Arbeitsplattform beschleunigt und standardisiert die Verwertungsprozesse signifikant. Der internetbasierte Service spart allen Teilnehmern Zeit und Kosten und bietet Banken, Versicherern, Bausparkassen, Immobilienfirmen und Steuerbehörden Potenzial zur Rationalisierung. Der virtuelle "runde Tisch" schafft für den Gläubiger Entscheidungssicherheit durch eine hohe Informationsdichte während des gesamten Arbeitsablaufes, attestiert eine Studie von Prof. Dr. Marco Schmäh von der ESB Business School in Reutlingen (Württemberg).4) Damit wird nicht zuletzt Forderungen der Kreditwirtschaft nach mehr Automatisierung in der Kreditprozesskette entsprochen.

Grundidee der Innovation ist, "sämtliche Informationen eines Arbeitsprozesses mit mehreren Beteiligten unabhängig vom Ort für jeden "Player" jederzeit abrufbereit zu halten, sodass ein Reporting per se entfällt. Alle aktiv am Arbeitsprozess Beteiligten sind über die Arbeitsplattform durch standardisierte Abläufe in den Prozess eingebunden. Die Plattform stellt alle Informationen bereit, um Entscheidungen "just in sequence" fällen zu können, was Verzögerungen vermeidet.

Die "Gläserne Akte" schafft Transparenz und Informationsdichte im Verwertungsprozess und ist die Voraussetzungen für die erforderliche Teamarbeit aller Beteiligten an der Verwertung. Das sind nicht nur Gläubiger und Dienstleister, sondern auch Makler, die auf die freihändige Vermarktung notleidender Objekte spezialisiert sind. Der Workflow sieht vor, das Objekt über Internet oder Printanzeigen mittels kreativer Marktkonzepte, wie dem "Gütesiegel für Zwangsversteigerungsimmobilien", parallel am Markt anzubieten.

Über die Arbeitsplattform stehen dem Gläubiger stets aktuelle Informationen über den Stand der parallel laufenden freihändigen Vermarktung zur Verfügung. Die Kommunikation wird optimiert, da Informationen in Echtzeit für alle am Entscheidungsprozess Beteiligten stets auf Abruf hochsicher bereitstehen. Das bekräftigt auch die Studie von Prof. Schmäh.

Die "Gläserne Akte" stellt durch die systemimmanente Informationsversorgung über sämtliche Elemente ein konzertiertes Handeln im Sinne einer Best-Practice sicher. Es werden Synergieeffekte erzielt, die der industriellen Bearbeitung des herkömmlich manuell bearbeiteten Arbeitsprozesses nahekommen.5)

Verfügbarkeit der Informationen

Aufgrund der aktenbezogenen Kommunikation entfällt für Gläubiger und Dienstleister nicht nur ein ständiges, arbeitsaufwendiges Reporting, sondern alle Informationen sind dort verfügbar, wo sie aktuell erwartet und benötigt werden. Beim Gläubiger werden doppelte Aufzeichnungen und Archivierungen überflüssig. Zum Beispiel können statistische Daten simultan erhoben, ausgefiltert und dem Gläubiger übermittelt werden, was bereits beim Aufbau der Struktur durch Einbindung und Vernetzung der Informationsflüsse berücksichtigt und gesteuert wird. Die eintretenden Rationalisierungseffekte reichen idealerweise bis in das Backoffice der Gläubigerorganisation hinein.

Durch den Einsatz des anwaltlichen Dienstleisters und die Nutzung der elektronischen Arbeitsplattform ergeben sich Kostenvorteile für den Gläubiger. Verglichen mit einer Inhouse-Abteilung können je nach bearbeitetem Portfolio über 50 Prozent der Kosten eingespart werden, da die Kosten, auch des Dienstleisters, vom Schuldner zu übernehmen sind. Zur Kostenminimierung des Gläubigers tragen an Volumen und Gegenstandswerten orientierte flexible Honorarmodelle bei. Dazu zählen zum Beispiel die Pauschalierung von Gebühren beziehungsweise die Vereinbarung von Stundensätzen sowie der oben erwähnte Kostenentlastungseffekt durch Überwälzung des eingetretenen Verzugsschadens auf den Schuldner. Auch die Deckelung der Streitwerte bei "Exzedenten" kann ein probates Mittel der Kostenbegrenzung sein.

Datensicherheit und Flexibilität

Die Datensicherheit ist gewährleistet. Der Zugriff auf die Daten erfolgt über hochsicherheitsverschlüsselte Zugänge. Alle Dokumente, wie beispielsweise in das stets aktuelle Forderungskonto, können in Absprache mit dem Gläubiger durch abgestimmte Zugangsberechtigungen individuell gesteuert werden.

An diesen Möglichkeiten partizipieren auch Gläubiger, die nicht den gesamten Arbeitsprozess von der Kündigung des notleidenden Engagements bis zur Verwertung in Anspruch nehmen. Je nach individuellem Bedarf können auch einzelne Module der Arbeitsplattform abgerufen werden. So ist es möglich, Arbeitsspitzen oder personalbedingte Ausfälle der eigenen Organisation mittels eines zeitlich befristeten Engagements abzufedern. Dank des auf diesen Prozess spezialisierten Dienstleisters können im Bedarfsfall Leistungen abgerufen werden, die von einer Inhouse-Abteilung nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand skalierbar erbracht werden können.6) Das gilt für die anderen Partner und Dienste der Alles-aus-einer-Hand-Lösung entsprechend. So können über die Arbeitsplattform auch die aktuellen Reportings der auf Zwangsversteigerungsverfahren spezialisierten Makler eingesehen werden. Damit liegen für Entscheider simultan alle Informationen über den Stand der freihändigen Verwertung vor. Schließlich können über die Arbeitsplattform auch isolierte Leistungen wie Terminvertretungen gebucht werden.

Mediative Elemente für Kundenerhalt und Sanierung

Der Reutlinger Wissenschaftler Schmäh resümiert angesichts signifikanter Verwertungserfolge, dass die Nutzung der Arbeitsplattform "gerade für Anbieter zur Notwendigkeit wird, die sich auf die Verwertung dinglicher Sicherheiten spezialisiert haben, um im Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können". Ein Verwertungserfolg in Höhe von 77,53 Prozent bezogen auf den erzielten Erlös im Vergleich zur offenen Forderung beziehungsweise 76,02 Prozent bezogen auf den erzielten Erlös in Relation zum Verkehrswert spricht bei durchschnittlich gesicherten wohnwirtschaftlichen Immobiliardarlehensverträgen für sich.7) Dazu trägt neben der technischen Performance der Plattform auch die Kooperation sämtlicher am Verwertungsprozess beteiligter Dienstleister in einem schlanken, entscheidungsorientierten Arbeitsprozess bei.

Die Strategie des Dienstleisters ist es, die Schuldner zur Kooperation zu gewinnen. Eine Quote von rund 15 Prozent von Umfinanzierungen ursprünglich notleidender Engagements beweist, dass das sensible Vorgehen eines Dritten, der im Kontext Gläubiger/Schuldner eine vermittelnde Rolle einnimmt, erfolgreich ist. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass dieser Aufwand nicht nur Zinsgewinne kreiert, sondern die vom Dienstleister veranlassten, vertrauensbildenden Maßnahmen vom Schuldner auch honoriert werden. Nur wenige der umgeschuldeten Kredite wurden wieder notleidend.

Durch frühzeitige sensitive Kontaktaufnahme und laufende Telefonkontakte konnten Vereinbarungen mit den Schuldnern geschlossen werden. Als Folge der Mitwirkung der Eigentümer wurde das weiter laufende Zwangsversteigerungsverfahren zunächst beschleunigt und bei Einhaltung der vereinbarten Ratenzahlung das Engagement umfinanziert. Gelang dieser Schritt in Einzelfällen nicht, blieb zumindest der Vorteil einer weitestgehend reibungslosen Verwertung durch die Mithilfe des Schuldners.

Dritter Weg zwischen Inhouse-Lösung und Outsourcing

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Arbeitsplattform nicht nur Kostenvorteile, sondern durch Beschleunigung und Wahrnehmung sämtlicher Verwertungsoptionen Erfolge aufweist, die bei konventioneller Bearbeitung eher zufällig eintreten. Bedingt durch die Rationalisierungseffekte der Arbeitsplattform ist der Dienstleister in der Lage, frei gewordene Kapazitäten dafür einzusetzen, um das beschädigte Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunden wieder herzustellen.

Die Verwertung von dinglichen Sicherheiten gehört als nachgelagerte, außerhalb des Wertschöpfungsprozesses liegende Tätigkeit nicht zur Kernkompetenz von Banken, Bausparkassen und Versicherungen. Durch den Einsatz moderner IT ist die Differenzierung zwischen In-house-Bearbeitung und Outsourcing durch die Einbindung der Gläubiger obsolet geworden.

Fußnoten

1) Skudelny, Heide, Bankmagazin 04/08 "Kreditprozesse auf dem Prüfstand": In den USA sollen 65 Prozent der Bearbeitung in den Händen von Outsourcern liegen, in Großbritannien und den Niederlanden soll die Quote zirka 40 Prozent betragen.

2) Ernst & Young, European Non-Performing Loan Report 2011.

3) PWC Real Estate Insights, Februar 2011; KPMG Global Debt Sales, 2011.

4) Studie von Prof. Dr. Marco Schmäh (Reutlingen) zu der elektronischen Arbeitsplattform der Kanzlei RVR Rechtsanwälte, www.rvr.de/fom/328/Arbeits-plattform-Willkommen.html.

5) IDC Studie "Der Bankensektor in Deutschland - IT-Trends im Zeichen des Umbruchs"; Trendstudie Bank & Zukunft 2007, in: Innovationforum Bank & Zukunft, Fraunhofer Institut, S. 32 ff.

6) Heckl, Diana, Steuerung von Kreditprozessen, S. 8 7) Ergebnis der Erhebung eigener statistischer Daten, gewonnen am Beispiel einer privaten Bausparkasse.

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